2022/23 war Feuerwerk wieder erlaubt. Doch welchen Effekt hatte das Böllerverbot in den beiden Jahren zuvor auf die Krankenhäuser? (Symbolbild)
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2022/23 war Feuerwerk wieder erlaubt. Doch welchen Effekt hatte das Böllerverbot in den beiden Jahren zuvor auf die Krankenhäuser? (Symbolbild)

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#Faktenfuchs: Weniger Feuerwerks-Verletzungen während Corona?

Keine zusätzliche Belastung für die Krankenhäuser: Das war die Begründung der Politik für das Feuerwerksverbot an den beiden Corona-Silvestern 2020/21 und 2021/22. Doch kamen wirklich weniger Menschen in die Notaufnahme? Ein #Faktenfuchs.

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Darum geht’s:

  • 2020 und 2021 war der Feuerwerksverkauf zu Silvester verboten, um die Krankenhäuser wegen der Corona-Pandemie nicht zusätzlich zu belasten.
  • Wie viele Menschen bundesweit mit Feuerwerks-Verletzungen in die Notaufnahmen kamen, dazu gibt es keine konkreten Zahlen. Es werden keine belastbaren Statistiken erhoben.
  • Verschiedene Indizien deuten aber darauf hin, dass tatsächlich weniger Menschen wegen Feuerwerksverletzungen behandelt wurden.

Ein Silvester mit Raketen, Knallern und Böllern: Das fiel zwei Jahre lang wegen Corona aus. Beim Jahreswechsel 2022/23 war es wieder möglich in Deutschland. Wie bei allen Corona-Maßnahmen ist damit die Frage verbunden, wie zielführend die Einschränkungen waren. Denn während der Corona-Pandemie verbot die Bundesregierung den Verkauf von Feuerwerk.

Das Bundesinnenministerium begründete dieses Verbot sowohl 2020/21 als auch 2021/22 mit den Worten: "Ziel der Regelung ist es, Verletzungen beim Abbrennen von Feuerwerk in der Silvesternacht zu verhindern, um die aufgrund der Corona-Pandemie ohnehin stark beanspruchten Krankenhäuser und Notfallambulanzen zu entlasten."

Die Argumentation: Wenn kein Feuerwerk gezündet wird, kommen weniger Menschen in die deutschen Krankenhäuser. Der #Faktenfuchs hat Statistiken recherchiert und mit Expertinnen gesprochen, um zu überprüfen: Hat das Böllerverbot wirklich das gebracht, womit es begründet wurde? Kamen an den Jahreswechseln 2020/21 und 2021/22 weniger Menschen mit Feuerwerks-Verletzungen in die Notaufnahmen?

Es gibt keine präzisen Statistiken zur Verletzen-Gesamtzahl

Es klingt zuerst einmal logisch: Weniger Feuerwerk ist gleich weniger Verletzte. Doch eine genaue Antwort auf diese Frage ist derzeit nicht möglich. Das liegt daran, dass es keine aussagekräftigen Statistiken zur Gesamtzahl der Behandlungen von Feuerwerks-Verletzungen in Deutschland gibt. Weder vor Corona, noch jetzt.

Wie viele Menschen damit in die Krankenhäuser kamen und wie viele es in den Jahren mit Einschränkungen waren - dazu sind keine exakten Zahlen zu finden. Deswegen ist nicht zu beziffern, wie stark der Effekt des Verbots war. Es lässt sich zudem nicht sagen, welchen Anteil Feuerwerks-Verletzungen an allen Krankenhausbehandlungen ausmachen. Aber es gibt Indizien, die darauf hindeuten: In den Jahren mit Feuerwerksverbot kamen weniger Pyrotechnik-Verletzte in die Kliniken.

