12.01.2024, Bayern, Nürnberg: Traktoren fahren zu einer Kundgebung des Bauernverbandes gegen die Sparpläne der Bundesregierung. Die Kundgebung ist Teil bundesweiter Protestaktionen und richtet sich gegen gekürzte Vergünstigungen des Bundes für Agrardiesel und landwirtschaftliche Fahrzeuge. Foto: Daniel Karmann/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Daniel Karmann

Bauernproteste - Nürnberg

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Bauernproteste: Was BR24-User wissen wollen

Landwirte demonstrieren seit Tagen gegen die Kürzung von Finanzhilfen. Viele BR24-User stellten Fragen in den Kommentarspalten. Werden andere Branchen auch subventioniert? Wie steht es um die Versorgung in unserem Land? Die wichtigsten Antworten.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Seit Tagen finden auf Deutschlands Straßen auf dem Land und in den Städten Bauernproteste statt. Viele User haben Fragen. BR24 beantwortet jene, die am meisten gestellt wurden:

1. Ist Landwirtschaft die Branche mit den meisten Subventionen?

Nein, ein Blick auf den Subventionsbericht des Bundes zeigt: Am meisten Geld bekommt die gewerbliche Wirtschaft - einschließlich der Förderung der Energiewende. Die Subventionen stiegen in diesem Bereich von 15,9 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf voraussichtlich 26,9 Milliarden Euro im Jahr 2024. Damit kommen dieses Jahr etwa 40 Prozent der Subventionen des Bundes der gewerblichen Wirtschaft zugute.

Danach folgen das Wohnungswesen mit Subventionen von voraussichtlich 22,3 Milliarden Euro und der Verkehrsbereich mit geschätzten 9,2 Milliarden Euro im Jahr 2024.

Konkrete Beispiele: Energieeffiziente Gebäude werden mit 18,8 Milliarden Euro bezuschusst, die Förderung der Mikroelektronik mit knapp 4 Milliarden Euro, und die Strompreiskompensation finanziert der Bund mit 2,6 Milliarden Euro.

Im Bereich Ernährung und Landwirtschaft betragen die Subventionen 2024 geschätzte 2,4 Milliarden Euro. Während in anderen Bereichen die Subventionen steigen, soll die Summe dort sinken. 2021 waren es noch 2,6 Milliarden Euro.

Aus dem EU-Etat erhielt Deutschland etwa sieben Milliarden Euro im Jahr 2022 für die Landwirtschaft. Nur zwei Länder haben mehr EU-Agrarsubventionen bekommen: Frankreich und Spanien.

Ein Ziel der Subventionen sind günstige Lebensmittelpreise, denn ohne Direktzahlungen müssten die Preise für Agrarerzeugnisse höher sein.

2. Wer kriegt die meisten Subventionen in der Landwirtschaft?

Etwa 70 Prozent der Fördermittel in Deutschland sind Flächenprämien. Je größer der Betrieb, desto mehr Geld bekommt er. Vergangenes Jahr wurden im Durchschnitt 156 Euro pro Hektar ausgezahlt. Hinzu kommen zum Beispiel Förderungen für Junglandwirte, kleinere und mittlere Betriebe und Zahlungen für Mutterschafe, -ziegen oder -kühe.

Ein Viertel der Direktzahlungen ist an die Erfüllung von Öko-Regelungen gebunden, so das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft. Um Gelder zu erhalten, müssen die Betriebe Leistungen für Umwelt-, Klimaschutz oder Biodiversität erbringen, die über die allgemeinen Auflagen an Umwelt- und Klimaschutz hinausgehen.

Empfänger der Agrarzahlungen in Deutschland sind vor allem auch öffentliche Einrichtungen. Laut Zahlen der Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft erhielten die größten Summen nicht Landwirte, sondern Landesbetriebe, Kommunen oder Erzeugerorganisationen.

Zum Beispiel: 21 Millionen gingen an den Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft in Magdeburg. 18,6 Millionen an den Landesbetrieb für Küstenschutz Nationalpark und Meeresschutz Husum oder 17 Millionen an das bayerische Landwirtschaftsministerium. Diese Gelder werden wiederum für Projekte in der Landwirtschaft verwendet – beispielsweise für Maßnahmen für Umweltschutz.

Im Wirtschaftsjahr 2021/22 lagen die Subventionen für Haupterwerbsbetriebe bei durchschnittlich 47.000 Euro je Unternehmen. Klein- und Nebenerwerbsbetriebe erhielten knapp 18.000 Euro.

3. Bekommen Bauern die Hälfte des Einkommens aus Subventionen?

Subventionen machen je nach Betrieb fast die Hälfte des Einkommens aus. Die Zahlen veröffentlicht das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft. Bei Haupterwerbsbetrieben lag der Anteil am Einkommen bei 45 Prozent, bei juristischen Personen bei 50 Prozent im Durchschnitt. Bei sogenannten Nebenerwerbsbetrieben, die eine zweite Einkommensquelle außerhalb der Landwirtschaft haben, liegt der Anteil der Fördermittel am landwirtschaftlichen Einkommen mit etwa 97 Prozent deutlich höher. Die Haupteinkommensquelle dieser Landwirte und Landwirtinnen ist aber die Erwerbstätigkeit neben der Landwirtschaft.

