Meistens kommen sie in der Nacht, stehen unerwartet vor der Tür. Wie viel Zeit die Menschen vor ihrer Abschiebung dann zum Packen haben, hängt von den jeweiligen Beamten ab. Die ausreisepflichtigen Ausländer werden zur Polizeidienststelle am Flughafen gebracht und dort zu einem eigenen Bereich, dem sogenannten "Rückführungsbereich".
Abschiebung im Charter- oder Linienflug
Für die rechtlichen Grundlagen einer Abschiebung zuständig sind die Ausländerbehörden in den einzelnen Ländern, wie der Chef der Bundespolizeigewerkschaft, Ernst Walter, erklärt. Die Rückführung der "Schüblinge" - so nennt er die Ausreisepflichtigen - in ihre Heimatländer oder andere Staaten übernehme danach die Bundespolizei.
Die Beamten chartern dafür entweder ein Flugzeug zur Sammelabschiebung oder setzen die Menschen in reguläre Linienmaschinen. Zwischen Januar und September 2017 wurden 222 solcher Abschiebungen mit Linienflügen jedoch abgebrochen, weil sich der Pilot oder die Fluggesellschaft weigerten, die Passagiere zu transportieren. Am häufigsten waren die Lufthansa und ihr Tochterunternehmen Eurowings betroffen. Ein Pressesprecher des Unternehmens kann jedoch keine konkreten Gründe für die Verweigerung nennen: "Wir äußern uns generell nicht zu Hintergründen der Beförderung einzelner Passagiere. Dies unterliegt dem Datenschutz."
Flugkapitän hat die Bordgewalt
Bei einer Abschiebung im Linienflug kaufen die Behörden offiziell ein Ticket, manchmal für einzelne Personen, manchmal für ganze Gruppen. Der Pilot und die Crew werden darüber informiert, bekommen die Papiere von der Bundespolizei übergeben und machen sich ein Bild von dem genannten Passagier. Der Pressesprecher erklärt: "Das Personal ist geschult, um beim Einsteigen zu erkennen: Wer ist möglicherweise stark alkoholisiert oder wer ist besonders aggressiv?"
So habe der Pilot jederzeit die Möglichkeit, jemanden aus Sicherheitsgründen nicht zu befördern. "Im schlimmsten Fall wird das Flugzeug zwischenlanden und der Passagier an die Behörden übergeben", so der Sprecher.
Zwei Bundespolizisten für einen Ausreisepflichtigen
Erkennen die Behörden schon vorher ein Aggressionspotenzial beim Abzuschiebenden, überwachen ihn den gesamten Flug über speziell ausgebildete Bundespolizisten, die "Personenbegleiter Luft". Zwei Beamte werden in der Regel einem "Schübling" zugewiesen, erklärt Walter von der Bundespolizeigewerkschaft. Bei einem Langstreckenflug auch einmal vier, damit die Beamten auch Pausen machen können.
Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linken scheiterten zusätzlich zu den geplatzten Abschiebungen wegen der Piloten auch 87 Versuche wegen "medizinischer Bedenken" und 311 "aufgrund von Widerstandshandlungen". Wie solche Widerstandshandlungen aussehen, beschreibt die Pressestelle der Bundespolizei so:
"Beim Abbruch einer Rückführung, z.B. aufgrund von Widerstandshandlungen, gibt es keinen typischen Verlauf. Je nach Einzelfall (abhängig auch von der Art und Ausprägung des Widerstands) kann es dazu kommen, dass die Maßnahme abgebrochen wird." Pressestelle der Bundespolizei
Widerstand durch Schreien, Schlagen oder Einkoten
Konkreter wird Ernst Walter von der Bundespolizeigewerkschaft:
"Manche versuchen alles, um die Abschiebung zu verhindern, von Schreien über Schlagen bis zur Selbstverletzung oder Einkoten." Ernst Walter, Chef der Bundespolizeigewerkschaft
Aufgabe der "Personenbegleiter Luft" sei es deshalb, den Ausreisepflichtigen selbst und alle anderen Passagiere an Bord zu schützen. Manchmal auch, indem sie ihn fesseln. Das passiere aber in den seltensten Fällen.
"Was die Fesselung betrifft, müssen die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. In den wenigsten Fällen sind Rückzuführende beim Boarding gefesselt. Zudem ist auch eine Fesselung kein Garant dafür, dass die Maßnahme vollzogen wird." Pressestelle der Bundespolizei
Trend geht zu Sammelabschiebungen
Ernst Walter beobachtet, dass sich die Bundesregierung vermehrt für Sammelabschiebungen in gecharterten Fliegern entscheide. Bei solchen Flügen sind neben einer individuell festgelegten Anzahl von "Personenbegleitern Luft" auch ein Arzt, ein Sanitäter und gegebenenfalls ein Dolmetscher an Bord. Die Bundespolizisten sind dann auch mit Kopfschutz, Spuckschutz und einem "Body-Cuff" ausgerüstet, einem Gürtelsystem mit Handschellen und Fixierungsbändern.
Sie werden für die Situationen an Bord auch psychologisch geschult. Ziel sei es, den Ausreisepflichtigen zu beruhigen, mit ihm zu reden, Empathie zu zeigen. Häufig hätten sich die Menschen bereits mit ihrer Situation abgefunden, sagt Walter. Die Flüge würden dann sehr ruhig und unspektakulär verlaufen.