Unterstützer des ehemaligen brasilianischen Präsidenten (2003-2010) und Kandidaten der linken Arbeiterpartei (PT) Luiz Inácio Lula da Silva.
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Unterstützer des ehemaligen brasilianischen Präsidenten (2003-2010) und Kandidaten der linken Arbeiterpartei (PT) Luiz Inácio Lula da Silva.

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Lula knapp vor Bolsonaro: Stichwahl in Brasilien nötig

Vier weitere Jahre unter dem rechten Amtsinhaber Bolsonaro - oder zurück zum linken Ex-Staatschef Lula? Letzterer liegt bei den Präsidentschaftswahlen in Brasilien knapp vorn. Die kommende Stichwahl hat auch für den Rest der Welt große Bedeutung.

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Mit einem wider Erwarten knappen Sieg hat der linke Spitzenkandidat Luiz Inácio Lula da Silva die erste Runde der Präsidentschaftswahl in Brasilien für sich entschieden. Wie das Oberste Wahlgericht am Sonntagabend (Ortszeit) auf seiner Webseite bekanntgab, gewann Lula 47,97 Prozent, während Amtsinhaber Jair Bolsonaro 43,6 Prozent für sich verbuchen konnte.

Kein Kandidat über 50 Prozent - Stichwahl nötig

Da keiner der Kandidaten über 50 Prozent der Stimmen holen konnte, treten Lula und Bolsonaro am 30. Oktober in einer Stichwahl gegeneinander an. Sollte Ex-Präsident Lula (2003 - 2010) auch in der zweiten Runde gewinnen, wäre er der erste demokratische Präsident Brasiliens, der in eine dritte Amtszeit geht. Neben dem künftigen Präsidenten wurden am Sonntag auch Abgeordnete, Senatoren und Gouverneure gewählt.

Mehr als 156 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, über ihren nächsten Staatschef abzustimmen. In vielen Städten bildeten sich am Sonntag lange Schlangen vor den Wahllokalen, die Behörden betonten aber, dass jeder und jede, die zum Zeitpunkt der Schließung um 17 Uhr (Ortszeit; 22 Uhr MESZ) noch anstünden, ihre Stimme abgeben könnten. In jüngsten Meinungsumfragen hatte der linke Ex-Präsident Lula noch klar vor dem rechten Amtsinhaber Bolsonaro gelegen. Es gab noch neun weitere Bewerber, die jedoch als chancenlos galten.

  • Zum Artikel: "Wahlkampf bizarr: Darum ließ Bolsonaro Herz-Reliquie einfliegen"

Kritiker werfen Bolsonaro Spaltung der Gesellschaft vor

Kritiker werfen Bolsonaro vor, die gesellschaftliche Spaltung im Land mit Hetze und Hass befeuert und die demokratischen Institutionen infrage gestellt zu haben. Höchst umstritten ist auch sein lockerer Umgang mit der Corona-Krise, in seiner Amtszeit kam es zudem zur massivsten Abholzung im Amazonas-Regenwald seit 15 Jahren.

Außerdem ist bei vielen Armen in Brasilien die zaghafte wirtschaftliche Erholung bislang nicht angekommen, 33 Millionen Menschen müssen Hilfsorganisationen zufolge in der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas Hunger leiden. Wie in vielen anderen Ländern ächzen die Menschen unter der hohen Inflation.

Seine Anhänger halten dem Staatschef hingegen die Treue, auch wenn dieser sich teils demonstrativ politisch unkorrekt gibt. Bolsonaro betrachtet seine Politik als Bollwerk gegen linke Ideologien, die aus seiner Sicht persönliche Freiheiten beschneiden und wirtschaftliches Unheil anrichten.

Ex-Staatschef Lula war wegen Korruption im Gefängnis

Sein Herausforderer Lula verdingte sich einst als Metallarbeiter, war in der linken Gewerkschaftsbewegung aktiv und schaffte es aus bitterer Armut an die Staatsspitze. Viele seiner Anhänger verbinden den 76-Jährigen mit den goldenen Zeiten Brasiliens, als die Wirtschaft aufgrund der hohen Rohstoffpreise boomte und die Regierung mit Hilfe von Sozialprogrammen Millionen Menschen aus der bittersten Armut holte. Für seine Gegner hingegen ist Lula verantwortlich für Korruption und Vetternwirtschaft.

Die Wahl hat die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas extrem gespalten. Lula bezeichnete Bolsonaro wegen dessen zögerlicher Corona-Politik als Völkermörder, Bolsonaro nannte seinen Kontrahenten nach dessen Verurteilung wegen Korruption einen Dieb.

Beobachter befürchten vermehrt Gewalt vor Stichwahl

"Die Mehrheit der Gesellschaft will keine Konfrontation, sie will Frieden", sagte Lula nach seiner Stimmabgabe am Sonntag. "Ich denke, es wird uns leicht fallen, Demokratie und Frieden in diesem Land wiederherzustellen."

Beobachter befürchten, dass es in der aufgeheizten Stimmung im Vorfeld der Stichwahl vermehrt zu Gewalt in der viertgrößten Demokratie der Welt kommen könnte. Schon im Wahlkampf hatte es tödliche Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des rechten und linken Lagers gegeben.

Brasilien spielt im Kampf gegen den Klimawandel wichtige Rolle

Die Präsidentenwahl in Brasilien hat auch für den Rest der Welt eine große Bedeutung. Als riesiger Kohlenstoffspeicher spielt das Amazonasgebiet im Kampf gegen den weltweiten Klimawandel eine wichtige Rolle. Doch gerade angesichts der angespannten Lage auf dem Energie- und Lebensmittelmarkt wegen des Ukraine-Kriegs ist das Land mit seinen enormen natürlichen Ressourcen und seiner großen Agrarwirtschaft auch ein interessanter Handelspartner für viele Staaten.

Mit Material von dpa, AP und AFP

Das fünftgrößte Land der Erde, Brasilien, hat gewählt - ohne klares Ergebnis.
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Das fünftgrößte Land der Erde, Brasilien, hat gewählt - ohne klares Ergebnis.

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