Weniger Augenverletzungen in Jahren mit Feuerwerks-Verbot

Denn es gibt einzelne Statistiken, die diesen Schluss stützen. Die Augenärztin Dr. Ameli Gabel-Pfisterer ist leitende Oberärztin am Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam. Sie ist Initiatorin einer Studie der deutschen Gesellschaft für Augenheilkunde (DOG), welche jedes Jahr Augenverletzungen durch Feuerwerk rund um Silvester erhebt.

Seit dem Jahreswechsel 2016/17 schicken Gabel-Pfisterer und Kollegen von der Universitätsaugenklinik Freiburg Fragebögen an deutsche Kliniken mit einem Augen-Notdienst. Darin tragen die Ärzte an den Kliniken ein, wie viele Augenverletzungen durch Feuerwerkskörper sie in den fünf Tagen rund um Silvester behandelten. Außerdem werden Unfallhergang und Art der Verletzung abgefragt.

Bei der jüngsten Erhebung von 2021/22 machten 77 Kliniken mit. Das seien "86 Prozent aller deutschen Augenkliniken, die sich am augenärztlichen Notdienst beteiligten", schreiben Gabel-Pfisterer und ihre Mit-Autoren. "Wir bilden sicherlich nur einen Teil der Verletzungen ab", sagt Gabel-Pfisterer aber zur Datengrundlage im Gespräch mit dem #Faktenfuchs. Jeder Patient, der nach Silvester einen niedergelassenen Augenarzt aufsuche, gehe zum Beispiel nicht ein in die Statistik.

Laut Gabel-Pfisterer sind die Zahlen aber statistisch belastbar und ein deutlicher Indikator dafür, dass Augenverletzungen in den Jahren ohne Feuerwerk seltener seien. "Und jetzt im siebten Jahr (der Erhebungen, Anm. d. Red.) können wir ja sehr, sehr genau sagen: Was ist in den vier Jahren ohne das Verkaufsverbot passiert? Und was ist in den zwei Jahren mit Verkaufsverbot passiert - und was ist jetzt wieder passiert, wo das Verkaufsverbot wieder weg ist?"

In den Jahren vor der Corona-Pandemie wurden nämlich an jedem teilnehmenden Krankenhaus an Silvester zwischen 8,5 und 10,6 Feuerwerks-Augenverletzungen behandelt. An den beiden Corona-Silvestern fiel diese Fallzahl auf zwischen 1,1 und 2,5 Fälle pro Klinik. Für das vergangene Silvester gebe es auch erste Rückmeldungen, sagt Gabel-Pfisterer. Es deute sich an, dass die Zahlen aus der Vor-Corona-Zeit möglicherweise übertroffen werden: "Also es wird voraussichtlich wieder mehr werden an Verletzungen als in den Vor-Corona-Jahren in Deutschland."

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Die Gesamtanzahl der erhobenen Augenverletzungen. Die Feuerwerkskörper in 2020 und 2021 sind wahrscheinlich Restbestände und importierte Ware.

Mehr Knalltraumata nach diesem Silvester

Eine sehr ähnliche Datenerhebung ist das Projekt von HNO-Ärztin Veronika Flockerzi und ihren Kollegen. Das Team will herausfinden, wie viele feuerwerksbedingte Knalltraumata jedes Jahr an Silvester behandelt werden. Ein Knalltrauma ist eine Schädigung des Innenohrs durch plötzlichen Lärm. Die Methode: Fragebögen werden an viele HNO-Abteilungen von deutschen Kliniken versandt. Die teilnehmenden HNO-Abteilungen melden alle Fälle zurück, die zwischen dem 28. Dezember und 03. Januar behandelt wurden.

Man habe aber erst im vergangenen Jahr damit begonnen, sagt Flockerzi dem #Faktenfuchs. Dementsprechend ist die Aussagekraft noch begrenzt. Eine Erkenntnis gibt es allerdings: Für 2021/22 - mit Feuerwerksverbot - meldeten 37 Kliniken 50 Patienten mit einem solchen Knalltrauma. Die ersten Rückmeldungen für das vergangene Silvester ohne Feuerwerksverbot zeigten aber schon jetzt einen deutlichen Anstieg dieser Zahl, sagt Flockerzi.

