Umweltaktivisten vor dem Obersten Gerichtshofs in New York
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New York: Umweltschutz-Demonstranten gekleidet in Richterroben im Sommer 2022 mit Masken und roter Farben an den Händen vor dem Supreme Court.

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Politische Strategiespiele: Supreme Court in der Kritik

Abtreibungsrecht, Waffenrecht und Wahlrecht – der Supreme Court als oberstes Gericht in den USA spielt seine Macht aus. Die Urteile der überwiegend konservativen Richter lösen heftige Kontroversen aus - und bei liberalen Beobachtern Besorgnis.

Über dieses Thema berichtet: Dossier Politik am .

Tumultartige Szenen spielten sich Ende Juni vor dem Supreme Court in Washington ab. Tausende drängten sich am Obersten Gerichtshof der USA kurz nachdem die Entscheidung gefallen war. Der Supreme Court hatte das Grundsatzurteil gekippt, das fast 50 Jahre lang das Recht auf Abtreibung in den USA gesichert hatte. Und nun taten Pro und Contra ihre Meinung kund.

Abtreibungsurteil des Supreme Court polarisiert

Die Konservativen waren begeistert, nicht nur über das Urteil an sich, sondern auch weil eine sehr langfristige Strategie aufgegangen war. Seit Jahrzehnten arbeiten Politiker und Lobbyisten daran, die ihrer Meinung nach zu liberale Justiz auf rechts zu drehen.

Als liberal gelten Richter in den USA, wenn sie die US-Verfassung interpretieren, die Rechte von Minderheiten schützen oder die Rolle des Staates ausweiten. Konservative Richter hingegen nehmen die US-Verfassung wörtlich, sie wollen den Staat schwach halten und die Rechte der Einzelnen stärken.

Konservative Mehrheit am obersten Gericht der USA

Weil die Richter auf Lebenszeit ernannt werden, ist jede Besetzung eine Entscheidung für Jahrzehnte. Präsident Trump hat in seiner Amtszeit über 200 Bundesrichter ernannt, dazu drei Richter für den Supreme Court. Viele Konservative haben ihn gewählt, weil er genau das versprochen hatte.

Ein Sitz fiel Trump in die Hände, weil ein liberaler Richter zurücktrat. In den beiden anderen Fällen spielten die Republikaner ihre Mehrheit im Senat gnadenlos aus, um ihre konservativen Richter zu etablieren. Besonders bitter war es für das liberale Lager, als 2020 Richterin Ruth Bader Ginsburg, eine Ikone der Frauenbewegung starb.

Sie hatte weitermachen wollen zumindest bis nach der Abwahl Trumps 2020. Doch die Kräfte der 87jährigen reichten nicht mehr. Die Republikaner drückten kurz vor der Wahl noch eine konservative Richterin durch.

Recht auf Waffenbesitz gestärkt

6:3 steht es seither für die Konservativen im Obersten Gerichtshof. Und schon in der vergangenen Sitzungsperiode haben die geliefert. "Wir stehen am Ende einer Sitzungsperiode, die meiner Meinung nach eine der extremsten in der Geschichte des Gerichtshofs war", meinte etwa Melissa Murray, Juraprofessorin an der New York University, im Sender NPR.

Der Gerichtshof kippte nicht nur das Vorgängerurteil zur Abtreibung, er schränkte auch den Handlungsspielraum der Umweltbehörde EPA ein, stärkte religiöse Gruppen und stützte das Recht auf Waffenbesitz.

US-Vizepräsidentin: Sorge um Integrität des Gerichts

Dies sei ein aktivistisches Gericht, meint etwa US-Vizepräsidentin Kamala Harris, die selbst Juristin ist. Es habe fast ein Jahrhundert lang für Frauen ein etabliertes Recht gegeben, Entscheidungen über ihren eigenen Körper zu fällen. Und dieses Verfassungsrecht habe der Gerichtshof entzogen. Das bereite ihr große Sorgen in Bezug auf die Integrität des Gerichtshofes insgesamt, sagte Harris bei NBC.

Justice John Roberts, der Vorsitzende des Gerichtshofs, weist das zurück. Die Urteile des Gerichtshofs seien immer umstritten gewesen. Nur weil die Leute anderer Meinung sind, sei das kein Grund, die Legitimität des Gerichts anzuzweifeln, meinte Roberts am Wochenende bei einer Diskussion in Colorado.

Amerikaner verlieren Vertrauen in Supreme Court

Doch das Ansehen des Gerichtshofes hat stark gelitten. Weniger als die Hälfte der Amerikanerinnen und Amerikaner hat noch eine positive Meinung über den Supreme Court. Und ein wachsender Anteil von ihnen meint, dass der Gerichtshof zu viel Macht hat.

Die nächste Sitzungsperiode könnte ähnlich kontrovers werden. Der Gerichtshof wird sich unter damit beschäftigen, ob und wie der Staat Diskriminierung gegensteuern kann, Stichwort Affirmative Action. Und er wird sich mit dem Wahlverfahren beschäftigen.

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