Rapsöl in einem Glasbehälter vor dem Hintergrund einer Biodiesel-Anlage
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Rapsöl vor der Weiterverarbeitung in einer Biodiesel-Anlage

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Ölpflanzen für Biokraftstoffe: Ist das wirklich die Lösung?

Streit unter Umweltschützern: Der Anbau von Ölpflanzen für Biokraftstoffe biete große Chancen, unter anderem als Ersatz für Erdöl und für heimisches Eiweiß statt Sojaimport, sagen die einen. "Umweltpolitischer Unfug", sagen andere.

"Biodiesel", das ist die Bezeichnung für Fettsäuremethylester, die aus Pflanzenölen – etwa Raps, Soja-, Leindotter-, Sonnenblumen- oder Palmöl – hergestellt und als Kraftstoff oder Kraftstoffkomponente eingesetzt werden. Diesen Biodiesel gibt es in Europa in zwei Varianten: Als Reinkraftstoff oder als Beimischung zu herkömmlichem Kraftstoff.

Der Absatz von reinem Biodiesel brach in Deutschland 2007 zusammen, nachdem im August 2006 die Steuerbefreiung weggefallen war. Der Absatz von Biodiesel als Beimischung blieb hingegen in den letzten Jahren relativ konstant – bei über zwei Millionen Tonnen pro Jahr. Verantwortlich dafür ist das 2006 in Deutschland verabschiedete Biokraftstoffquotengesetz, das eine EU-Richtlinie zur Förderung von Biokraftstoffen umsetzt.

  • Zum Artikel: "ADAC: Spritpreise steigen schon vor Tankrabatt-Ende"
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Blühende Rapsfelder

Alternative zu fossilem Kraftstoff

Für den Kraftstoff aus dem Anbau von Ölpflanzen spricht zunächst einiges: Er ist leicht herzustellen, biologisch abbaubar, nahezu schwefelfrei und emittiert bis zu 50 Prozent weniger Ruß als fossiler Diesel. Die Emissionen von Stickoxiden und unverbrannten Kohlenwasserstoffen können dagegen höher liegen, abhängig von der Motortechnik.

Rein theoretisch könnte der Einsatz von Biodiesel auch CO2-neutral sein, da der in den verwendeten Pflanzen gebundene Kohlenstoff aus dem Kohlendioxid in der Luft stammt. Allerdings nur theoretisch. Denn die Emissionen aus Landwirtschaft, Transport und Herstellung müssen natürlich berücksichtigt werden. Dennoch liegen die Treibhausgasemissionen von Biodiesel unter denen fossiler Treibstoffe.

Argumente für den Biodiesel

Die Befürworter eines Anbaus von Ölpflanzen verweisen auf eine ganze Reihe weiterer Vorteile. So können laut dem Bundesverband Dezentraler Ölmühlen und Pflanzenöltechnik e.V. (BDOel) Ölsaaten wie Raps, Soja, Leindotter und Sonnenblume "bei einer ausgewogenen Fruchtfolge die Bodenqualität verbessern und erweitern als Blühpflanzen das Nahrungsmittelangebot für Bienen und andere Bestäuber."

Hans-Josef Fell, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Grünen und einer der Väter des Erneuerbare Energien-Gesetzes (EEG), sieht weitere Vorteile der Ölpflanzen: Diese produzierten neben lebensmitteltauglichem Energieöl auch weitere Produkte: So bleibe mit 60 Prozent ein eiweißreicher Presskuchen übrig, geeignet als Lebensmittel, zum Beispiel als Ersatz für Fleischprodukte, aber auch als Viehfutter: "Pflanzenöle vom Acker liefern also Ersatz für russisches Erdöl und gleichzeitig auch Nahrung", so Hans-Josef Fell.