Deutsche Krankenhausgesellschaft sieht Trend zu weniger Verletzungen während Corona

Ein weiterer Stein im Mosaik ist eine Datenauswertung der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Die DKG betrachtete alle stationären Behandlungen in deutschen Krankenhäusern. Also alle Patienten und Patientinnen, die so schwer verletzt waren, dass sie ins Krankenhaus aufgenommen und zum Beispiel operiert wurden.

"Alle 'normalen' Verletzungen, Verbrennungen oder ähnliches, die auch durch Feuerwerk entstanden sind, werden in der Notaufnahme verarztet und die Patienten gehen dann wieder nach Hause, fallen also hier überhaupt nicht hinein", sagt DKG-Pressesprecher Joachim Odenbach im Gespräch mit dem #Faktenfuchs. Diese ambulanten Notfälle und die Behandlungen bei den niedergelassenen Ärzten machten den "weit überwiegenden Teil" der Feuerwerks-Verletzten aus, schreibt die DKG. Diese tauchen dann aber eben nicht in der Statistik auf.

An Neujahr wurden weniger Menschen ins Krankenhaus aufgenommen

Die Datenauswertung fasste jeweils einen einzelnen Tag, den Neujahrstag der Jahre 2019, 2020 und 2021 ins Auge. Zwei Jahre mit Feuerwerk, ein Jahr ohne. Um Trends bei den behandelten Feuerwerks-Verletzungen herauszufinden, siebte die DKG die Abrechnungsdaten der deutschen Krankenhäuser aus. In diesen Abrechnungsdaten werden die Diagnosen der behandelten Fälle nach einem bestimmten Muster codiert. Dieses Muster, in dem alle Codes verzeichnet sind, heißt ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) und wird von der Weltgesundheitsorganisation WHO herausgegeben. "Wir haben genau auf einen bestimmten Code geguckt", sagt DKG-Pressesprecher Joachim Odenbach.

Dieser sogenannte ICD-Code lautet W49.9. Unter der Bezeichnung "Unfall durch Exposition gegenüber mechanischen Kräften unbelebter Objekte" sind dort verschiedene Verletzungsursachen aufgeführt. Darunter zum Beispiel Unfall durch Feuerwaffen, Injektionsnadeln, Kesselexplosionen und eben Feuerwerkskörper.

An Neujahr 2019 gab es 96 Fälle bundesweit mit diesem Code, an Neujahr 2020 waren es 111 Fälle, die im Krankenhaus bleiben mussten. Am 01. Januar 2021 verringerte sich die Zahl auf 32. Zum Vergleich: An einem durchschnittlichen Tag im Jahr 2019 (also nicht Silvester) wurden 28 Personen mit dieser Diagnose in ein deutsches Krankenhaus aufgenommen, schreibt die DKG.

DKG: Weniger stationäre Behandlungen deuten auf niedrigere Gesamtzahl

Diese Zahlen dürfe man nicht falsch verwenden, warnt Joachim Odenbach von der DKG. "Es ist keine endgültige Auswertung. Dazu müssten wir ganz andere Datenmengen ansehen." Vereinfacht gesagt taucht der ICD-Code W49.9 nicht bei jedem Menschen in den Abrechnungsdaten auf, der mit solchen Verletzungen in die Kliniken aufgenommen wird. Denn die Ärzte und Ärztinnen entscheiden, welchen Code sie für eine Diagnose wählen. Und zu Verletzungen durch Feuerwerkskörper können durchaus verschiedene Codes passen.

