Kommission - Parlament - Rat: So funktioniert Europa. Sie zeigt einen Kreis aus zwölf goldenen Sternen auf blauem Hintergrund. Die Sterne stehen für die Werte Einheit, Solidarität und Harmonie zwischen den Völkern Europas.
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Kommission - Parlament - Rat: So funktioniert Europa.

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Kommission – Parlament – Rat: So funktioniert Europa

Die EU-Kommission ist keine Regierung, das Parlament keines, wie wir es gewohnt sind. Auch der EU-Rat entspricht nicht unserem Bundesrat. Die europäischen Institutionen ticken anders. Wie, das steht hier.

Die EU ist scheinbar genauso aufgebaut, wie wir es in Deutschland kennen: Es gibt eine Regierung (Kommission), ein von den Bürgern gewähltes Parlament und eine zweite Kammer, den Rat der Europäischen Union oder Ministerrat. Und doch ist vieles anders. Eine Übersicht.

  • Die Kommission ist nicht demokratisch gewählt, sondern eine Behörde mit mehr als 30.000 Beschäftigten. Sie schlägt Gesetze vor und überwacht die Einhaltung des Europarechts durch die Mitglieder. Notfalls kann sie Klage beim Europäischen Gerichtshof erheben. Der Kommission steht ein Präsident oder eine Präsidentin vor. Derzeit ist es die deutsche Politikerin Ursula von der Leyen (CDU). Die Amtszeit endet nach fünf Jahren, wenn ein neues Parlament gewählt wird.
  • Das Europaparlament mit Sitz in Straßburg wird von den Bürgern der Mitgliedstaaten gewählt - das nächste Mal zwischen dem 6. und 9. Juni 2024. Das Parlament erlässt gemeinsam mit dem Rat der EU Gesetze.
  • Der Rat bildet (wie der Bundesrat in Deutschland) eine zweite Kammer und wird von den nationalen Regierungen bestimmt.

EU-Kommission: Sache der Nationalstaaten

Die 27 Kommissarinnen und Kommissare werden von den Regierungen der EU-Staaten nominiert und vom Europäischen Parlament bestätigt. Sie wechseln mit jeder Neuwahl des Parlaments. Der mächtige Beamtenapparat darunter bleibt dagegen bestehen. Die Kommission spiegelt die politischen Kräfteverhältnisse der nationalen Regierungen wider. Wenn zum Beispiel bei uns im Bund von Rot-Grün, Ampel oder Jamaika die Rede ist, verweist das auf eine enge Verzahnung der Regierung mit den Parlamentsfraktionen. In der EU kann davon nicht die Rede sein.

"Spitzenkandidaten" - gescheiterter Anlauf zu mehr Bürgernähe

Zu den Wahlen im Jahr 2014 griff erstmals die Überlegung, mehr Bürgernähe bei der Wahl des Kommissionspräsidenten zuzulassen - dies wurde auch umgesetzt. Die Macht der Nationalstaaten wurde beschnitten. Das neue Prinzip sah vor, das Amt des EU-Kommissionspräsidenten automatisch an die Person zu vergeben, die bei dem Parteienbündnis mit den meist erhaltenen Stimmen auf der Wahlliste ganz oben steht. Entsprechend wurde Jean-Claude Juncker von der siegreichen EVP dann auch Kommissionspräsident.

2019: Von der Leyen statt Weber

In dieser Logik wäre fünf Jahre später eigentlich Manfred Weber (CSU) an die Spitze der EU-Kommission gerückt. Doch der Widerstand der Staats- und Regierungschefs gegen ihn war so groß, dass sie das Spitzenkandidatenprinzip kurzerhand umgingen. Hinzu kam: Das Parlament war in der Personalie Weber nicht einig und konnte wenig entgegensetzen. Stattdessen wurde mit Ursula von der Leyen eine den Mitgliedstaaten genehme Kandidatin zur Kommissionspräsidentin ernannt. Die Nationalstaaten hatten sich gegenüber dem Parlament durchgesetzt.

