Die Münchner U-Bahn fährt in einen Bahnhof ein
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Berufsverkehr in München

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Ökonomen zweifeln an 49-Euro-Ticket als Inflationsbremse

Der große Erfolg des 9-Euro-Tickets hatte viel mit dem niedrigen Preis zu tun. Kann sein möglicher Nachfolger, das 49-Euro-Ticket, mithalten? Der Städtetag begrüßt das Vorhaben. Ökonomen glauben, dass es die Teuerung nicht in Schach halten wird.

Für Millionen Fahrgäste ist ein bundesweites 49-Euro-Monatsticket für Busse und Bahnen in Sicht. Die Verkehrsminister von Bund und Ländern hatten sich in einem zweitägigen Treffen am Donnerstag im Grundsatz darauf geeinigt. Voraussetzung bleibt, dass die Länderchefs und der Bund bald eine Erhöhung der sogenannten Regionalisierungsmittel vereinbaren, über die der Bund den ÖPNV mitfinanziert.

Der Deutsche Städtetag begrüßte am Freitag das geplante 49-Euro-Ticket für den Nahverkehr - forderte aber dauerhaft mehr Geld vom Bund für Busse und Bahnen. Ökonomen zeigten sich hingegen skeptisch: Anders als sein günstigerer Vorgänger für neun Euro habe das geplante Ticket nicht das Zeug dazu, die Inflation in Grenzen zu halten. Die Verbraucherzentralen und der Fahrgastverband Pro Bahn reagierten enttäuscht: Mit 49 Euro pro Monat sei das Ticket für einige Menschen zu teuer.

Städtetag befürwortet Klimaticket - zweifelt aber an Finanzierung

Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Städte unterstützen den von der Verkehrsministerkonferenz beschlossenen Weg für ein "Klimaticket" und die dafür nötige ÖPNV-Finanzierung. "Mit einem bundesweiten ÖPNV-Ticket können wir dafür sorgen, dass noch mehr Menschen Busse und Bahnen nutzen und das Auto stehenlassen."

Nun sei die Ministerpräsidentenkonferenz gefragt, sich zu den Finanzierungsfragen zu verständigen. "Das Ticket darf wichtige Investitionen in den Nahverkehr nicht ausbremsen, etwa weil es zu Lasten der Grundfinanzierung oder des Angebotsausbaus geht", warnte er. "Wir wollen und brauchen in vielen unserer Städte neue, umweltfreundlichere Busse und Bahnen, attraktive Haltepunkte und kürzere Taktzeiten."

Der Bund hatte zugesagt, ein Nachfolgeticket des 9-Euro-Tickets mit 1,5 Milliarden Euro zu finanzieren - wenn die Länder mindestens den gleichen Betrag zur Verfügung stellen. Dedy sagte, diese Zusage reiche nicht. "Der ÖPNV ist schon lange extrem unterfinanziert", betonte er. "Die Kosten der Energiekrise und steigende Personalkosten kommen für die Verkehrsunternehmen on top." Der Bund müsse deshalb zusätzlich seine Regionalisierungsmittel für 2022 um mindestens 1,7 Milliarden Euro aufstocken und für Ausbau und Modernisierung ab 2023 jährlich 1,5 Milliarden Euro dazugeben.

  • Zum Artikel: Ärger um Bundesgelder: Wo das Geld für Bayerns ÖPNV hinfließt

Ökonomen: 49-Euro-Ticket wird keine "Inflationsbremse"

Ökonomen zweifeln derweil, dass das geplante 49-Euro-Ticket wie erhofft die Inflation eindämmen werde: "Es ist nicht zu erwarten, dass das 49-Euro-Ticket eine Inflationsbremse" wird", sagte etwa der Ökonom der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), Jens-Oliver Niklasch, der Nachrichtenagentur Reuters. Ähnlich sieht das der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding: Die Teuerungsrate werde "nur in geringem Umfang" gedrückt, "vielleicht mit 0,1 Prozentpunkten".

Der Anteil der "Personenbeförderung im Nah- und Fernverkehr" sowie die "Personenbeförderung mit Bussen und Reisebussen" mache nur einen vergleichsweise geringen Anteil am Warenkorb aus, der für die Berechnung der Inflationsrate herangezogen wird, sagte LBBW-Ökonom Niklasch. "Zudem ist der Schienenfernverkehr und der Reisebusverkehr im 49-Euro-Ticket ja nicht inbegriffen", so der Volkswirt. Sein Fazit lautet deshalb: "Nice to have, aber keine substanzielle Bremse". Das Ticket sei eher eine Fördermaßnahme für den ÖPNV, was aus Umweltschutzgründen sinnvoll sei.

