AfD-Demonstration gegen die Sicherheitskonferenz 2023 in München
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AfD-Demonstration gegen die Sicherheitskonferenz 2023 in München

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Querfront: Wachsen die politischen Ränder zusammen?

Rechtsaußen und Linksaußen gemeinsam. Bislang war eine Querfront Wunschdenken ohne dauerhafte Wirkung. Nun stößt Wagenknechts "Manifest für den Frieden" die Tür von links auf. Schweißt das Friedensthema die politischen Ränder zusammen? Eine Analyse.

Es soll eine große, lagerübergreifende Friedensbewegung werden. Auf der Kundgebung am Samstag am Brandenburger Tor sei jeder "herzlich willkommen, der ehrlichen Herzens für Frieden und für Verhandlungen demonstrieren möchte". Das sagte die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht dem Magazin Spiegel. Und sie ergänzte, "rechtsextreme Flaggen oder Symbole" hätten dort "nichts zu suchen und werden nicht geduldet". Flaggen und Symbole – das heißt nicht, dass Rechtsextremisten grundsätzlich ausgeschlossen sein sollen. Entsteht eine linksrechte Querfront, die über die aktuellen Demonstrationen hinaus dauerhaft wirkt?

Die Spitze von Wagenknechts Partei "Die Linke" will von solchen Synergien nichts wissen. Strikte Trennung sei ge-, jede Zusammenarbeit mit Rechtsextremisten verboten. In dem Friedensmanifest, das Wagenknecht zusammen mit Alice Schwarzer verfasste, fehle die "klare Abgrenzung nach rechts". Dies führe "augenblicklich dazu (...), dass namhafte Nazis und rechte Organisationen diesen Aufruf unterstützen und massiv zu der Demo am 25. mobilisieren", sagte Linken-Bundesgeschäftsführer Tobias Bank. Nun richtet sich die öffentliche Aufmerksamkeit darauf, welche und wieviele Rechtsextremisten zu der Demo kommen. Das extrem rechte Magazin "Compact" zum Beispiel trommelt schon seit Jahren für eine Querfront, und nun auch für die Wagenknecht-Kundgebung.

Halbherzige Beschwichtigungen

Die Beschwichtigungen Wagenknechts und Schwarzers wirken halbherzig und konstruiert. Schwarzer sagte den Nürnberger Nachrichten: "Ein paar Dutzend Rechtsextreme gegen bald eine Million Unterzeichnerinnen und Unterzeichner unseres Friedensappells. Was wiegt das schon." Und Wagenknecht entgegnet der Kritik aus den eigenen Reihen: "Dass Rechtsextremisten, die in der Tradition eines Regimes stehen, das den schlimmsten Weltkrieg seit Menschheitsgedenken vom Zaun gebrochen hat, auf einer Friedensdemo nichts zu suchen haben, versteht sich von selbst."

Wer den Aufruf als "rechtsoffen diffamiert", vergesse, "dass nicht der Ruf nach Frieden, sondern die Unterstützung von Militarismus und Krieg seit ewigen Zeiten Kennzeichen rechter Politik ist", ergänzt Wagenknecht. Die vermeintliche Logik: Wer "für Frieden" demonstriere, könne gar nicht "rechts" sein. Aussagen von AfD-Politikern konterkarieren das. Parteichef Tino Chrupalla etwa schloss sich Wagenknechts Manifest früh an. "Ich habe diese Petition für den Frieden unterzeichnet. Im Einsatz für den Frieden sollten Parteigrenzen keine Barrieren sein", twitterte Chrupalla und sandte damit ein ganz anderes Signal als die Führung der Linken. An der Wagenknecht-Demonstration will die AfD-Spitze nicht teilnehmen und lieber Kundgebungen unter eigenem Namen initiieren - aber offen für alle. Die Co-Vorsitzende Alice Weidel lässt wissen: "Wir schließen niemanden aufgrund einer 'falschen' Parteizugehörigkeit aus."