Europaparlament: Konsenssuche statt fester Mehrheiten

Das Europaparlament funktioniert anders als andere Parlamente. Statt des starren Gegensatzes zwischen Oppositions- und Regierungsfraktionen suchen die Parlamentarier und Parlamentarierinnen in Straßburg nach wechselnden, überparteilichen Kompromissen. Bündnisse werden meist so breit wie möglich geschmiedet. In der zu Ende gehenden Wahlperiode sorgte die sogenannte Von-der-Leyen-Koalition, bestehend aus Christdemokraten, Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen, für Stabilität. Breite Bündnisse stärken den Einfluss des Parlaments gegenüber Kommission und Rat.

"Trilog" statt langwieriger Verfahren

Das Gesetzgebungsverfahren in der Europäischen Union ist im 2009 verabschiedeten Vertrag von Lissabon 2009 festgeschrieben. Die von der Kommission vorgeschlagenen Gesetze werden hierbei von Ministerrat und Parlament gemeinsam verabschiedet. Dieser Prozess kann bis zu drei Lesungen beinhalten und ist oft sehr langwierig.

Deshalb haben sich die drei Institutionen auf ein schnelleres, informelles Verfahren verständigt - den "Trilog". Dieser Prozess bestimmte zuletzt die politische Arbeit in Brüssel und Straßburg. Die EU-Kommission, vor allem aber die Gesetzgeber Parlament und EU-Rat, suchen im Vorfeld und außerhalb des regulären Verfahrens nach einem Konsens. Die Akteure sind auch hier nicht parteipolitische Lager, sondern die Institutionen selbst. Die Kommission tritt im "Trilog" als neutrale Vermittlerin auf und als Hüterin der Verträge. Sie legt vor allem Wert auf realistische Umsetzung und administrative Machbarkeit.

Nationen vs. Europa

Meist versucht das Europaparlament, eher überstaatliche, "europäische" Standpunkte gegenüber nationalen Interessen der Mitgliedstaaten zu vertreten. In einem Pressegespräch Anfang April unterstrichen die deutschen Europa-Abgeordneten Angelika Niebler (CSU), Maria Noichl (SPD) und Henrike Hahn (Grüne) das Bemühen, sich nicht von den Regierungen oder Mutterparteien im Heimatland hineinreden zu lassen. Deshalb stimmen die Parteien im Europaparlament oft anders ab als die Parteien "zu Hause".

Im Falle Deutschlands gelinge das gut, bei anderen Staaten weniger, so die Abgeordneten. Die spanischen Abgeordneten gelten häufig als Beispiel dafür, dass nationale Interessen – wie Niebler es beklagte – als wichtiger gelten als ein Koalitionskonsens. Hahn forderte, Europa müsse den Schritt wagen, bei nationalen Interessen zurückzustecken. "Wir Deutschen sind sehr unabhängig", sagte Noichl.

"Staatenkammer": Der Rat der Europäischen Union

Gemeinsam mit dem Europäischen Parlament erlässt der Rat der Europäischen Union (auch Ministerrat genannt) die Gesetze. Der Rat repräsentiert die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten. Deshalb kann man ihn als die "Staatenkammer" der EU bezeichnen (neben dem Europäischen Parlament als "Bürgerkammer"). Der Rat setzt sich aus jeweils einem Vertreter oder einer Vertreterin pro Mitgliedstaat zusammen. Er oder sie muss für seine Regierung verbindliche Entscheidungen treffen. Die tatsächliche Zusammensetzung des Rates unterscheidet sich je nachdem zur Abstimmung stehenden Thema. In der Regel sind die jeweils zuständigen Minister und Ministerinnen vertreten.

Nicht verwechselt werden darf der Rat der Europäischen Union mit dem Europäischen Rat und dem Europarat. Der Europäische Rat bezeichnet die Runde der Regierungschefs - landläufig wird er deshalb "EU-Gipfel" genannt. Der Europarat wiederum ist eine eigenständige transnationale Organisation, die mit der EU nichts zu tun hat.

Zwei Arten von Gesetzen

In der EU existieren zwei verschiedene Rechtsetzungsakte: Zum einen gibt es die Verordnungen. Das sind EU-Gesetze, die unmittelbar in allen Mitgliedstaaten gelten. Zum anderen sind die sogenannten Richtlinien so etwas wie Rahmengesetze. Das heißt, sie stellen eine politische Forderung, die die Mitgliedstaaten innerhalb einer bestimmten Frist umsetzen müssen. Wie genau sie die formulierten Ziele erreichen, ist den Mitgliedstaaten dabei selbst überlassen.

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