Das ukrainische Akw Saproschischja
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Ein Soldat mit russischer Flagge auf der Uniform steht nahe dem Kernkraftwerk Saporischschja

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Atomkraftwerk Saporischschja erneut unter Beschuss

Die Ukraine und Russland machen sich gegenseitig verantwortlich: Das Atomkraftwerk Saporischschja ist erneut unter Beschuss genommen worden. Auch aus dem Osten des Landes werden schwere Gefechte gemeldet.

Die Ukraine und Russland haben sich am Samstag erneut gegenseitig Angriffe auf das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja vorgeworfen. Russische Truppen nahmen nach Angaben des ukrainischen Militärgeheimdienstes das AKW-Gelände unter Feuer. Der Beschuss sei von einem wenige Kilometer entfernten Dorf aus erfolgt und habe eine Pumpstation und eine Feuerwache beschädigt, hieß es.

Die ukrainische Atombehörde Energoatom appellierte an die Bürger der nahe am AKW gelegenen Stadt Enerhodar: "Beschränken Sie ihre Präsenz in den Straßen von Enerhodar! Wir haben Informationen über neue Provokationen von Seiten der (russischen) Besatzer."

Kiew erklärte zudem, auch die Stadt Saporischschja sei beschossen worden. Dabei sei eine Frau ums Leben gekommen, zwei weitere Zivilisten seien verletzt worden.

Russland macht Ukraine für AKW-Beschuss verantwortlich

Die von Moskau eingesetzte Verwaltung in den russisch kontrollierten Gebieten warf indes den ukrainischen Truppen vor, für die Angriffe auf das AKW verantwortlich zu sein. "Enerhodar und das AKW Saporischschja sind erneut unter Beschuss der Anhänger" des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, erklärte Wladimir Rogow, Mitglied der prorussischen Zivil- und Militärverwaltung. Projektile seien auf "Gebiete am Ufer des Dnipro und auf das AKW-Gelände" gefallen.

Russische Truppen kontrollieren die Anlage Saporischschja seit den ersten Tagen der russischen Invasion. Sie wird allerdings immer noch von ukrainischen Mitarbeitern betrieben. Von Seiten der Ukraine hieß es wiederholt, die russischen Streitkräfte benutzten das Atomkraftwerk als Schutzschild. Der Fluss Dnipro trennt die von den Russen und die von der Ukraine kontrollierten Gebiete.

Borrell fordert entmilitarisierte Zone rund ums AKW

Die beiden Konfliktparteien hatten sich in der vergangenen Woche wiederholt gegenseitig für Angriffe auf das AKW verantwortlich gemacht. Nach den ersten Angriffen am 5. August musste ein Reaktor heruntergefahren werden. Bei Angriffen am Donnerstag wurden eine Pumpstation und Strahlungssensoren beschädigt.

Die Raketenangriffe wecken Befürchtungen vor einer Katastrophe am größten Atomkraftwerk Europas, der UN-Sicherheitsrat hielt eine Dringlichkeitssitzung dazu ab. Schon seit Wochen versuchen Experten und Expertinnen der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) trotz der Kämpfe in der Region, Zugang zu dem AKW zu erhalten.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell forderte abermals einen sofortigen Abzug russischer Truppen aus dem besetzten Atomkraftwerk. Das AKW dürfe nicht in militärische Auseinandersetzungen hineingezogen werden, schrieb Borrell auf Twitter. Er unterstütze Forderungen nach einer Demilitarisierung des Gebietes und dringe auf einen Besuch von IAEA-Experten.

  • Zum Artikel: "Geht Russland im Ukraine-Krieg die Luft aus?"

Karte: Die militärische Lage in der Ukraine

Schwere Angriffe auch im Osten des Landes

Derweil meldete das ukrainische Militär erneut schwere Angriffe im Osten des Landes. So seien die Stadt und die Region Charkiw massiv beschossen worden, teilten die ukrainischen Behörden am Samstag mit. Drei Menschen, darunter ein 13 Jahre alter Junge, seien im Gebiet Charkiw verletzt und ins Krankenhaus gebracht worden, hieß es.

Das Verteidigungsministerium in Moskau bestätigte in seinem Lagebericht den Raketen- und Artilleriebeschuss unter anderem in den Gebieten Charkiw und Cherson. Der Schwerpunkt lag demnach weiter im Gebiet Donezk, das im Zuge des russischen Angriffskriegs als nächstes Ziel Moskaus komplett der ukrainischen Kontrolle entrissen werden soll. Eingenommen worden sei nun der Donezker Vorort Pisky im Nordwesten der Großstadt, hieß es. Die ukrainische Seite bestritt die Angaben: Es werde dort weiter heftig gekämpft, teilte der ukrainische Generalstab mit.

Zerstörung von Brücken über den Dnipro

Die russische Position im besetzten südukrainischen Cherson ist nach Einschätzung britischer Geheimdienste durch Gegenangriffe auf strategisch wichtige Flussquerungen deutlich geschwächt. Über die zwei Hauptstraßenbrücken über den Dnipro könne mutmaßlich keine erhebliche militärische Ausrüstung mehr in die russisch besetzen Gebiete westlich des Flusses transportiert werden, hieß es am Samstag vom britischen Verteidigungsministerium. An der wichtigen Antoniwka-Brücke seien den Russen in den vergangenen Tagen nur oberflächliche Reparaturen gelungen. Die andere wichtige Brücke sei durch ukrainische Angriffe mit Präzisionswaffen in den vergangenen Tagen für schwere Militärfahrzeuge unbefahrbar geworden.

Auch von der Ukraine hieß es, die letzte Brücke über den Dnipro in der russisch besetzten Region Cherson sei schwer beschädigt. Die russischen Nachschublinien seien damit stark eingeschränkt, teilte ein Mitglied des Regionalrats von Cherson, Serhij Chan, am Samstag auf Facebook mit. Die Russen seien nun nicht mehr in der Lage, Ausrüstung weiter zu transportieren.

Ukraine will westliche Hilfe bei Verfolgung von Kriegsverbrechern

Der ukrainische Verteidigungsminister Olekxij Resnikow forderte derweil die USA und andere westliche Staaten zur Hilfe bei der Verfolgung russischer Kriegsverbrechen auf. Die Ukraine brauche Experten für Militärrecht und Spezialisten für die Aufklärung von Kriegsverbrechen, um die russischen Angreifer zu bestrafen, teilte Resnikow bei Facebook mit. Es müsse eine internationale Koalition gebildet werden, um die blutigen Taten zu verfolgen, betonte der Minister. Resnikow bezog sich besonders auch auf das Schicksal von ukrainischen Kriegsgefangenen, die in russischer Haft massenhaft getötet und gefoltert würden.

mit Material von AFP, AP und dpa

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