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Entsetzen über Mädchengewalt: 13-Jährige gequält und gefilmt

Ein weiterer Fall von brutaler Mädchengewalt sorgt in Deutschland für Bestürzung: Eine Gruppe hat eine 13-Jährige in Heide in Schleswig-Holstein drangsaliert und die Tat gefilmt. Die Polizei ermittelt, Politiker sehen Handlungsbedarf.

Das fast drei Minuten lange Video zeigt offenbar nur einen Teil der Tat. Der Angriff in der Nähe des Heider Bahnhofs im Kreis Dithmarschen soll nach Medienberichten noch länger gedauert haben. Mehrere Mädchen im Alter von zwölf bis 17 Jahren haben die 13-Jährige gedemütigt und regelrecht gequält. Zu sehen ist, wie die Mädchengruppe ihr Opfer auf die Knie zwingt.

Die Angreiferinnen schlagen das wehrlose Mädchen, schütten ihm Cola über die Haare, drücken eine Zigarette in seinem Gesicht aus. Es gibt auch Brandspuren im Haar. Wenn Passanten vorbeikommen, tun sie so, als würden sie sich um das weinende Mädchen kümmern und ihm helfen wollen. Dann machen die Angreiferinnen weiter.

Das Video der Tat verbreitete sich rasch im Internet. Die Polizei hat dazu aufgerufen, es nicht weiter zu verbreiten.

Es gibt mehrere Haupt-Täterinnen. Alle, die mitgemacht haben, sind der Polizei bekannt, sagte Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack: "Bis jetzt haben wir die Information, dass wir es mit drei Täterinnen zu tun haben, wovon zwei strafunmündig nach dem jetzigen Recht sind. Die sind also unter 14, und eine ist über 14." Das werde dann ein Jugendgerichtsverfahren werden für die über 14-Jährige. Ob das dann mit einer Jugendstrafe, mit einer Haftstrafe, endet, das werde das Gericht zu entscheiden haben.

Mädchen seit Überfall in ärztlicher Behandlung

Das Opfer selbst konnte schließlich nach mehreren vergeblichen Versuchen fliehen, auch weil ein Passant die Notlage erkannte, es befreite und nach Hause brachte. Das Mädchen ist seitdem in ärztlicher Behandlung.

Was die Täterinnen dazu gebracht hat, so brutal zu agieren, das herauszufinden, ist jetzt Aufgabe der Polizei. Die Sprecherin der Polizei Itzehoe verweist darauf, dass das Mädchen schon ein paar Tage vor der Tat von seinen Peinigerinnen belästigt wurde: "Es hat wohl im Vorfeld Konflikte gegeben, und da sind denn wohl gruppendynamische Prozesse in Gang geraten, dass jeder sich jetzt an diesem Mädchen gerächt oder ausagiert hat. Und in der Masse ist das natürlich sehr, sehr erschütternd."

Kinderschutzzentrum: "Wie sind diese Kinder und Jugendlichen groß geworden?"

Zwei der Hauptverdächtigen besuchen in Heide ein Förderzentrum. Moritz Stahl vom Kinderschutzzentrum Segeberg kennt den aktuellen Fall nicht im Detail, weiß aber generell, was solchen Taten oft zugrunde liegt: "Nicht nur die Gruppendynamik ist was ganz Entscheidendes, sondern auch, wie sind diese Kinder und Jugendlichen groß geworden? Und was ist sozusagen auch in deren Vergangenheit unter Umständen passiert, was dazu geführt hat, dass sie sich in dieser Situation auf diese Art und Weise verhalten mussten."

Die Stadt Heide hatte schon in der Vergangenheit mehrfach mit gewalttätigen Jugendlichen zu tun. Eine Zeit lang waren deshalb in der Innenstadt Videokameras installiert, danach hatte sich die Lage etwas beruhigt. Nun aber sieht Heides Bürgermeister Oliver Schmidt-Gutzat akuten Handlungsbedarf: "Wir stellen ja demnächst noch den Streetworker an, und wir werden uns auch genau angucken, wie wir die Schulsozialarbeit- Stellen erhöhen können." Zudem müsse das Jugendzentrum mit dem Streetworker und der Polizei vernetzt werden. "Und ich denke mal, dass wir dann die Situation alle zusammen noch einmal besser in den Griff kriegen", sagt der Bürgermeister.

Täterinnen zum Teil selbst noch Kinder

Wieder fällt auf, wie im Fall der ermordeten Luise aus Freudenberg in Nordrhein-Westfalen: Die Täterinnen selbst sind zum Teil noch Kinder. Auch deshalb steht die Frage im Raum, ob das Jugendstrafrecht angepasst werden muss. Dazu sagt Schleswig-Holsteins Innenministerin Sütterlin-Waack: "Das gucken wir uns jetzt mal ganz genau an. Und ich habe auch schon mit meiner Kollegin, der Justizministerin, gesprochen. Und wir wollen jetzt nicht hier sofort einen Schnellschuss machen. Aber das müssen wir dann natürlich über den Bund machen, weil das eine Frage des Strafrechts ist."

Bundesjustizminister Buschmann hatte sich dazu schon nach dem Fall Luise geäußert. Buschmann meint, es gebe bereits ausreichend rechtliche Mittel, um auch auf schwere Gewalttaten von Kindern unter 14 Jahren zu reagieren, zum Beispiel die geschlossene Unterbringung in Heimen oder in der Psychiatrie.

Dieses Thema war im Programm bei NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 22.03.2023 | 08:00 Uhr

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