Kardinal Gerhard Ludwig Müller breitet am 02.07.2017 in Mainz (Rheinland-Pfalz) im Dom die Arme aus. Am Vortag war bekannt geworden, dass Papst Franziskus sich von Müller als Chef der Glaubenskongregation trennt.
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Kardinal Gerhard Ludwig Müller 2017

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Hintergrund: Wer steckt hinter Kardinal Müllers Corona-Aufruf?

Die Corona-Pandemie sei ein Vorwand, um grundlegende Bürgerrechte zu verletzen - so raunten Kardinal Gerhard Ludwig Müller und weitere Bischöfe. 40.000 Menschen haben den Aufruf laut Auskunft des Initiators unterschrieben. Doch wer steckt dahinter?

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Vor mehr als zwei Wochen reihte sich eine Gruppe von Kardinälen und Bischöfen der katholischen Kirche in die Reihe derjenigen ein, die in der Corona-Pandemie lediglich einen Vorwand sehen, um die grundlegenden Rechte von Bürgern zu verletzen. Von einer Weltregierung wird in dem Text geraunt, die sich jeder Kontrolle entziehe. Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx hat den Appell in einem "Spiegel"-Interview verurteilt. Er spalte und mache Angst. 40.000 Menschen sehen das offenbar anders und haben den Aufruf laut Auskunft seines Autors, Carlo Maria Viganò, unterschrieben.

Der Erzbischof tauchte Ende Januar zum ersten Mal seit Langem wieder in der Öffentlichkeit bei einer Demonstration in München auf, als ultrakonservative Katholiken aus aller Welt vor der Feldherrenhalle auf dem Odeonsplatz ihren katholischen Glauben bekannten und ein Zeichen gegen den Reformweg der katholischen Kirche in Deutschland setzen wollten. Viganò, ehemaliger Vatikan-Botschafter in Washington, sieht in der Corona Pandemie vor allem dunkle Mächte am Werk und den "beunruhigenden Auftakt zur Schaffung einer Weltregierung". Die Publizistin Liane Bednarz sagt über ihn: "Gedanklich scheint mir das jemand zu sein, der wirklich leider sehr, sehr tief in diese Verschwörungswelt hinein abgeglitten ist."

Erzbischof Viganò ist einer der schärfsten Kritiker von Franziskus. Der 79-Jährige wirft dem Jesuiten auf dem Papstthron vor, einen seit Jahrzehnten von seinem Orden betriebenen Plan in die Tat umzusetzen: Die katholische Kirche soll in eine Art soziale NGO verwandelt werden. Dass vielerorts während der Corona-Krise keine Messen gefeiert werden konnten, passt in dieses Weltbild, das stark von Verschwörungsmythen geprägt ist. "Er hat diesen Aufruf im Nachhinein verteidigt und nannte in diesem Zusammenhang auch die Rolle der Freimaurer. Und das ist wirklich ganz typisch für diese Verschwörungstheorie, zu glauben, dass da irgendwelche Freimaurer am Werke sind. Also auch da ist das Weltbild schon ziemlich geschlossen."

Liane Bednarz hat in ihrem Buch "Die Angstprediger" untersucht, wie attraktiv rechtes Gedankengut für bestimmte christliche Milieus ist. Das in dem Aufruf von Viganò verbreitete Feindbild von einer Weltregierung, von einer menschen- und religionsfeindlichen Tyrannei ist nicht neu. Es greife eine Idee auf, die seit Anfang der 90er Jahre besonders in rechts-evangelikalen Kreisen kursiere, "dass so etwas wie eine Welteinheitszivilisation angestrebt wird, die dann letztlich entchristlicht ist".

Kardinäle, Bischöfe, Weihbischöfe: hohe Titel, wenig Einfluss

Der Aufruf von Viganò wurde auch von Kardinälen, Bischöfen, Weihbischöfen unterschrieben – Menschen, die Liane Bednarz zufolge zwar formell ranghohe Titel hätten, in der Weltkirche inzwischen aber keine signifikante Rolle mehr spielen würden. "Und insofern scheint mir das eine Melange zu sein von Leuten, die für diese Ideenwelten ohnehin anfällig sind, aber die eben auch in Opposition zu Papst Franziskus gehen wollen".

Zum Beispiel Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Seit Franziskus ihn als Präfekten der Glaubenskongregation abgesetzt hat, fällt er als notorischer Papst-Kritiker auf und scheut dabei nicht einmal mehr die Nähe zu erklärten Gegnern des Papstes wie Viganò. Müller steht nach wie vor zu seiner Unterschrift unter dem verschwörungstheoretischen Schreiben. Im katholischen Sender EWTN sagte er: "Wir müssen Position beziehen gegen die Instrumentalisierung dieses Virus und dieser globalen Krise durch einige Diktaturen oder durch ideologische Gruppen, die nun die Gelegenheit nutzen, die Kirche zu unterdrücken und das sakramentale Leben der Kirche zu unterbinden."

Die deutsche Bischofskonferenz hat Müllers Lesart der Corona-Pandemie ausdrücklich widersprochen. Auch Rudolf Voderholzer, sein Nachfolger als Bischof von Regensburg, distanzierte sich ausdrücklich von dem Schreiben und machte sich die Position des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz zu Eigen: Die Bewertung der Corona-Pandemie durch die Deutsche Bischofskonferenz unterscheide sich "grundlegend" von dem Aufruf. Das ist vor allem bemerkenswert, weil Voderholzer kirchenpolitisch dezidiert konservative Positionen vertritt.

Kardinäle, die den nächsten Papst wählen dürfen

Zwei weitere Kardinäle denken ähnlich wie Müller, haben den Aufruf allerdings nicht unterzeichnet. Kurienkardinal Robert Sarah, Leiter der vatikanischen Gottesdienstkongregation, verkündete via Twitter, er teile einige der Bedenken in dem Aufruf. US-Kardinal Raymond Leo Burke hat einen eigenen Aufruf verfasst und unter anderem vor der Gefahr gewarnt, dass jedem Menschen ein Mikrochip implantiert werde, um so besser kontrollierbar zu sein. Müller, Sarah, Burke, alle drei Kardinäle sind unter 80 Jahre alt und und dürften bei einem Konklave den nächsten Papst wählen.

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