4. Wie viel Einfluss hat der Bauernverband?

Der Bauernverband ist eine mächtige Interessenorganisation und Hauptansprechpartner für die Politik. Über 90 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe sind Mitglied im Deutschen Bauernverband. Laut Lobbyregister des Bundestags gab der Deutsche Bauernverband für seine Lobbyarbeit im Jahr 2022 mindestens 3,82 Millionen Euro aus. Der Bauernverband nimmt unter anderem an verschiedenen Parteitagen teil.

5. Warum bestreiken die Landwirte nicht die Discounter oder Molkereien?

Der Lebensmitteleinzelhandel diktiert die Preise und die Produkte. Teilweise landen krumme Karotten nicht im Regal, regionale Himbeeren werden stellenweise nicht bezogen, wenn die aus dem Ausland günstiger sind. Auch vor Zentrallagern haben Landwirte in der Vergangenheit schon öfter demonstriert. Bei stark gesunkenen Milchpreisen protestierten Landwirte vor Molkereien.

Dieses Mal war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat, aber eine Entscheidung der Bundesregierung. Agrardiesel eint die Berufsgruppe Landwirte, denn mit Diesel fahren alle. Es betrifft nicht nur Schweinehalter, Ackerbauern, Milchviehhalter oder Gemüsebetriebe, sondern alle. Auch wenn der Agrardiesel für eine allgemeine Unzufriedenheit steht, ist der Adressat doch der Bund.

6. Wie wichtig sind Landwirte für unsere Ernährung?

Mittlerweile ernährt eine angestellte Person in der Landwirtschaft rund 137 Menschen. Im Jahr 1949 ernährte ein Mitarbeiter auf einem landwirtschaftlichen Betrieb statistisch nur zehn Personen. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe geht in Deutschland aber kontinuierlich zurück. Immer weniger Landwirte ernähren somit immer mehr Menschen.

Interaktive Grafik: Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe und Größe der landwirtschaftlich genutzten Flächen

7. Können wir uns in Deutschland selbst ernähren?

Der Selbstversorgungsgrad mit Lebensmitteln lag laut Bundesinformationszentrum Landwirtschaft im Jahr 2020/2021 bei 81 Prozent. Während manches im Überfluss produziert wird, müssen andere Produkte vermehrt importiert werden.

Beispiele: Bei Getreide lag der Selbstversorgungsgrad 2021 bei 109 Prozent. Bei Schweinefleisch erreichte Deutschland einen Selbstversorgungsgrad von 132 Prozent und gehörte damit zu den wichtigsten Exporteuren. Bei Kartoffeln lag der Wert bei 150 Prozent. Deutschland ist nicht nur der flächenmäßig größte Kartoffelerzeuger in der EU, sondern auch der weltweit drittgrößte Exporteur von Kartoffeln. Ein Blick in deutsche Regale, etwa im Frühjahr, macht aber deutlich, dass trotzdem Kartoffeln aus anderen Ländern importiert werden.

Der Bedarf an Obst kann hingegen gerade zu einem Fünftel aus heimischem Bedarf gedeckt werden. Das liegt aber nicht daran, dass Bananen oder Orangen hier nicht angebaut werden. Auch heimisches Obst wird nicht in der Menge angebaut, wie es benötigt wird. Der Selbstversorgungsgrad für Äpfel lag bei 48 Prozent, für Erdbeeren bei 37 Prozent, für Kirschen bei 18 Prozent. Auch Gemüse wird – angesichts eines Selbstversorgungsgrads von 38 Prozent – größtenteils importiert. Nur bei Weißkohl und Rotkohl übertrifft die in Deutschland erzeugte Menge den Bedarf.

8. Was verdient ein Landwirt?

Die wirtschaftliche Lage der Betriebe hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. Im Wirtschaftsjahr 20/21 kamen Haupterwerbsbetriebe im statistischen Mittel auf einen Gewinn von rund 54.000 Euro, im Wirtschaftsjahr 21/22 waren es 79.000 Euro, laut Situationsbericht des Deutschen Bauernverbandes. 2022/2023 haben Haupterwerbsbetriebe in Deutschland im Durchschnitt 115.400 Euro erwirtschaftet. Bayerische Betriebe kamen vergangenes Jahr auf einen Gewinn von knapp 88.000 Euro.

Davon zahlt der Landwirt sich und mitwirkenden Familienangehörigen den Lohn aus und sollte auch noch Rücklagen bilden können oder Investitionen tätigen. Dass der Gewinn gestiegen ist, lag unter anderem an den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs mit höheren Preisen für Agrarerzeugnisse. Milchviehbetriebe profitierten vergangenes Jahr vom starken Anstieg der Milchpreise.

Das Einkommen der Landwirte variiert je nach Betriebsform. Zwischen Milchviehbetrieben, Ackerbauern oder Gartenbaubetrieben herrschen teils erhebliche Unterschiede. Verantwortlich dafür sind Schwankungen in den Marktpreisen und Erzeugungsmengen. Auch regionale Unterschiede spielen eine Rolle.

Mit Material von Jutta Schilcher/BR und Eva Huber/BR

Im Video: Die Zukunft der deutschen Landwirtschaft

Ein Traktor ist mi der Aufschrift "Zuviel ist zuviel" versehen, im Hintergrund ein düsterer Himmel und ein brachliegendes Feld.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Christian Charisius, colourbox.com/Evgeniy Sergeev; Montage: BR
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Die Landwirtschaft steht vor einem Strukturwandel: Welche Zukunft erwartet sie in Deutschland?

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!