Bildrechte: picture-alliance/dpa
Bildbeitrag

Arme Renterin

Bildbeitrag
>

Altersarmut: Traurige Sackgasse für Rentner

Altersarmut: Traurige Sackgasse für Rentner

Millionen Rentner sind in Bayern von Armut bedroht, schätzen Sozialverbände. Immer mehr müssen von der Grundsicherung leben. Gerade in den bayerischen Großstädten ist die Lage ernst. Von Ralf Fischer und Jonathan Schulenburg

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Wer nicht von seiner Rente leben kann, bekommt Sozialhilfe, "Grundsicherung". Das sind die Rentner, die am Existenzminimum leben. Ihre Zahl steigt in Bayern. In den letzten sieben Jahren von 57.000 auf 69.000.

In Augsburg müssen 4,8 Prozent der über 65-Jährigen von der Grundsicherung im Alter leben. In München sind es 5,2 Prozent, in Straubing 5,3. Spitzenreiter in Bayern bei der Grundsicherungsquote der Älteren ist Nürnberg: mit 6 Prozent der Senioren. Die meisten der von Armut bedrohten Rentnern sind Frauen.

Angst vor Altersarmut und Grundsicherung

Monika Brosch-Janin aus Nürnberg hat Angst vor der Grundsicherung. Sie ist seit vielen Jahren arbeitslos, bekommt Hartz IV. Noch darf sie etwas dazu verdienen. Dafür nimmt sie große Strapazen auf sich: Zu ihrer Arbeit braucht sie eine Stunde, für sie eine körperliche Herausforderung.

"Jetzt will mich halt keiner mehr haben, weil ab 40 ist Sense! Da will einen keiner mehr haben und mit den Erkrankungen will mich auch keiner mehr." Monika Brosch-Janin, steht kurz vor der Rente

Sie ist 60, in drei Jahren geht sie in "Rente", und befürchtet, dass ihr dann nur die Sozialhilfe bleibt. Sie hat viel gearbeitet in ihrem Leben: bei der Post, in der Altenpflege. Bei der Geburt ihres Sohnes blieb sie nur sechs Wochen zuhause. Ihre jüngste Tochter wird krank - an Arbeit ist ab diesem Zeitpunkt nicht zu denken. Sie selbst wird auch krank, bekommt Rheuma. Monika Brosch-Janin hat nur zwei Wünsche: gesund sein und arbeiten.

Reicht die Rente?

Die Zahl der von Armut bedrohten Rentner wird wahrscheinlich weiter zunehmen. Laut Statistischem Bundesamt bekommen in Deutschland mehr als eine Million Menschen Grundsicherung im Alter. Die Hans-Böckler-Stiftung hat ausgerechnet, wie schwer es ist, mit der Rente überhaupt über die Sozialhilfe zu kommen.

Durchschnittlich braucht man dazu eine Rente von 747 Euro. Ein Anlagenelektroniker müsste dafür 18 Jahre Vollzeit arbeiten, eine Krankenschwester 25 Jahre. Jemand mit Mindestlohn schafft es schon heute nicht mehr, eine auskömmliche gesetzliche Rente zu erwirtschaften: notwendig wären 60 Arbeitsjahre. Da das Rentenniveau zukünftig auf 41 Prozent sinken soll, wird der Weg über die Sozialhilfe-Grenze weiter. Der Anlagenelektroniker müsste dann mindestens 20 Jahre arbeiten. Die Krankenschwester 29 Jahre. Beim Mindestlohn wären es illusorische 69 Jahre.

Arm und alt in München

Der Sozialverband VdK schätzt, dass in Bayern 1,7 Millionen Menschen im Alter von Armut bedroht sind. In München ist es die Tragik einer boomenden Stadt: Der städtische Armutsbericht schätzt, dass 27 Prozent der über 65-Jährigen ihrem Einkommen nach "arm" sind. 53 Prozent sind der unteren Mitte zuzuordnen. Von Armut bedroht sind sie, wenn sie in München mit weniger als 1.350 Euro auskommen müssen. Senioren mit hohem Einkommen sind in München eine Minderheit.

Jana Förster musste aus München sogar wegziehen. Sie hatte eine preiswerte Wohnung. Dann kam die Kündigung wegen Eigenbedarf. Verzweifelt suchte sie nach einer Neuen, aber Sozialwohnungen waren nicht frei. Mit 800 Euro Rente hatte sie keine Chance auf dem hart umkämpften Wohnungsmarkt. Schließlich wurde die 63-Jährige fündig: in Deggendorf. Weit weg von dem Ort, an dem sie 40 Jahre lang gelebt hat.

"Jede preiswerte Wohnung in München, da stehen 200 Leute! Und da nehmen die niemand mit einer kleinen Rente!" Jana Förster

In ihrer neuen Wohnung fühlt sich Jana Förster wie in einem Sarg. Eine Nische zum Schlafen muss reichen.

Die neue Bundesregierung will bei der Altersarmut gegensteuern. Die Schlagworte sind: Mütterrente, Grundrente, Stabilisierung des Rentenniveaus. Allerdings ist noch unklar, wer von den Rentenprojekten der neuen Regierung konkret profitieren wird. Sozialverbände kritisieren die Pläne als unzureichend und armutspolitisch wirkungslos.