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Lebensmittelwarnungen

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Foodwatch: Lebensmittelwarnungen oft zu spät

Lebensmittelwarnungen sind oft mangelhaft organisiert. Das ist das Ergebnis einer Studie von Foodwatch, die dem ARD-Politikmagazin "Report München" und der "SZ" vorliegt. Foddwatch hat dafür mehr als 90 Rückrufe ausgewertet. Von Philipp Grüll

Über dieses Thema berichtet: radioWelt.

Ob listerienbelastete Pilze, mögliche Metallsplitter in Würstchen oder chemisch verunreinigter Bio-Säuglingstee - immer wieder dauert es mehrere Tage oder gar Wochen, bis die Verbraucher auf der Seite Lebensmittelwarnung.de über gefährliche Lebensmittel informiert werden. Nach dem EHEC-Ausbruch mit Dutzenden Toten hatten Bund und Länder das Portal 2011 eingerichtet - als zentrale Anlaufstelle für Verbraucher. Eigentlich eine gute Idee, findet Foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker.

"Die Seite Lebensmittelwarnungen.de ist allerdings auf der ganzen Linie gescheitert. Die Seite ist nicht aktuell, etwa die Hälfte der Meldungen, kommen mit deutlichem zeitlichem Verzug auf die Seite. Einige Meldungen sind verharmlosend formuliert. Man investiert kaum in die Bekanntheit der Seite." Martin Rücker, Foodwatch-Geschäftsführer

Unternehmen entscheiden über Rückruf

Aus der Foodwatch-Studie ergibt sich ein weiteres Problem: Nicht die Behörden entscheiden, über welche Kanäle ein Unternehmen die Verbraucher vor unsicheren Lebensmittel warnen muss. Die Entscheidung treffen die Unternehmen selbst.

"Manche Unternehmen haben einen großen Presseverteiler, andere beschicken nur einzelne Medien mit dieser Information. Manche bespielen das volle Programm, stellen die Informationen auf ihre Internetseite, auf Facebook, auf Twitter und so weiter, andere unterlassen all dies. Die Behörden nicken es in der Regel ab." Martin Rücker, Foodwatch-Geschäftsführer

Dass Unternehmen höchst unterschiedlich mit Rückrufen umgehen, bestätigt der Münchner Lebensmittelrechtler Alfred Meyer. Seine Kanzlei hat schon zahlreiche Firmen bei Rückrufaktionen beraten. Der Juraprofessor sagt: Besonders bei kleineren, mittelständischen Unternehmen sei man oft der Auffassung, ein Rückruf bedeute einen Imageschaden. Eine Angst, die Meyer für unbegründet hält:

"Meine Erfahrung ist: Die Kunden nehmen es eher gut an. Es führt nicht zu Umsatzausfall, es führt nicht zu einem Verlust der Reputation des Unternehmens, sondern die Kunden sehen einfach, dass ihr Unternehmen sie als Kunden ernst nimmt und entsprechend auch sauber kommuniziert. Das heißt: kein Makel für das Unternehmen." Alfred Meyer, Lebensmittelrechtler

Viele Rückrufe schlecht gemacht

Viele Rückrufe sind Meyer zufolge schlecht gemacht – wie auch eine aktuelle Meldung auf Lebensmittelwarnung.de zeigt. Der bayerische Getränkehersteller Wolfshöher warnt vor Bieren und Mineralwasser aus seiner Produktion. In der Meldung heißt es lediglich: Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es bei der Abfüllung zu einer Verunreinigung gekommen sei. Und: Eine mögliche Gefahr für die Gesundheit könne nicht ausgeschlossen werden.

"Der Rückruf dieser Brauerei ist defizitär, denn es wird nur von Verunreinigung gesprochen. Es wird aber nicht klar, worum es geht. Geht es hier um Desinfektions- oder Reinigungsmittel? Hab ich hier Hygieneprobleme und welche Folgen hat der Verzehr des Produktes? Führt das dann zu Erbrechen, zu Durchfall? Das heißt, alle Essentialia eines Rückrufs fehlen." Prof. Alfred Meyer, Anwalt für Lebensmittelrecht

Die Firma ließ eine Anfrage von "Report München" und "SZ" unbeantwortet. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) erklärte erst auf Anfrage, worum es genau geht: um die Gefahr, dass Flaschen mit Reinigungslauge verunreinigt wurden. Dies könne zu Verätzungen führen. Für Foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker steht fest: Für eine wirkliche wirksame Information der Verbraucher sind konkretere Regeln nötig. 

"Wir sind davon überzeugt, dass das häufig nur über eine gesetzliche Vorgabe funktionieren kann, dass die Unternehmen verpflichtet werden, ihre Möglichkeiten zu nutzen und alles dafür tun, die Menschen rechtzeitig zu warnen." Martin Rücker, Foodwatch-Geschäftsführer

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) ist der Meinung, dass auch weiterhin die Unternehmen entscheiden sollten. Für ein Interview hatte er keine Zeit, doch sein Ministerium teilte mit: Ein starre gesetzliche Vorgabe könne kaum den besonderen Umständen eines jeden Einzelfalles gerecht werden.