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Treffen des BDOel mit der Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium Dr. Manuela Rottmann (4. von links) im August in Achselschwang

Biokraftstoff-Befürworter wollen Ende der Produktion verhindern

Ein von Umweltverbänden wie BUND, Greenpeace, Nabu und anderen gefordertes und auch von Teilen der Bundesregierung geplantes Ende der Nutzung von Biokraftstoffen wollen deren Befürworter dagegen verhindern. Und versuchen daher, Einfluss auf die Entscheider zu nehmen - wie etwa bei einem Treffen des BDOel mit der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL), Dr. Manuela Rottmann, im August auf dem bayerischen Staatsgut Achselschwang. Mit dabei waren unter anderem Vertreter der bayerischen Staatsgüter, des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums und des Technologie- und Förderzentrums. Botschaft an die Politik: Bei einer "umsichtigen Bewirtschaftung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen und der dezentralen Herstellung und Nutzung von Pflanzenölkraftstoffen können aus technologischer sowie ökologischer Sicht deutliche Gewinne verzeichnet werden", wie es in einer Mitteilung des BDOel nach dem Treffen heißt.

Greenpeace: "Umgehender Ausstieg"

Solche ökologischen Gewinne bestreitet man bei Greenpeace vehement, vor allem mit Blick auf den weltweiten Anbau. Das gelte sowohl für die Produktion von Biodiesel wie auch für Ethanol, so Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Matthias Lambrecht.

Rapsfelder, Palm- und Sojaplantagen für die Erzeugung von Pflanzenölen, die Diesel beigemischt werden, sowie Weizenfelder zur Erzeugung von Ethanol beanspruchten weltweit riesige Landflächen, so Lambrecht: "Aktuell werden fast 1,9 Millionen Hektar weltweit mit Energiepflanzen bebaut, um die Nachfrage in Deutschland zu bedienen - eine Fläche so groß wie Sachsen."

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Ein Tanklaster wird in einem Biodieselwerk beladen.

Biodiesel - nachhaltig oder nicht?

Ob Biodiesel nachhaltig ist oder nicht, dazu gehen die Meinungen weit auseinander. Beim Bundesverband Dezentraler Ölmühlen und Pflanzenöltechnik (BDOel) heißt es, neben der Verbesserung der Bodenqualität und dem Nahrungsangebot für Bienen und andere Insekten diene der Presskuchen aus der Ölproduktion auch als hochwertiges Futter und Nahrungsmittel und ersetze Sojaimporte aus Übersee.

Biodiesel-Befürworter Hans-Josef Fell hält nicht den Anbau von Ölpflanzen für problematisch, sondern - im Gegenteil - den Verzicht darauf. So habe die Abschaffung der Steuerbefreiung für reine Biokraftstoffe einen verheerenden Effekt gehabt: "Es wurde wieder mehr klimaschädliches Erdöl genutzt und das eiweißreiche Viehfutter aus dem heimischen Rapsschrot wurde durch Sojaschrot aus Brasilien ersetzt", so Fell. "So hat der Niedergang der heimischen Pflanzenölkraftstoffe die Urwaldabholzungen erheblich befördert."

Greenpeace: Immense Nachfrage ist das Problem

Dagegen heißt es bei Greenpeace, man spreche sich keinesfalls gegen einen Anbau von Ölpflanzen wie Raps oder Sonnenblumen hierzulande aus. Diese sollten nur für einen anderen Zweck verwendet werden als die Kraftstoffproduktion, nämlich für die menschliche Ernährung.

Landwirtschaftsexperte Lambrecht sieht vor allem die immense Nachfrage nach Biosprit als ökologisches Problem. Diese sorge dafür, "dass wir große Flächen im Ausland für den heimischen Biospriteinsatz verwenden. Dadurch verstärkt sich der Druck auf die Landwirtschaft, die vor allem im globalen Süden direkt oder indirekt zur Abholzung von Wäldern und anderen Naturräumen führt, die wir zum Schutz des Klimas dringend brauchen."

