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Facebook-Urteil

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Darf eine Mutter Facebook-Nachrichten ihrer toten Tochter lesen?

Muss Facebook Angehörigen das Konto von verstorbenen Mitgliedern freigeben? Der Bundesgerichtshof könnte zu dieser Frage heute ein wegweisendes Urteil fällen. Von Christian Schiffer

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio.

Es geht um einen tragischen Fall: 2012 war eine 15-jährige von einer U-Bahn überfahren worden. Ob es sich hierbei um einen Suizid gehandelt hat, ist bis heute ungeklärt. Die Mutter erhofft sich aus den Nachrichten, die ihre Tochter auf Facebook schrieb, Aufschluss über die Todesursache. Allerdings kann sie auf diese nicht zugreifen, da das Profil ihrer Tochter in den sogenannten „Gedenkzustand“ versetzt wurde.

Mutter hat Passwort

In den Gedenkzustand wird ein Facebook-Profil dann versetzt, wenn das Unternehmen Kenntnis über den Tod eines Mitglieds erlangt; im Fall der 15-jährigen hatten Freunde dem Netzwerk mitgeteilt, dass das Mädchen verstorben war. Im Gedenkzustand kann niemand mehr auf die Nachrichten zugreifen, auch die Mutter nicht, die im Besitz des Passworts ihrer verstorbenen Tochter ist.

Facebook beruft sich auf Datenschutz

Facebook sah sich an den Datenschutz gebunden und wollte die Chatverläufe nicht an die Mutter herausgeben. Vor dem Berliner Landesgericht bekam die Mutter recht, die Richter gingen davon aus, dass die Mutter die Facebook-Mitgliedschaft ihrer Tochter automatisch geerbt hätte - und somit auch ihre Nachrichten. Das Berliner Kammergericht kassierte das Urteil allerdings wieder, und so liegt die Entscheidung nun beim Bundesgerichtshof. 

Gericht: Chats unterliegen dem Fernmeldegeheimnis

Letztlich geht es um die Frage, ob Facebook-Chatnachrichten unter das Fernmeldegeheimnis fallen. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2006 entschieden, dass E-Mails, anders als zum Beispiel Briefe, unter das Fernmeldegeheimnis fallen, sofern sie nicht auf dem eigenen Rechner gespeichert sind, sondern beim E-Mail-Anbieter liegen. Daraus folge wiederum, dass die Kommunikation der Teilnehmer streng geschützt ist und nicht herausgegeben werden darf. Das Berliner Kammergericht betrachtete Facebook-Chat-Nachrichten analog zu E-Mails und betonte, dass man sich der Tragik des Falles bewusst sei, die Rechtssprechung aber kein anderes Urteil zulasse.

Möglicherweise wird die Politik aktiv

Briefe und auch Tagebücher Verstorbener dürfen Erben einsehen, auf Chats trifft dies nicht zu. Allerdings gibt es durchaus Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Kommunikations-Medien: Tagebücher enthalten nicht die Kommunikation mit Dritten, Briefe werden in der Regel nur zum Teil aufbewahrt, eine Chat-Kommunikation wird deswegen eher mit einem Telefonat verglichen. Beobachter rechnen damit, dass sich der Bundesgerichtshof dieser Sichtweise anschließen wird. In diesem Fall könnte dann der Gesetzgeber auf den Plan treten, um die Ansprüche der Erben in vergleichbaren Fällen zu stärken.