Finanzminister Christian Lindner (r.), Bundeskanzler Olaf Scholz (M.) und Wirtschaftsminister Robert Habeck verlassen die Pulte nach einem Pressestatement
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Finanzminister Christian Lindner (r.), Bundeskanzler Olaf Scholz (M.) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Archivbild)

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Aus für Energiepreisbremsen? Lindners Aussage schlägt Wellen

Aus der SPD kommt Widerstand gegen Lindners Pläne, die Preisbremsen für Strom- und Gas angesichts der Haushaltskrise zum Jahresende auslaufen zu lassen. Das sei nur Lindners "Meinung", heißt es vom Generalsekretär. Andere begrüßen die Aussage.

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Erst die Verlängerung, dann Unsicherheit, am Freitag schließlich Finanzminister Christian Lindners (FDP) Ankündigung, die Strom- und Gaspreisbremsen zum Jahresende auslaufen lassen zu wollen. Die Wellen schlagen seither hoch - auch im politischen Berlin. Das Thema birgt Konfliktpotenzial für die Regierungskoalition. Hintergrund ist die aktuelle Haushaltskrise, nachdem das Bundesverfassungsgericht ein folgenschweres Urteil zur Umwidmung von Geldern gefällt hat.

SPD-Generalsekretär Kühnert: "Kein Beschluss der Koalition"

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte der "Kölnischen Rundschau", er habe Lindners Ankündigung "mit Erstaunen zur Kenntnis genommen". "Das mag seine Meinung sein - ein Beschluss der Koalition ist es nicht." Ob es 2024 noch Energiepreisbremsen gebe, müsse politisch verhandelt werden. "Die SPD hält das für geboten."

So äußerten sich auch die Vizevorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Miersch und Verena Hubertz. Der Finanzminister müsse bezüglich der Energiepreisbremsen "Rechtssicherheit für 2024 schaffen". Mit den Preisbremsen "geben wir Millionen Haushalten und Unternehmen Sicherheit vor überbordenden Energiepreisen".

Grünen-Chefin Lang: "Noch keine Einigung in dieser Frage"

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sah in der ursprünglich beschlossenen Verlängerung der Energiepreisbremsen eine Vorsorgemaßnahme für den Fall erneut steigender Preise. Angesichts des absehbaren Sparzwangs steht dies aber auch bei den Grünen nicht mehr ganz oben auf der Prioritätenliste. Derzeit seien die Preise ohnehin moderater, hieß es am Samstag beim Parteitag in Karlsruhe.

Die Bundestagsfraktionsvorsitzende der Grünen, Britta Haßelmann, erklärte aber auch mit Blick auf eine Verlängerung: "Wann, wenn nicht in einer Heizperiode, ist ein solches Anliegen gerechtfertigt." Die Bürger bräuchten Verlässlichkeit. Grünen-Chefin Ricarda Lang sieht ebenfalls noch keine Einigung der Regierung in dieser Frage. Wie ab 2024 weiter finanziert werde, "ist natürlich noch in Gesprächen innerhalb der Regierung", sagte sie RTL und ntv.

Finanzminister Lindner wiederum sagte, der WSF stehe nicht mehr zur Verfügung. Angesichts fehlender Milliarden durch das Urteil erklärte er im Deutschlandfunk: "Es ist nicht davon auszugehen, dass wir Anfang des nächsten Jahres eine Notlage beim Strom, Gas und der ökonomischen Tragfähigkeit haben."

Bürger sollten mit hohen Preisen nicht überfordert werden

Die Preisbremsen waren im März dieses Jahres eingeführt worden und galten rückwirkend auch für Januar und Februar. Sie sollten die Verbraucher davor bewahren, infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine durch explodierende Energiepreise finanziell überfordert zu werden. Aufgrund der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse kann der Bund für die Finanzierung der Bremsen aber nicht unendlich viele Schulden aufnehmen.

Es gibt auch Unterstützung für Lindners Aussage ...

Der Verband kommunaler Unternehmen, zu denen auch die Stadtwerke gehören, begrüßte die Entscheidung zum baldigen Ende der Energiepreisbremsen hingegen. Das sei "gut und schafft die notwendige Klarheit", erklärte Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. Es sei nach dem Karlsruher Urteil konsequent und entspreche der geltenden Rechtslage.

Auch der Wirtschaftswissenschaftler Manuel Frondel bewertet das Aus positiv. Das Geld stehe dann für "eventuell bessere Zwecke zur Verfügung", sagte der Leiter des Kompetenzbereiches "Umwelt und Ressourcen" am "RWI - Leibniz Institut für Wirtschafts-Forschung" der "Rheinischen Post". Zudem sei es einkommensschwachen Haushalten kaum zu vermitteln gewesen, "dass von den Preisbremsen alle Haushalte, auch die wohlhabenden, begünstigt wurden - und wegen ihres in der Regel höheren Energieverbrauchs auch noch in stärkerem Maße als die einkommensschwächeren Haushalte".

... aber auch viel Kritik

"Die Preisbremsen vor dem Winter auslaufen zu lassen, wird für zusätzliche Verunsicherung sorgen", kritisierte dagegen Yasmin Fahimi, die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

Ähnlich äußerte sich CSU-Chef Markus Söder. Er warf der Regierung Planlosigkeit vor. So machte die Union im Bundestag die Ampel-Koalition und ihre von Karlsruhe beanstandete Haushaltspolitik für das vorzeitige Auslaufen der Gas- und Strompreisbremsen verantwortlich. "Dieser selbstverursachte Rechtsverstoß muss jetzt geheilt werden. Das Auslaufen der Energiepreisbremse ist leider das unschöne Ergebnis dieses Urteils", sagte der Chefhaushälter der Unionsfraktion, Christian Haase (CDU), der Nachrichtenagentur dpa.

Vergleichsportal erwartet geringe Mehrkosten

Nach Berechnungen von Tarif-Vergleichsportalen müssen Haushalte nach dem Auslaufen der Preisbremsen mit vergleichsweise geringen Mehrkosten rechnen. Aufs Jahr gerechnet kommen auf einen Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden beim Gas 26 Euro (1,1 Prozent) mehr zu, beim Strom ein Euro, wie das Portal Verivox berechnet hat. Wer noch einen Tarif der Grundversorgung hat, müsse 82 Euro beziehungsweise fünf Euro mehr aufbringen. Denn inzwischen hat sich der Energiemarkt nach Einschätzung der dortigen Experten erholt. Viele Versorger senkten zum neuen Jahr ihre Preise. Zugleich erinnerte das Vergleichsportal Check24 daran, dass die Mehrwertsteuer auf Gas und Wärme im März nach zwei Jahren wieder auf die volle Höhe steigen wird, wodurch wiederum Mehrausgaben entstünden.

Die Verbraucherzentrale argumentiert jedoch, dass viele Menschen Anfang 2023 teure Gasverträge abgeschlossen hätten - im Vertrauen auf die Bundesregierung, dass die Preisbremsen aufrechterhalten würden. "Diese Menschen bleiben dann jetzt vermutlich auf den hohen Gaslieferkosten sitzen", sagte Ramona Pop vom Bundesverband.

Mit Informationen von AFP, dpa und epd

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