Der Wegfall von 9-Euro-Ticket und Tankrabatt hatte dazu beigetragen, dass die Inflationsrate im September mit zehn Prozent auf den höchsten Stand seit 1951 stieg. Im August hatte die Teuerungsrate noch 7,9 Prozent betragen. Experten gehen davon aus, dass die Verbraucherpreise in den kommenden Monaten noch stärker steigen werden.

Verbraucherzentralen: "Nahverkehr muss erschwinglich sein"

Die Verbraucherzentralen forderten nach der Einigung für das 49-Euro-Ticket ein größeres Augenmerk auf soziale Aspekte. "Der öffentliche Nahverkehr muss für alle erschwinglich sein, unabhängig vom Einkommen", sagte die Leiterin für Verbraucherpolitik beim Bundesverband (vzbv), Jutta Gurkmann, der dpa. Insbesondere Empfängern von Transferleistungen, aber auch Geringverdienenden ohne staatliche Leistungen helfe ein 49-Euro-Ticket wenig. "Mit Blick auf die extrem gestiegenen Energiekosten enttäuscht das Ergebnis." Um einen wirklichen Anreiz für einen Umstieg auf die öffentlichen Verkehrsmittel zu schaffen, hatte der Verband ein 29-Euro-Ticket gefordert.

Auch aus Sicht des Fahrgastverbands Pro Bahn ist das geplante Ticket für einkommensschwache Menschen zu teuer. "Das Prinzip Gießkanne wird damit nicht durchbrochen", sagte der Pro-Bahn-Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann. "Wir bräuchten für diese Menschen ein günstigeres Angebot." Generell seien die Verkehrsbedürfnisse zu komplex, als dass sie mit einer einzigen Antwort wie dem 49-Euro-Ticket beantwortet werden könnten.So hätten etwa Pendler im Fernverkehr nichts von dem Sonderangebot, das nur für den Regionalverkehr gelten soll.

Berlin will Sonderweg gehen

Berlins Verkehrssenatorin Bettina Jarasch kündigte unterdessen ein differenzierteres Modell für die Hauptstadt an. "In Berlin gibt es viele Menschen, die 49 Euro im Monat nicht aufbringen können", teilte die Grünen-Politikerin mit. "Daher werde ich ein Konzept erarbeiten, wie wir in Berlin das 49-Euro-Ticket nutzen, um sozial gestaffelte Angebote einzuführen, die dann auch bundesweit gelten." So werde aus dem Nahverkehrsticket "für alle ein echtes ökosoziales Produkt".

Auch die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey will eine weitergehende Regelung in der Hauptstadt. "Für Berlin bleibt weiterhin eine soziale Staffelung unser Ziel: Bus und Bahn für nicht mehr als einen Euro pro Tag, sagte die SPD-Politikerin. Sie lobte allerdings das bundesweite 49-Euro-Ticket. "So wird der Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr gefördert, und die Menschen werden spürbar entlastet." Wichtig sei auch der Ausbau der Strecke. "Wir brauchen beides, ein unkompliziertes und preiswertes Ticketsystem und Investitionen in die Infrastruktur."

Eisenbahngewerkschaft erwartet Ansturm auf ÖPNV

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG erwartet angesichts des 49-Euro-Tickets einen Ansturm auf den Regionalbahnverkehr im kommenden Jahr - wie es auch beim 9-Euro-Ticket der Fall war. "Die Bahnen müssen sofort damit beginnen, zusätzliches Personal einzustellen und auszubilden", sagte der stellvertretende Gewerkschaftschef Martin Burkert der "Augsburger Allgemeinen". Allein bei der Deutschen Bahn seien mindestens tausend neue Stellen nötig.

Zudem müsse sichergestellt werden, dass auch Menschen abseits der Ballungsräume von dem subventionierten Ticket profitieren. "Mit der Entscheidung der Verkehrsministerkonferenz muss der ÖPNV ausgebaut werden, vor allem auch im ländlichen Raum", betonte der EVG-Vize.

Mit Informationen von dpa, epd und Reuters

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