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Abholzung des Amazonas Regenwaldes für den Straßenbau und Anbau von Soja

Die alte Debatte: Teller oder Tank?

Kritisiert wird der Anbau der Energiepflanzen auch vor dem Hintergrund der Ernährungskrise, die durch den Ukraine-Krieg verschärft wird, und der immer schwieriger werdenden Ernten infolge des Klimawandels. Europaweit, so Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Lambrecht, würden "umgerechnet jeden Tag fast 19 Millionen Flaschen Raps- und Sonnenblumenöl und 14 Millionen Flaschen Soja- und Palmöl verheizt".

Diese "Verschwendung" von "wertvollen Speiseölen" sei unverantwortlich, so Lambrecht: "In den vergangenen zwei Jahren - vor allem seit dem Ukrainekrieg - haben sich Speiseöle von allen Lebensmitteln am stärksten verteuert. Ein Ausstieg aus der Beimischung von Biosprit", so der Greenpeace-Vertreter, "wäre ein Signal an die Märkte, das die Preise dämpfen und wichtige Lebensmittel wieder erschwinglicher werden ließe."

  • Zum Artikel: "Teller oder Tank – Nützt Biosprit überhaupt der Umwelt?"

Slogan der Mineralölwirtschaft?

Für den ehemaligen Grünen-MdB Hans-Josef Fell ist die die Frage "Teller oder Tank?" keine Alternative, sondern eher ein Kampfbegriff: "Ich habe in meinem Bundestagsbüro Mitte der Nullerjahre erlebt, wie gerade die Mineralölwirtschaft diesen Slogan gepuscht, wahrscheinlich in ihren Kampagnen sogar erfunden hat." Leider, sagt Fell, seien dem viele Umweltverbände bis heute "auf den Leim gegangen".

Wobei die Intention der Konzerne für ihn klar war: "Ziel der Mineralölwirtschaft war, über Beimischung den Markt der Biokraftstoffe selbst zu beherrschen, statt es den regionalen genossenschaftlichen Kreisläufen zu überlassen." Das Ergebnis, sagt Fell, sei schlimm: "Die Mineralölkonzerne haben dann stärker zu Dumpingpreisen auf dem Spotmarkt eingekauft und so den klimaschädlichen intensiven Anbau von Energiepflanzen befördert, statt die ökologischen Kreisläufe zu unterstützen." Selbst Biobauern, sagt Fell, führen deshalb heute mit klimaschädlichem Diesel anstatt mit Pflanzenöl.

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Sojabohnen auf einem Feld in Hilpoltstein

Greenpeace: "Heimische Anbaufläche reicht nicht aus"

Dass der Einsatz des besonders umstrittenen Palmöls als Biodiesel in Deutschland ab 2023 verboten ist, ist laut Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Lambrecht ein richtiger Schritt. "Ohne weitere Änderung", sagt er, "bedeutet dies aber auch, dass dann stattdessen noch mehr Pflanzenöl aus Raps, Soja und Sonnenblumen dem Diesel beigemischt werden." Das Problem, so Lambrecht: "Dafür reicht die heimische Anbaufläche bei weitem nicht aus." Bereits heute werde ein Großteil des Pflanzenöls aus dem Ausland importiert. Der Rapsanbau sei auch aus Gründen der Fruchtfolge hierzulande gar nicht weiter ausdehnbar.

Verbot oder nicht?

Kommt am Ende ein Verbot oder eine Begrenzung der Biokraftstoffproduktion oder nicht? Während die Interessengruppen streiten und versuchen, sich bei der Politik Gehör zu verschaffen, wollten wir vom Bundeslandwirtschaftsministerium wissen, wie Staatssekretärin Manuela Rottmann auf das Treffen mit den Biodiesel-Befürwortern in Achselschwang reagiert habe. Trotz anfänglicher Zusage blieb das Ministerium eine Antwort darauf schließlich schuldig.

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