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Taufszene als Detail in der Kirche "Unser lieben Frauen auf dem Berge" von Penig

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Darf die Kirche von Arbeitnehmern einen Taufschein verlangen?

Vor rund sechs Jahren hatte sich eine konfessionslose Berlinerin beim Diakonischen Werk beworben. Die Einrichtung lehnte die Bewerberin ab, weil sie keiner Kirche angehörte. Der Fall liegt nun dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg vor.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Braucht es einen Taufschein, um bei der Kirche arbeiten zu dürfen? Das ist eine Frage, die in jüngster Zeit immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten geführt hat. Die Kirchen beantworten diese Frage prinzipiell mit Ja: Der evangelische Kirchenrechtler Hans-Michael Heinig verweist auf die Loyalitätspflicht, die Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber haben.  

"Die evangelische Kirche kennt gesamtkirchlich eine Loyalitätsrichtlinie und nach der wird grundsätzlich die Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche vorausgesetzt, wenn man für diese arbeiten will …. man kann eben nicht für die evangelische Kirche arbeiten und zugleich in einem harten Sinn atheistisch und agitatorisch Propaganda betreiben." Hans-Michael Heinig, Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche

Glaube als Grundvoraussetzung?

Das Argument der Kirche: Für Seelsorge oder Verkündigung ist der Glaube eine Grundvoraussetzung. Deshalb kann nur jemand beschäftigt werden, der auch einer christlichen Glaubensgemeinschaft angehört. Das gilt in Grundzügen sowohl für evangelische als auch katholische Kirche. Trotzdem gibt es Abstufungen und Ausnahmen. Seit 2017 enthält die Loyalitätsrichtlinie der Evangelischen Kirche in Deutschland Ausnahmeregelungen für Nicht-Christen. Auch Nicht-Getaufte können in Ausnahmefällen inzwischen in der evangelischen Kirche arbeiten.

"Für Aufgaben, die nicht Leitung, Seelsorge, Verkündigung betreffen, da können auch alle anderen Personen, die keiner Religion angehören, mitarbeiten, soweit dieses der Größe der Dienststelle, der Einrichtung, der Mitarbeiterstruktur, der Aufgabe gerecht wird und vertretbar ist. Da geht es insbesondere darum, dass das evangelische Profil der Einrichtung bewahrt bleibt. Man hat da Sorge, dass man ein evangelisches Krankenhaus hat, aber weit und breit kein evangelischer Mitarbeiter mehr anzutreffen ist." Hans-Michael Heinig, Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche

Prinzipiell sind das allerdings Ausnahmen, die im Ermessen der jeweiligen Einrichtung liegen, sagt Heinig. Die muss entscheiden, ob die Einstellung einer nicht-evangelischen Person aus ihrer Sicht vertretbar ist. Kathrin Weidenfelder von ver.di Bayern sieht das kritisch. Die Gewerkschaft kritisiert schon lange den kirchlichen Sonderweg im Arbeitsrecht.

"In den meisten Betrieben, seien es Krankenhäuser, seien es irgendwelche Kitas, in Sozialstationen und was nicht alles von Kirchen betrieben wird, da geht es nicht mehr um die Frage der Loyalität oder der besonderen Verkündigung, sondern da geht es um die Frage, wie bekomme ich gute Fachkräfte und gute Fachkräfte zeichnet nicht zuallererst ihr Taufschein aus, sondern ihre Fähigkeit und das haben Kirchen mittlerweile, die Kirchen die ihre Betriebe wie Wirtschaftsbetriebe führen, auch erkannt." Kathrin Weidenfelder, ver.di Bayern

Entscheidung mit weitreichenden Folgen

Auch im aktuellen Fall hält Kathrin Weidenfelder die Kirchenzugehörigkeit als Kriterium für eine Einstellung für nicht zeitgemäß. Ihrer Meinung nach spielt die Konfessions- oder Religionszugehörigkeit bei der Stelle in einem Anti-Rassismus-Projekt eine untergeordnete Rolle.

"Wenn es auch um die Entscheidung vom EuGH geht, ist das aus meiner Sicht aus keinster Weise mehr zeitgemäß. Denn da ging es ja um eine Studie zum Rassismus, in der das erforscht werden sollte, wo es nicht um eine Nähe zur Religion geht, die ein gewisses Wissen voraussetzt. Die Frage ist ja immer, ob der Taufschein dann am Ende eine Bescheinigung ist, die absichert, dass der besonders loyal ist." Kathrin Weidenfelder von ver.di Bayern

Die Richter am Europäischen Gerichtshof müssen nun entscheiden: Wiegt das Recht der Kirche auf Selbstbestimmung mehr, oder stellt die Tatsache, dass die Klägerin aufgrund ihrer Konfessionslosigkeit vom kirchlichen Arbeitgeber nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, eine Diskriminierung dar.

"Also im Kern dreht sich der Rechtstreit um den Konflikt zwischen kirchlicher Selbstbestimmung und Regelung der Antidiskriminierung. Gerade im EU-Kontext ist es wichtig, dass aufgrund der Vielfalt jeder gleichen Zugang zum Arbeitsmarkt hat und niemand dort diskriminiert wird. Zugleich gibt es Differenzierungen, die legitim sind und hier geht es nun im Kern darum, ob die Religionsfreiheit und die kirchliche Autonomie hinreichend rechtfertigen, dass hier eine Ungleichbehandlung zwischen Kirchen und anderen Personen vorgenommen wird." Hans-Michael Heinig, Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche

Es ist eine Entscheidung, die Auswirkungen haben wird – denn immerhin gehören Diakonie und Caritas zu den größten Arbeitgebern in Deutschland.