Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Archivbild
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Teil-Impfpflicht: Scholz verweist Söder auf Recht und Gesetz

Im Streit um die Corona-Impfpflicht im Gesundheitswesen bekommt Ministerpräsident Söder Gegenwind vom Bundeskanzler. Im deutschen Rechtssystem würde man sich an Gesetze halten, so Scholz. Ein Grüner findet die Ankündigung Söders gar "ungeheuerlich".

Der Streit zwischen den Bundesländern und dem Bund hat sich verschärft, seit am Montag Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angekündigt hatte, die Umsetzung der Corona-Impfpflicht im Gesundheitswesen zunächst auszusetzen.

Bundeskanzler Scholz (SPD): Gesetze einhalten

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellte sich in der Auseinandersetzung um die Impfpflicht für Pflegekräfte gegen den bayerischen Ministerpräsidenten. "Wir gehen davon aus, dass Gesetze eingehalten werden. Das ist einer der Vorzüge des deutschen Rechtssystems", ließ Scholz den stellvertretenden Regierungssprecher Wolfgang Büchner nun in Berlin erklären.

Es gebe eine gültige gesetzliche Regelung, die vom Bundestag und Bundesrat beschlossen worden sei und die zum 16. März wirksam werde, sagte Büchner weiter. Zu diesem Stichtag müssen Beschäftigte unter anderem in Pflegeheimen, Kliniken und Behinderteneinrichtungen nachweisen, dass sie vollständig gegen das Coronavirus geimpft sind. Es seien im Übrigen die Länder gewesen, die den Bund gebeten hätten, eine einrichtungsbezogene Impfpflicht umzusetzen, um besonders gefährdete Menschen in Einrichtungen und Krankenhäusern besser zu schützen, erklärte Büchner.

Gesundheitsexperte Dahmen (Grüne): "Ungeheuerlicher Vorgang"

Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Janosch Dahmen, kritisierte die Ankündigung Söders als "ungeheuerlichen Vorgang". Das sei so, als dürfe man in Bayern neuerdings bei Rot über die Ampel fahren, sagte Dahmen dem Evangelischen Pressedienst.

Im Kern stelle Söder in Frage, ob der Staat per Gesetz beschlossene Regeln durchsetzen müsse oder nicht. Das gehe weit über das Thema Pandemie und die Akzeptanz von Corona-Regeln hinaus, warnte Dahmen: "Da wird die Axt angelegt an Grundfesten unseres Rechtsstaates und an demokratische Prinzipien."

Auch Staatsrechtler und die deutsche Krankenhausgesellschaft kritisierten die Ankündigung einer Aussetzung. Nach der Ankündigung Söders, "großzügigste Übergangsregelungen" zu schaffen, die "de facto zunächst einmal auf ein Aussetzen des Vollzugs" hinauslaufen würden, sagte Staatsrechtler Joachim Wieland der "Welt": "Ein solches Handeln wäre verfassungswidrig."

Gerald Gaß, der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, sagte  im Interview mit der Bayern 2 radioWelt: "Die Länder hätten sich ohne öffentlichen Streit hinter den Kulissen auf die Umsetzung der Impfflicht einigen sollen." Ein Ausscheren wäre "ein unguter Wettbewerb des Föderalismus, weil juristisch muss man am Ende in ganz Deutschland für eine Gleichbehandlung sorgen". Gaß kann sich nicht vorstellen, dass derartige "Regelungen vor Arbeitsgerichten Bestand hätten". 

Nachbesserungen des Gesetzes möglich

Mit Blick auf das nächste Spitzentreffen von Bund und Ländern zur Corona-Politik in der kommenden Woche sagte Grünen-Politiker Janosch Dahmen, wenn aus den Ländern konkrete Vorschläge kämen, wie man das Gesetz nachbessern könne, könne man darüber reden. Es könne aber nicht darum gehen, das Gesetz außer Kraft zu setzen oder die mögliche Einführung einer allgemeinen Impfpflicht abzuwarten.

Die Impfpflicht für das Pflege- und Gesundheitspersonal diene dem Schutz von Menschen, die durch eine Covid-19-Erkrankung besonders gefährdet sind. Eine allgemeine Corona-Impfpflicht sei hingegen ein Weg, um besser durch die Pandemie zu kommen, erläuterte Dahmen, der zu den Initiatoren eines Antrags für eine Impfpflicht ab 18 Jahren gehört.

  • Aktuelle Zahlen zur Corona-Impfung in Bayern und Deutschland

Dahmen: Impfung mindert Ansteckungsrisiko - auch bei Omikron

Dahmen, der selbst Arzt ist, betonte, eine Impfung mindere nachweislich das Ansteckungsrisiko auch mit der Omikron-Variante des Coronavirus' und mildere die Krankheitsverläufe. Sie sei ein zusätzlicher Schutz. "Um den geht es. Es wird ja behauptet, dass es diesen Schutz mit Omikron nicht mehr gäbe", sagte Dahmen zu Söders Äußerung, die einrichtungsbezogene Impfpflicht sei kein wirksames Mittel mehr, um die Omikron-Welle zu dämpfen oder zu stoppen. "Das stimmt einfach nicht."

Söder: Bayern werde Vollzug der Teil-Impfpflicht vorerst aussetzen

Söder hatte am Montag erklärt, er werde den Vollzug der Impfpflicht für das Personal in Pflegeheimen und Kliniken zunächst aussetzen. Er hält sie derzeit nicht für umsetzbar. Das Gesetz steht seit Wochen in der Kritik, weil viele Fragen der Umsetzung noch offen sind. Zuletzt plädierte der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) dafür, die Impfpflicht bundesweit auszusetzen. Er forderte die Bundesregierung auf, Klarheit zu schaffen, wie sie umgesetzt werden solle, damit nicht in jedem Bundesland andere Übergangsfristen und Regelungen gelten.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) beklagte im WDR, die Länder würden bei der Umsetzung im Stich gelassen. Es müsse genauer definiert werden, für wen die Impfpflicht gelten solle - etwa auch für Zulieferer von Heimen und Einrichtungen. NRW werde das Gesetz umsetzen, bekräftige Laumann. Bis es vor Ort greife, werde es aber wohl Sommer.

Offene Fragen zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte Söders Vorstoß scharf kritisiert und den Ländern Hilfe für eine möglichst einheitliche Umsetzung zugesagt. Wie diese aussehen soll, ist weiter offen. Im Gesetz sei aber kein Ermessensspielraum für die Länder vorgesehen, das Gesetz nicht umzusetzen, erklärte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums.

Zugleich verwies er auf den Ermessensspielraum der Gesundheitsämter, denen von Mitte März an die nicht geimpften Beschäftigten gemeldet werden sollen. Ob und wie diese weiterbeschäftigt werden könnten, müsse dann im Einzelfall von den Einrichtungen entschieden werden. Was sich daraus etwa für die Frage von Lohnfortzahlungen oder möglichen Kündigungen ergibt, werde wiederum im Einzelfall von Gerichten geprüft, erklärte eine Sprecherin des Arbeitsministeriums.

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