Treffpunkt Frieden

"Frieden" ist das Label, unter dem sich die Menschen guten Gewissens versammeln sollen. Chrupalla macht aus dem Thema ein neues Alleinstellungsmerkmal: "Wir sind die Friedenpartei", schrieb er. "Als einzige Partei setzten wir uns geschlossen für Frieden in Deutschland ein." Moralisch positiv besetzt, kann der Begriff andere politische Motive übertünchen. Diese Strategie ist nicht neu. In den 1970er und 80er Jahren wandte sie die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) an. Damals sprang sie auf die Friedensbewegung auf, kritisierte die Hochrüstung der Nato – und stellte die ebenfalls hochgerüstete Sowjetunion als Friedenskraft dar. Es wurde mit zweierlei Maß gemessen.

Ein genauer Blick in Wagenknechts und Schwarzers Friedensmanifest und die Argumentation der Befürworter offenbart ebenfalls eine antiwestliche Stoßrichtung. Zunächst fällt der "Double Speak" auf. Einerseits heißt es in dem Manifest, die "von Russland brutal überfallene ukrainische Bevölkerung braucht unsere Solidarität". Der Bezug auf die "Bevölkerung" nimmt die Regierung der Ukraine und das Militär indirekt von der "Solidarität" aus.

Entsprechend wird andererseits der ukrainische Präsident Wolodymir Selenskyj für die Eskalation (mit-)verantwortlich gemacht. Er mache "aus seinem Ziel kein Geheimnis. Nach den zugesagten Panzern fordert er jetzt auch Kampfjets, Langstreckenraketen und Kriegsschiffe – um Russland auf ganzer Linie zu besiegen?" Die Suggestivfrage unterstellt der Ukraine Eskalationspolitik und unterschlägt ihren Willen, sich zu verteidigen.

Antiwestliches Framing

Ähnlich argumentiert der Linken-Politiker Gregor Gysi, der das Manifest ebenfalls unterzeichnete. Er schreibt, "die Aggression ging eindeutig von Putin aus." Doch eingebettet ist die Erklärung in ein antiwestliches Framing. Gysi schreibt: "Der vorhergehende israelische Ministerpräsident Bennett hatte bereits alle Eckpunkte für einen Waffenstillstand zwischen Russland & der Ukraine mit beiden Seiten ausgehandelt. Aber der Westen sagte 'Nein' dazu." Das hatte Bennet nach Recherchen des ARD-Faktenfinders allerdings nie behauptet. Die Gespräche im März 2022 in der Türkei wurden nach Bekanntwerden der russischen Gräueltaten im ukrainischen Butscha abgebrochen.

Gysis Framing unterstützt Auffassungen, die im "Westen" den Kriegstreiber ausmachen – und ihm jede Friedensabsicht abstreiten. Warum die Ukraine derzeit nicht mit Putin verhandeln will, erläutert Gysi an dieser Stelle nicht. Westliche Staaten unterstützen die Ukraine mit Waffenlieferungen, um ihr die Rückeroberung der von Russland besetzten Gebiete zu ermöglichen. Erst dann, so die Begründung, seien Friedensverhandlungen mit Russland sinnvoll.

Anfang Februar stellte die AfD den Antrag einer "Friedensinitiative" im Bundestag. "Ein erster Schritt wäre", heißt es darin, "die politische, militärische und finanzielle Unterstützung der Ukraine an die Verhandlungsbereitschaft Kiews zu ernsthaften Friedensgesprächen zu knüpfen und auch gegenüber Russland Gesprächsbereitschaft einzufordern." Es ist bezeichnend, wie hier priorisiert wird: Die "Verhandlungsbereitschaft" Kiews solle Voraussetzung für Waffenlieferungen sein, während von Russland ohne weitere Bedingungen "Gesprächsbereitschaft" eingefordert werden soll.

