Kinder in Madagaskar bekommen Essen von einer Hilfsorganisation
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Kinder in Madagaskar bekommen Essen von einer Hilfsorganisation

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Madagaskar hungert und prangert Klimasünder an

Es ist eine Tragödie, die sich im Süden Madagaskars abspielt. Nach Jahren der Dürre hungern 1,3 Millionen Menschen. Eine Folge des Klimawandels. Die Regierung in Madagaskar prangert die globalen Klimasünder an.

Alice Rahmoun ist für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen in Madagaskar unterwegs und sagt: "Der Süden Madagaskars leidet unter sehr ernsten Folgen des Klimawandels." Eine jahrelange Dürre habe Felder und Ernten zerstört, dadurch gibt es für über eine Million Menschen kaum mehr Nahrung.

Madagaskar hungert und ist damit nach Überzeugung der Vereinten Nationen derzeit weltweit der einzige Ort, an dem Hungersnöte durch das Klima und nicht durch Konflikte ausgelöst werden.

Hunger als Folge des Klimawandels

Im südlichen Dialekt von Madagaskar gibt es ein eigenes Wort für den Hunger: Kere. Die anhaltende Dürre lässt den Süden des Inselstaates gewissermaßen austrocknen. Es regnet kaum noch, beispielweise in Amboasary, einer der betroffenen Regionen.

Raymond Filantsoa ist Bürgermeister von Analapatsy, einem Ort in Amboasary. Er sagt, das Phänomen "Kere" gebe es schon seit Jahren, aber jetzt habe es sich noch verschlimmert. Ein Drittel der Bevölkerung habe nur alle drei Tage etwas zu essen.

Madagaskar ist Opfer des globalen Klimawandels

Kaum Essen, kaum sauberes Trinkwasser – das ist der Alltag, weil es immer weniger regnet. Tsimamorekm Aly wirkt ratlos. Der Familienvater lebt in Androy, einer anderen Region im Süden Madagaskars und denkt gern an bessere Zeiten zurück. Zeiten, als es noch regnete, als er Süßkartoffeln anbauen konnte und damit gutes Geld verdiente. "Ich konnte sogar heiraten, weil ich reich war", erzählt der Bauer.

Tsimamorekm Aly ist kein greiser Mann, er ist Mitte 40. Was er beschreibt, ist erst wenige Jahre her. Nun aber schlägt der Klimawandel mit voller Wucht zu. Dabei hat Madagaskar einen verschwindend kleinen Anteil daran: das Land produziert nur 0,01 Prozent der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen.

Kritik an "laschen" Maßnahmen gegen weltweite Erwärmung

Deshalb fordert Präsident Andry Rajoelina Solidarität. Vor gut einem Monat war er bei einer Rede vor den Vereinten Nationen deutlich: "Madagaskar ist ein Opfer des Klimawandels." Die Dürre im Süden, versiegende Wasserquellen – das entziehe der Bevölkerung die Lebensgrundlage.

"Meine Landsleute im Süden (Madagaskars, Anm. d. Red.) tragen die Last des Klimawandels, den sie nicht mitverursacht haben." Andry Rajoelina, Präsident Madagaskars

Der Präsident von Madagaskar nennt die derzeitigen Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels "lasch" und fordert dringende und gut koordinierte, weltweite Maßnahmen.

Hoffen auf mehr internationale Hilfe

Von den Industrieländern, die den Klimawandel verursacht haben und immer noch antreiben, erhofft sich Madagaskar mehr Technologie, mehr Hilfe. Allerdings ist auch innenpolitisch nicht alles rosig. Kritiker wie Dan Smith bemängeln, die Eliten einschließlich der Regierung täten auch nicht genug.

Smith ist Direktor des Friedensforschungsinstituts SIPRI in Stockholm und findet drastische Worte. Der Druck durch den Klimawandel nehme zu, aber die Unterstützung durch die Regierung werde schlechter. Das sei für das Land ein "Rezept aus der Hölle", sagt Dan Smith.

UN: Weltweite Fluchtbewegungen drohen

Fakt ist: im Südlichen Afrika steigen die Temperaturen doppelt so schnell wie im weltweiten Durchschnitt. Und: Die betroffenen Staaten sind allesamt Entwicklungs- oder Schwellenländer. Wer in Madagaskar lebt, der kann der Not kaum entgehen, denn das Land im Indischen Ozean ist weit entfernt von Nachbarstaaten. Schon gibt es Klimaflüchtlinge innerhalb des Landes – noch bleiben sie in Madagaskar. Gernot Laganda leitet die Klima- und Katastrophenvorsorge beim Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen. Er malt weltweit eine düstere Prognose, wenn die Ressourcen durch den Klimawandel knapper werden und sich Konflikte verstärken. Dann werde es eine weltweite Fluchtbewegung geben.

"Im Jahr 2020 gab es 30 Millionen Menschen, die aufgrund von Klimaextremen innerhalb ihrer eigenen Grenzen vertrieben wurden, und wir gehen davon aus, dass diese Zahl bis 2050 auf 216 Millionen ansteigen wird, also etwa siebenmal so viele." Gernot Laganda, UN-Welternährungsprogramm

Betroffen sind im Wesentlichen arme Länder, so wie Madagaskar. Dass sie keine Mitschuld am Klimawandel tragen, darüber reden die Menschen dort nicht, sicherlich aber auch, weil sie andere Sorgen haben. Denn sie kämpfen seit langem schon jeden Tag ums Überleben.

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