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Bundesinnenminister Seehofer

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Ankerzentren drohen zum Zankapfel zu werden

Bundesinnenminister Seehofer (CSU) will Ankerzentren für Flüchtlinge ab September testen. Flüchtlinge sollen dort ankommen - und gegebenenfalls auch von dort wieder in ihre Heimat zurückkehren. Der Koalitionspartner SPD sieht die Tests kritisch.

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Ankunft der Flüchtlinge, Bearbeitung von Asylanträgen, Aufenthalt während der Wartezeit, Entscheidungen über Asylanträge - und dann die Verteilung auf Kommunen oder die Rückführung in die Heimat: All das soll künftig zentral in Ankerzentren geschehen. Das haben CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart.

Bund, Länder und Gemeinden zusammen zuständig in Ankerzentren

Kompliziert wird das Ganze unter anderem durch den deutschen Föderalismus. Behörden von Bund, Ländern und Kommunen müssten in den Ankunfts- und Rückführungszentren für Flüchtlinge Hand in Hand arbeiten - eine verwaltungstechnische Herkulesaufgabe. Wer entscheidet im Zweifelsfall? Und: Wo sollen die Ankerzentren entstehen?

Bundesinnenminister Seehofer will ab September an zunächst fünf bis sechs Standorten testen, wie ein Ankerzentrum funktionieren kann, was nicht klappt und deshalb verbessert werden muss. Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen haben laut Innen-Staatssekretär Helmut Teichmann schon zugesagt; er will aber auch Hessen und ein ostdeutsches Bundesland dabei haben.

Niemand will ein Ankerzentrum vor der eigenen Haustür

Wenn es demnächst konkret wird, dürfte es Streit geben - im Prinzip wie bei der Suche nach einem Atommüll-Endlager: Jeder weiß, dass eines gebraucht wird, aber vor der eigenen Haustür will es niemand haben.

Die Ankerzentren sollen in der Pilotphase nach Seehofers Vorstellungen 1.000 bis 1.500 Flüchtlinge beherbergen. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) wünschte schon am Mittwoch "viel Spaß bei der Suche nach geeigneten Standorten und bei den Gesprächen mit den verantwortlichen Landräten".

Seehofer sagte am Donnerstag zu den Ankerzentren: "Wir stülpen die nicht über." Sein Staatssekretär Teichmann wird in den nächsten Wochen wohl einiges an Überzeugungsarbeit leisten müssen. SPD-Mann Pistorius weist darauf hin, dass in Ankerzentren vorwiegend junge Männer ohne Bleibeperspektive untergebracht würden - die Reaktion der in der Nachbarschaft der Ankerzentren lebenden Bevölkerung lässt sich leicht erahnen.

Seehofer und sein Ministerium setzen darauf, dass in den sechs Monaten der Testphase klar wird, wie die Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden in den Ankerzentren klappt. Es soll ständig evaluiert werden; und dass letztlich Gesetzesänderungen nötig sein werden, gilt als ausgemacht.

Der Bund wird mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in den Ankerzentren vertreten sein. Ob die Länder mit Verwaltungsrichtern und Ausländerämtern dazu kommen, muss laut Seehofer noch diskutiert werden.

SPD findet Ankerzentren zu komplex für eine Pilotphase

Die SPD bekennt sich zwar zu den Ankerzentren (sie stehen ja im Koalitionsvertrag), hält sie aber für zu komplex, um sie in einer Pilotphase zu testen. Der niedersächsische Innenminister Pistorius jedenfalls erwartet von Bundesinnenminister Seehofer bei der nächsten Innenministerkonferenz Einzelheiten über die geplanten Zentren. Es dürfe jedenfalls nicht der Eindruck entstehen, dass "er das Ganze nur mit Blick auf die bayerischen Landtagswahlen betreibt und danach fallen lässt wie eine heiße Kartoffel".

(Autor: Daniel Pokraka)