Das bestätigen auch die beiden Fachärztinnen Ameli Gabel-Pfisterer und Veronika Flockerzi. Sie sind regelmäßig im Notdienst tätig, auch an Silvester. Die abgerechneten Diagnoseschlüssel gäben auf keinen Fall die tatsächliche Anzahl wieder, sagt Gabel-Pfisterer. In der Praxis sei nämlich die Art der Verletzung viel wichtiger für die behandelnden Ärztinnen als die Ursache: "Das heißt, bei der Diagnosestellung gebe ich ja ein: Ist das Auge zerplatzt oder hat das eine Netzhautablösung? Das ist das, worauf unsere Kollegen natürlich in erster Linie gucken und nicht: Was ist die Ursache für diese Art der Verletzung?"

Die DKG-Auswertung liefert also kein genaues Bild, dennoch zeige sie einen Trend, sagt Pressesprecher Odenbach. "Sie sind für uns ein Indikator, dass an den Tagen mit Böllerverbot, an denen der Verkauf untersagt war, weniger schwere Verletzungen da waren."

Und weniger schwere Verletzungen deuteten wahrscheinlich auf insgesamt weniger Verletzte durch Feuerwerk, argumentiert die DKG: "Geht die Zahl der stationär aufgenommenen Patientinnen und Patienten um zwei Drittel zurück, zeigt sich in den Notaufnahmen eine ähnliche Entwicklung." Diese Rückmeldungen hätte man auch aus den Krankenhäusern erhalten, sagt Odenbach.

Er weist außerdem darauf hin, dass während der Corona-Einschränkungen neben dem Böllerverbot noch andere Faktoren die Statistik beeinflussten. Kontaktbeschränkungen und damit keine großen Ansammlungen und stattdessen Silvesterfeiern zu Hause im kleinen Kreis, mit weniger Alkohol und anderer Gruppendynamik. "Auch darüber wurden natürlich Verletzungen vermieden, auch möglicherweise Feuerwerks-Verletzungen", sagt Odenbach.

BARMER-Krankenkasse: Weniger Silvesterunfälle während Corona

Eine größere Datenbasis als die DKG nutzte die Barmer für eine Auswertung. Die Krankenkasse betrachtete nicht nur Feuerwerks-Verletzungen, sondern mehrere Arten von "Silvesterunfällen", wie sie es bezeichnete. Neben Böller-Verletzungen zählte die Barmer dazu zum Beispiel Alkoholvergiftungen oder Gehirnerschütterungen. Während es 2019/20 bundesweit rund 6.200 solcher Silvesterunfälle gab, fiel die Zahl in der Corona-Pandemie auf rund 3.800 Fälle in 2020/21.

Wie kommt die Barmer auf diese Zahlen? Grundlage der Berechnung waren die Abrechnungsdaten der Barmer-Versicherten. Zuerst wurden aus diesen Daten alle ambulanten und stationären Notfallbehandlungen in deutschen Krankenhäusern von 29. Dezember bis 02. Januar herausgefiltert. Also Fälle, die so schwerwiegend waren, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten.

Diese Notfallbehandlungen sind in den Abrechnungsdaten über bestimmte Marker herauszufinden. Dazu gehören neben den stationären Fallpauschalen und den ICD-Codes auch die sogenannten EBM-Ziffern. EBM heißt "Einheitlicher Bewertungsmaßstab" und gilt für die Abrechnung ambulant erbrachter Leistungen.

Ursula Marschall sagt im Gespräch mit dem #Faktenfuchs: "Und wenn ein Patient in einem Krankenhaus behandelt wird und da eine entsprechende Abrechnung erfolgt, sehen wir dies auch in den EBM-Ziffern." Marschall ist leitende Ärztin der Barmer und verantwortet die Versorgungsforschung im eigenen Institut der Barmer.

Aus der Gruppe der Notfallbehandlungen wurden dann wiederum die "Silvesterunfälle" herausgesiebt. Dazu blickte die Barmer - ähnlich wie die DKG - auf die ICD-10-Codes der Diagnosen. Bestimmte ICD-Codes wie Gehirnerschütterungen oder Verbrennungen an der Hand wurden als typische Silvesterunfälle klassifiziert.

