Clemens Fuest, Präsident des Münchner ifo-Instituts
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Ifo-Präsident Fuest: EZB muss endlich Inflation bekämpfen

Die Europäische Zentralbank handle zu zögerlich, kritisiert der Chef des Ifo-Instituts. Wer bei einer Inflation von fast zehn Prozent nicht willens sei, die Geldpolitik zu normalisieren, "hat seinen Job verfehlt". Es drohe eine Preis-Lohn-Spirale.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Angesichts der Inflationsrate von fast zehn Prozent in der gesamten Eurozone fordert der Präsident des ifo-Institutes für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, eine deutlichen Erhöhung des Leitzinses. Er halte jetzt eine deutliche Erhöhung von 0,75 Prozentpunkten für richtig. Im radioWelt-Interview bei Bayern 2 sagte er: "Die Entwicklung ist doch so, dass man jetzt noch mal handeln muss. Wir dürfen ja eines nicht vergessen: Die EZB kommt von einer extrem expansiven Politik. Jetzt nimmt sie sozusagen den Fuß vom Gas, aber sie bremst ja noch nicht richtig."

Energiepreise treiben Inflation weiter an

Man dürfe nicht erwarten, dass die Maßnahmen kurzfristig wirken. Im Moment sei die Inflation sehr stark geprägt von der Energiepreissteigerung und natürlich auch von Kostensteigerung in anderen Bereichen. Fuest erwartet, dass dieser Trend anhalten wird. Dabei müsse aber verhindert werden, dass eine Preis-Lohn-Spirale entsteht: "Es ist nur wichtig, dass sich mittelfristig was tut und insbesondere, dass die Haushalte und die Unternehmen sich nicht auf dauerhaft höhere Inflationsraten einstellen und dann Preise und Löhne sehr, sehr stark erhöhen." Den Frankfurter Zentralbänkern warf er vor, zu spät zu reagieren. "Aber besser spät als nie", so Fuest.

Experten: Inflation wird erst 2024 sinken

Auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sieht derzeit keine Entspannung bei den Preisanstiegen. Die Inflationsrate in Deutschland werde sich weiter erhöhen: "Sofern die Preise für Strom und Gas für längere Zeit hoch bleiben – so wie es sich derzeit abzeichnet – wird die Inflation ausgehend von ihrem Rekordniveau von acht Prozent im laufenden Jahr voraussichtlich auf 8,7 Prozent im Jahr 2023 steigen", erwarten die Fachleute. Grund dafür sei, dass die Marktpreise für Strom und Gas verzögert bei den Verbrauchern ankämen. Erst 2024, wenn die Energiepreise wieder nachgeben, dürfte sich die Inflation beruhigen und auf 3,1 Prozent sinken.

"Neben Belastungen für die energieintensiven Industrien führt der massive Energiepreisanstieg insbesondere zu einem erheblichen Kaufkraftentzug bei den privaten Haushalten", warnen die Kieler Ökonomen. "Deren Kaufkraft dürfte im kommenden Jahr mit 4,2 Prozent so stark einbrechen wie noch nie im wiedervereinigten Deutschland und in der Folge den privaten Konsum bis weit ins kommende Jahr hinein schrumpfen lassen."

EZB berät über Maßnahmen

Weltweit hatten bedeutende Zentralbanken in den vergangenen Wochen bereits das Zinsniveau deutlich stärker erhöht. In den USA liegen die Leitzinssätze bei zwischen 2,25 und 2,5 Prozent, in Kanada wurde es am Mittwoch auf 3,25 Prozent angehoben.

Die EZB berät am Donnerstagnachmittag in Frankfurt auf ihrer Ratssitzung über Maßnahmen gegen die hohe Inflation und die Schwäche des Euro. Nachdem die Zentralbänker im Juli erstmals seit elf Jahren die Leitzinsen auf bis zu 0,75 Prozent erhöht hatten, steht nun wohl eine weitere bedeutende Anhebung bevor. Höhere Zinsen gelten als Mittel gegen die Teuerung - sie wirken aber auch bremsend auf das Wirtschaftswachstum.

  • Zum Artikel: "EZB im Dilemma: Zinserhöhung trotz Rezessionsgefahr"

Mit Material der AFP und Reuters.

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