Höcke: "Deutschland schachmatt"

Eine antiwestliche, antiamerikanische Haltung ist also auch am rechten Rand verankert. Sie könnte sich zum eigentliche Kitt einer Querfront aushärten, deren Antreiber in den USA den eigentlichen Aggressor sehen - zu Lasten "deutscher Interessen". Der thüringische AfD-Vorsitzende Björn Höcke behauptete Ende Januar auf Twitter. "Die USA haben Deutschland schachmatt gesetzt." Nach deutschen Kampfpanzer-Lieferungen an die Ukraine gebe es "keine Leopardpanzer mehr an der neuen Ostfront." In dieselbe Richtung denkt Sevim Dağdelen, Bundestagsabgeordnete der Linken und Wagenknecht-Anhängerin. Sie behauptet in einem Gastbeitrag für die Berliner Zeitung, die USA hätten Berlin zu Panzerlieferzungen gedrängt, um "Deutschland ins Feuer (zu) schicken".

Ähnlich formuliert es AfD-Chef Chrupalla: "Auf unseren Friedenskundgebungen verleihen wir den Bürgern eine Stimme, die im Interesse unseres Landes echten Frieden wollen." Bereits während der Spannungen vor Beginn des russischen Überfalls am 24. Februar 2022 hatte der AfD-Politiker Petr Bystron gegenüber der Neuen Zürichen Zeitung ins Feld geführt: "Eine Eskalation des Konflikts mit Russland ist absolut nicht im deutschen Interesse". Einen Monat nach diesen Worten war es allerdings Russland, das den Krieg begann und den Konflikt eskalierte.

Querfront – den Gegner verlocken

Der Begriff Querfront taucht zum ersten Mal in der Weimarer Republik auf. Damals blieben Versuche ohne Erfolg, die äußerste Rechte und die äußerste Linke miteinander zu verknüpfen, nicht zuletzt, um die demokratische Republik zu Fall zu bringen. Diese Unternehmungen kamen allerdings kaum über gegenseitige Instrumentalisierungen hinaus: Die Rechte versuchte, die Linke mit sozialen Verheißungen zu ködern, die Linke zog die nationale Karte, um in rechten Gewässern nach Anhängern zu fischen.

Heute greifen unter anderen Sahra Wagenknecht und der AfD-Politiker Björn Höcke zu solchen Lockmitteln. Höcke propagiert einen "sozialen Patriotismus" und schlägt damit Brücken nach links. Wagenknecht brach in ihrem innerparteilich scharf angegriffenen Buch "Die Selbstgerechten" eine Lanze für "nationale Identitäten" und schuf damit einen Anknüpfungspunkt für die Rechte.

Im Ungleichgewicht

Nicht wenige Linke wähnen Wagenknecht bereits auf der anderen Seite angekommen. Andere, keiner rechter Neigungen verdächtigte Linken-Politiker wie Michael Brie, einst Chefideologe der Vorgängerpartei PDS, stützen Wagenknecht wiederum. Die Forderung des Vorstandes nach strikter Abgrenzung "gegen rechts" hält Brie, wie er in der Tageszeitung ND schreibt, für eine vertane Chance, "dass die breite gesellschaftliche Linke diese Demonstration dominiert."

Dennoch: Während die Querfront-Ideen rechtsaußen offenkundig kaum ein Problem darstellen, verfangen sie auf der linken Seite weniger. Die Abwehrhaltung "gegen rechts" gehört dort mehrheitlich zum ideologischen Kernbestand. Dieses Selbstverständnis wird eine wirkungsvolle und gleichwertige Querfront verhindern - den geteilten antiwestlichen Einstellungen zum Trotz.

Für den Frieden demonstrieren Die Linke und die AfD getrennt. Wer nach Ansätzen einer Querfront sucht, wird auf die Veranstaltung von Wagenknecht und Schwarzer schauen. Die Geschichte wiederholt sich in diesem Fall: Schon bei den sogenannten Mahnwachen für den Frieden nach der Krim-Annexion 2014 gingen Anhänger beider Lager zusammen auf die Straße. Es blieb ein Strohfeuer.

Video: Ukraine-Krieg - Frieden ohne Waffenlieferungen?

Ukraine-Krieg: Frieden ohne Waffenlieferungen?
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