"Aus medizinischer Sicht gibt es Unfälle, die im Zusammenhang mit oder an Silvester häufiger auftreten. Dazu gehören Augenverletzungen, dazu gehören spezielle Verbrennungen. Dazu gehören aber vor allen Dingen auch Sturzereignisse, zum Beispiel in Zusammenhang mit vermehrtem Alkoholkonsum", sagt Marschall, die selbst mehr als 15 Jahre lang als Notärztin im Rettungsdienst und in der Klinik tätig war. Der von der DKG benutzte ICD-Code W49.9 gehörte nicht dazu. "Das ist eine so unbekannte ICD-Diagnose, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich hier viele Fälle finden werden, eher gering ist", sagt Ursula Marschall.

Auf Basis der Barmer-Daten wurden diese Zahlen dann auf alle gesetzlich Versicherten in Deutschland hochgerechnet. Insgesamt gab es laut Barmer im Jahr ohne Feuerwerk also weniger Behandlungen im Krankenhaus, welche die Krankenkasse als Silvesterunfälle einordnet. Zur Erinnerung: Damit sind nicht nur Feuerwerks-Verletzungen gemeint, sondern zum Beispiel auch Gehirnerschütterungen, Alkoholvergiftungen oder Verbrennungen.

Barmer: Gesamtanzahl der Notfälle sank während Corona ab

Auch die Gesamtzahl der behandelten Notfallpatienten - sowohl stationär als auch ambulant - sank in den beiden Corona-Jahren deutlich. Das rechnete die Barmer in einer anderen Auswertung zu allen gesetzlich Krankenversicherten aus. 2018/19 waren es insgesamt 184.000 Behandlungen, 2019/20 insgesamt 157.000 Behandlungen an Silvester und Neujahr. 2020/21 und 2021/22 sank diese Zahl an den beiden Tagen auf 111.000 bzw. 127.000.

Beim Vergleich mit zwei aufeinanderfolgenden Tagen im Oktober sah die Barmer keine solchen Unterschiede zwischen den einzelnen Jahren. Die Ursachen, sagt Marschall: "Zum einen der Lockdown, die Kontaktbeschränkungen, aber zum anderen sicherlich auch das im letzten Jahr ausgesprochene Verbot von Feuerwerk."

Die Barmer-Auswertungen erlauben aber keine Aussage zur Anzahl, besonders von Verletzungen durch Feuerwerkskörpern. Das gebe die Statistik nicht her, sagt Marschall. Denn es sei schwierig, aus den Abrechnungsdaten eine Kausalität zwischen einem gezündeten Feuerwerk und der behandelten Verletzung zu schlussfolgern. Was genau die behandelte Verletzung verursacht hat, das werde in den ICD-Codes der Abrechnungen nicht eins zu eins abgebildet.

Man müsse sich deswegen bei den Abrechnungsdaten bewusst sein, sagt Marschall: "Das ist nie 100 Prozent Versorgungsrealität." Aus diesem Grund habe man auch den prozentualen Anteil der Feuerwerks-Verletzungen an den so klassifizierten Silvesterunfällen nicht ausgewiesen.

Zusammenfassend könne man das so interpretieren, sagt Marschall: Die Gesamtanzahl der Notfallbehandlungen und der speziellen Silvesterunfälle in Deutschland sank an den beiden Corona-Silvestern mit Feuerwerksverbot und anderen Einschränkungen - und damit wahrscheinlich auch die Anzahl der Feuerwerks-Verletzungen. Was die Auswertung der Abrechnungsdaten nicht hergebe: Die genaue Anzahl von behandelten Feuerwerks-Verletzungen, den relativen Anteil von Feuerwerks-Verletzungen an allen Silvesterunfällen und den relativen Anteil der Feuerwerks-Verletzungen an allen Notfallbehandlungen in diesem Zeitraum.

