Niederländischer Premier Rutte
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Mark Rutte

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Niederlande: Nach dem Koalitionsbruch droht eine Hängepartie

Die Regierung ist am Ende und der König unterbricht seinen Urlaub: In den Niederlanden ist die Lage schwierig. Dabei ist der ungeklärte Asylstreit nur eines der Probleme. Es herrscht politischer Stillstand - und bis zu Neuwahlen könnte es dauern.

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Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte hat seinen Rücktritt und den seiner Regierung angekündigt - die Koalition aus vier Parteien ist im Streit über die Migrationspolitik zerbrochen. Eine Krisensitzung war zuvor ohne Ergebnis geblieben. Damit dürfte es zu Neuwahlen kommen, jedoch vermutlich wohl erst im November, wie Beobachter schätzen. Ob Rutte dann erneut antreten wird, hat er offengelassen.

Unüberbrückbare Differenzen in der Asylpolitik

Rutte bedauerte den Bruch der Regierung, sprach aber von einer "politischen Realität". Es sei kein Geheimnis, dass die Koalitionspartner sehr unterschiedliche Ansichten zur Migrationspolitik hätten. Die Unterschiede in der Frage seien unüberbrückbar.

Die Mitte-Rechts-Partei VVD des Regierungschefs hatte strenge Regeln für Asylbewerber vorgeschlagen und gedroht, das Kabinett zu verlassen, wenn die von Rutte vorgeschlagenen Maßnahmen nicht verabschiedet würden. Unter anderem fordert Rutte, die Familienzusammenführung für Kriegsflüchtlinge zu erschweren.

Die christdemokratische Partei Christen Unie hatte erklärt, sie könne "mit Ruttes Vorschlag nicht leben", auch die Mitte-Links-Partei D66 von Finanzministerin Sigrid Kaag lehnte die Forderung Berichten zufolge ab.

Politischer Stillstand

Die niederländische Regierung hat seit ihrem Amtsantritt vor anderthalb Jahren über das Thema gestritten, überhaupt gilt die Asylkrise als hausgemacht: Um zu sparen, hatte die Regierung Personal und Plätze in Aufnahmezentren gestrichen. Die Wartezeit für die Bearbeitung von Asylanträgen wurde immer länger. Zusätzlich sorgt die allgemeine Misere auf dem Wohnungsmarkt dafür, dass kaum Plätze in den Wohnheimen frei werden.

Allerdings: Der Asylstreit gilt vielen auch als ein vorgeschobener Grund für das Auseinanderbrechen der Regierung. Bei vielen wichtigen Themen, die den Menschen in den Niederlanden unter den Nägeln brennen, werden von der Vier-Parteien-Regierung kaum Entscheidungen getroffen. Vieles stockt. Wirtschaftsverbände drängen auf Beschlüsse, die sich positiv auf den Arbeitsmarkt und die Kaufkraft der Bevölkerung auswirken.

Dieser Stillstand dürfte sich bis zu einer Neuwahl kaum auflösen - die Befürchtung wurde direkt nach dem Koalitionsbruch bereits laut. Neben der Migrationspolitik sorgen sich die Menschen in den Niederlanden auch um die Wohnungsnot, die Energiewende und die Klimapolitik; einer der großen Konflikte ist die Zukunft der Landwirtschaft angesichts angekündigter Umweltauflagen. Rutte kündigte an, er wolle geschäftsführend im Amt bleiben und sich weiter um die anstehenden Aufgaben kümmern, darunter die Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg.

Treffen mit König Willem-Alexander

Dass das Zerbrechen der Koalition die Sacharbeit der weiter amtierenden Regierung bremsen wird, zeigt sich bereits am kommenden Montag: Rutte muss außerplanmäßig dem Parlament zur Krise Rede und Antwort stehen. Schon an diesem Samstag wird Rutte von König Willem-Alexander erwartet. Das Staatsoberhaupt unterbricht seinen Urlaub und kehrt in die Niederlande zurück, so dass der Ministerpräsident ihm in Schloss Huis ten Bosch bei Den Haag die Lage erläutern kann.

Rutte ist seit knapp 13 Jahren Ministerpräsident der Niederlande und damit einer der am längsten amtierenden Regierungschefs der EU. Seit Januar 2022 führte er sein viertes Kabinett nach Koalitionsverhandlungen, die gut neun Monate gedauert hatten und damit die längsten in der Geschichte des Landes waren. Insgesamt vier Parteien waren nötig, um eine Mehrheit in der Zweiten Kammer des Parlaments zu erreichen, das waren Ruttes rechtsliberale VVD, die linksliberale D66, die christdemokratische CDA und die kleine ChristenUnion.

Profitieren die Rechtspopulisten?

Nach zahlreichen Krisen waren die Umfragewerte der Koalition stark gesunken. Bei der jüngsten Provinzialwahl im März, bei der auch die Erste Kammer des Parlaments - vergleichbar dem Bundesrat - gewählt wurde, hatten alle Regierungsparteien deutliche Verluste verbucht. Großer Wahlsieger wurde die rechtspopulistische Bauerbürgerbewegung BBB, die auf Anhieb stärkste Kraft wurde. Bei einer Neuwahl wird der Partei großer Erfolg vorhergesagt.

Video: Ministerpräsident Rutte gibt seinen Rücktritt bekannt

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte gibt seinen Rücktritt und den seiner Regierung bekannt.
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Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte hat seinen Rücktritt und den seiner Regierung angekündigt.

Mit Informationen von dpa, AFP und Reuters

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