Bildrechte: picture-alliance/dpa

Horst Seehofer

Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Fall Sami A.: Seehofers Baustellen

Tunesien, Marokko, Algerien und Georgien sollen als sichere Herkunftsländer gelten, so will es der Bundesinnenminister. Den Gesetzentwurf hat das Kabinett gebilligt. Abschiebungen machen Seehofer derzeit öfter zu schaffen - auch die von Sami A.

Am Vormittag tritt ein zufriedener Bundesinnenminister vor die Presse. "Endlich“ habe das Bundeskabinett den Gesetzentwurf verabschiedet, Marokko, Algerien und Tunesien sowie Georgien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, sagt Seehofer.

Einzelfallprüfung weiterhin möglich

Wer von dort kommt, kann zwar weiterhin einen Asylantrag stellen, aber die Verfahren würden viel schneller bearbeitet. Es wird davon ausgegangen, dass Migranten dort nicht verfolgt werden. Eine Einzelfallprüfung sei auch weiterhin möglich, sagt Seehofer. Die vier Staaten gehören laut Seehofer "alle zu den Top 20" der Asylantragssteller. Nach schwieriger Ressortabstimmung hatte Seehofer die Abstimmung am Ende durchgesetzt. 

Geht das neue Gesetz durch?

Das Problem für Seehofer könnte der Bundesrat werden, der keine klaren Mehrheiten hat. Zwei Bundesländer mit grüner Beteiligung müssten dem Entwurf zustimmen. Danach sieht es derzeit jedoch noch nicht aus. Seehofer will nicht über die drohende Bundesratsniederlage reden. Erst einmal müsse das Gesetz durch den Bundestag. Und er weiß: Hier stehen die Chancen gut.

Fall Sami A.: Innenministerium auf einer Linie mit NRW-Regierung

Und dann geht es wieder um Sami A., den abgeschobenen tunesischen Gefährder, dessen Rückholung ein deutsches Gericht angeordnet hat. Der mutmaßliche Leibwächter von Osama bin Laden wurde trotz eines gegenteiligen Gerichtsbeschlusses abgeschoben. Angeblich weil der Beschluss zu spät bei den Behörden einging. Wie es dazu kam, dazu will sich Seehofer nicht äußern, das Verfahren laufe noch. Bochum hat gerade gegen den Gerichtsbeschluss, Sami A. zurück nach Deutschland holen zu müssen, weil ihm dort Folter drohe, Beschwerde eingelegt. Nur so viel: Das Bundesinnenministerium teile die Haltung der Landesregierung von NRW.

"Ein Staat, bei dem angenommen wird, da wird gefoltert und die Todesstrafe droht, den könnte man ja als Bundesregierung nicht als sicheren Herkunftsstaat einstufen." Horst Seehofer, CSU, Bundesinnenminister

Was wusste Seehofer von A.s Abschiebung?

Seehofer sagt, er habe, soweit er sich erinnere, einen Vermerk auf seinem Schreibtisch vorgefunden, "am 11. Juli". In dem habe es geheißen, dass unklar sei, wann der Abschiebeflug stattfinde. Dass der Flug dann am 13. Juli stattfand, sei ihm vorab nicht bekannt gewesen. Eine Sprecherin des Innenministeriums hatte am vergangenen Montag gesagt, dass die Hausleitung, der auch der Minister angehört, informiert worden sei, dass ein Flug am 13. Juli geplant sei. Weil die Landesregierung NRW darüber entscheide, sei unklar, ob der Flug auch stattfinde. Seehofer sagt dazu: Sogar wenn ihm der Termin bekannt gewesen wäre: Er könne nicht nachforschen, ob jede Maßnahme, die ihm mitgeteilt wird, in Ordnung sei.

SPD-Vorschlag: Bund könnte für die Gefährder-Abschiebung zuständig werden

Seehofer freut sich sichtlich über den Vorschlag von SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka. Nach so viel Schelte, hätte er damit gar nicht gerechnet. Lischka hatte im Zeitungsinterview vorgeschlagen, Seehofer solle „die Zuständigkeit für die etwa 100 ausreisepflichtigen Gefährder nach Rücksprache mit den Bundesländern an sich ziehen“. Bisher liegt die Entscheidung abzuschieben bei den Ländern. Der Bund muss allerdings informiert und bei der Umsetzung beteiligt, zum Beispiel durch Bundespolizisten, die Abschiebeflüge begleiten. Bei Gefährdern, denen die Behörden einen Terroranschlag zutrauen, brauche es den Bund, der laut Lischka mehr Einfluss auf die Länder nehmen könne, in die sie zurückgebracht werden sollen. Seehofer kann sich das vorstellen. Allerdings könne der Bund nur die Abschiebung übernehmen, nicht die polizeiliche Betreuung in den Ländern. Dafür fehlten im Bund die Kapazitäten.

69 Afghanen und ein laufendes Verfahren    

Und dann ist da noch ein zweiter Fall einer wohl unrechtmäßigen Abschiebung: Unter den 69 Afghanen, die am 3. Juli abgeschoben wurden, war ein 20-Jähriger, der einen Tag später eine Anhörung zum Asylbescheid bei Gericht gehabt hätte. Seehofer gesteht hier einen Fehler ein, der dem in seine Zuständigkeit fallenden Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unterlaufen sei. Am Nachmittag gibt eine Sprecherin des Innenministeriums bekannt, dass das BAMF nun die nötigen Schritte einleite, um den jungen Mann zurück nach Deutschland zu holen. Der Fall der Afghanen hatte für Aufsehen gesorgt, weil sie ausgerechnet an Seehofers 69. Geburtstag abgeschoben wurden, was Seehofer auf einer Pressekonferenz anmerkte. Was er nicht wusste: Zu diesem Zeitpunkt hatte sich bereits einer der abgeschobenen in Afghanistan das Leben genommen.

Seehofer fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt

Vor allem den Vorwurf, es mangele ihm an Mitgefühl, will Seehofer so nicht auf sich sitzen lassen Er habe schließlich mit der Kanzlerin gemeinsam entscheiden, dass Deutschland 50 von einem Boot gerettete Flüchtlinge aufnimmt. Und er habe dafür gesorgt, dass über ein Umsiedlungsprogramm dieses Jahr knapp 5.000 besonders bedürftige Flüchtlinge nach Deutschland kommen dürfen. „Ich rede darüber nicht jeden Tag, wenn ich wieder einmal beurteilt werde, was mir alles an menschlichen Eigenschaften fehlt“, sagte Seehofer, der zunehmend dünnhäutig auf die Kritik zu reagieren scheint. Man müsse den sogenannten Masterplan Migration in der Gesamtschau betrachten: Er ermögliche eine humane Migration. 


Von Markus Langenstraß