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Polizei im Gerichtssaal während des Verfahrens gegen Salah Abdeslam

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Brüssel: Urteil gegen Salah Abdeslam erwartet

Heute geht der erste Prozess gegen den mutmaßlichen IS-Terroristen Abdeslam zu Ende. Er gilt als Schlüsselfigur der Anschläge von Paris und Brüssel. Verantworten musste er sich zunächst für ein Feuergefecht mit der Polizei im März 2016. Von H. Romann

Der ursprünglich auf vier Verhandlungstage angelegte Prozess kreiste im Wesentlichen um eine Schießerei, die sich Abdeslam mit belgischen Polizisten geliefert haben soll – vier Monate nach den Attentaten von Paris und eine Woche vor dem Brüsseler Doppelanschlag.

Schießerei mit der Polizei

Als der mutmaßliche Islamist bei einer Hausdurchsuchung in der Stadtgemeinde Forest mehr oder weniger zufällig aufgespürt wurde, eröffneten er und ein Mitangeklagter aus Maschinengewehren das Feuer. Drei Beamte wurden verletzt. Abdeslam und sein Begleiter konnten zunächst entkommen. Drei Tage später wurden sie im Problemviertel Molenbeek gefasst.

Die spektakuläre Verhaftung, die Premier Charles Michel dem erleichterten Publikum kurz darauf verkünden konnte, sorgte für eine trügerische Ruhe. Schon vier Tage später schlugen Abdeslams Komplizen am Flughafen Zaventem und an der Metrostation Maelbeek zu. 32 Menschen starben, über 300 wurden verletzt.

Diese Taten aufzuklären, bleibe jedoch einem späteren Verfahren vorbehalten, betonte Gerichtspräsident Luc Hennart zu Beginn des Prozesses:

"Die Fakten, auf die wir Antworten finden müssen, betreffen die Schießerei in der Rue du Dries, im Brüsseler Stadtteil Forest. Nur darum geht es. Nicht um die Attentate von Paris, und auch nicht um die von Brüssel." Luc Hennart, Brüsseler Gerichtspräsident

Im Falle eines Schuldspruchs drohen 20 Jahre Haft

In seinem Plädoyer wertete der Staatsanwalt die Schüsse als versuchten Polizistenmord in einem terroristischen Zusammenhang. Deswegen und wegen unerlaubten Waffenbesitzes hat er für Abdeslam eine 20-jährige Freiheitsstrafe gefordert. Der Verteidiger des Islamisten, der belgische Staranwalt Mary, plädierte dagegen auf Freispruch wegen angeblicher Verfahrensfehler. Außerdem versuchte er darzulegen, dass die Schießerei keinen terroristischen Hintergrund gehabt habe und sein Mandant nicht den Finger am Abzug.

Vor Gericht war Abdeslam, der französischer Staatsbürger ist und in einem Gefängnis bei Paris in U-Haft sitzt, nur am ersten Prozesstag erschienen. Seinen kurzen Auftritt hatte er für eine Propaganda-Rede genutzt, in der er Allah seinen "einzigen Richter" nannte, die Medien beschimpfte und ansonsten jede Aussage zu den Vorwürfen verweigerte. Die Erklärung, die die anwesenden Nebenkläger als Provokation empfanden, wurde im belgischen Fernsehen verlesen:

"Man hat mich vorgeladen, ich bin gekommen. Es gibt einen Prozess, bei dem ich einer der Akteure bin. Man klagt mich an, ich schweige. Aber mein Schweigen macht aus mir keinen Schuldigen oder Verbrecher. Es gibt kriminaltechnische Beweismittel in den Akten – danach möchte ich beurteilt werden." Salah Abdeslam

Verfahren wegen der Attentate folgt

Wie auch immer die 90. Strafkammer im streng bewachten Brüsseler Justizpalast in dem Fall entscheidet, es wird nicht das letzte Urteil über den Angeklagten sein. Weit bedeutender und komplizierter wird das Verfahren, das Abdeslam wegen der tödlichen Anschläge von Paris am 13. November 2015 droht. Auch in Brüssel dürfte ihm noch einmal der Prozess gemacht werden, wegen der Attentate vom 22. März 2016. Die Vorbereitungen dafür laufen noch. Die belgischen Behörden rechnen mit einem Termin nicht vor 2019. Und solange bleibt der mutmaßliche Topterrorist in jedem Fall hinter Gittern.