An die genaue Anzahl der Behandlungen wegen Feuerwerk käme man nur über ein eigenes Register, meint Marschall. In dieses müssten die Krankenhäuser dann die gewünschten Daten eingeben. "Hier muss man sich aber die Frage der Relevanz stellen", sagt sie. Wer zahlt den Aufwand und wäre die entstehende Bürokratie das Ganze wert, fragt Marschall.

Keine Daten zum prozentualen Anteil von Feuerwerks-Verletzungen

Was bei all diesen Statistiken also stets offen bleibt ist das Verhältnis: Wie hoch ist der prozentuale Anteil von Feuerverwerks-Verletzungen an Silvester? Sind von allen Personen in der Notaufnahme fünf, zehn oder 50 Prozent wegen eines Feuerwerk-Unfalls gekommen? Diese Frage, die die Belastung der Kliniken durch Feuerwerk einordnen würde, ist derzeit nicht zu beantworten.

Dennoch taucht eine Zahl in der Diskussion immer wieder auf, die sehr konkret zu sein scheint. Das Unternehmen Vivantes ist ein Krankenhauskonzern des Landes Berlin und betreibt dort neun Kliniken. Vivantes wertete nach eigenen Aussagen die Daten zum Jahreswechsel 2018/19 aus.

In diesem Zeitraum seien fünf Prozent aller Behandlungen in den Vivantes-Kliniken Feuerwerks-Verletzungen gewesen, schrieb Vivantes auf seiner Webseite. Der Beitrag wurde nach einer #Faktenfuchs-Anfrage verändert, die Stelle mit den fünf Prozent verschwand daraus. Die ursprüngliche Version ist aber noch über Internet-Archive aufzufinden. Auf Anfrage antwortete das Unternehmen lediglich, dass es sich um eine interne Auswertung gehandelt habe und bestätigte den Zeitraum der Erhebung. Vivantes äußerte sich nicht weiter dazu.

Umfragen: Circa 10 Prozent gaben an, sich einmal verletzt zu haben

Das Feuerwerk-Unternehmen Röder wiederum gab eine Umfrage beim Meinungsforschungsinstitut Forsa in Auftrag, bei der relative Zahlen ermittelt wurden. Bei dieser nahmen über 1.000 Personen teil, sagt Röder-Pressesprecher Markus Strasser dem #Faktenfuchs. Davon gaben 10 Prozent an, sich schon einmal durch einen Feuerwerkskörper verletzt zu haben.

Dieses Ergebnis decke sich mit einer anderen Umfrage, die Röder selbst durchgeführt hatte, sagt Strasser. Dabei wurden laut eigenen Angaben 1.800 Kunden des Unternehmens befragt. Dabei gaben 8,7 Prozent der Befragten an, dass sie sich schon mindestens einmal durch Feuerwerk verletzt hatten. Allerdings mit einer zeitlichen Einordnung, nämlich in den letzten zehn Jahren. Die Befragten hätten angegeben, dass von diesen Verletzungen 3,3 Prozent im Krankenhaus behandelt worden seien, schreibt das Unternehmen auf seiner Webseite.

Fazit

In den Jahren während der Corona-Pandemie war der Verkauf von Feuerwerk verboten. Die verfügbaren Statistiken deuten darauf hin, dass an diesen beiden Silvestern weniger Personen mit Feuerwerks-Verletzungen in deutschen Krankenhäusern behandelt wurden.

Es gibt zwar einzelne Statistiken, zum Beispiel zu bestimmten Verletzungen oder dem gesamten Geschehen in den Krankenhäusern. Über die Gesamtanzahl der Feuerwerks-Verletzungen in den betrachteten Jahren lässt sich aber keine präzise Aussage treffen.

Somit ist unklar, wie stark der Effekt des Verbots genau war. Wie groß der prozentuale Anteil von Feuerwerks-Verletzungen an allen Behandlungen an Silvester ist, dazu lässt sich ebenfalls nichts sagen. Es fehlen Statistiken.

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