AfD-Politiker Björn Höcke Mitte Februar im Thüringer Landtag
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AfD-Politiker und Flügel-Mitbegründer Björn Höcke

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Analyse zum AfD-Flügel: Aufgelöst – oder doch nicht?

Widersprüchliche Signale und gelöschte Facebook-Posts: Hat sich der völkische Flügel der AfD nun aufgelöst? In einem Interview mit einer Rechtsaußen-Zeitschrift geht Flügel-Gründer Höcke in die Offensive und formuliert Machtansprüche. Eine Analyse.

"Schweren Herzens haben wir heute entschieden, dass sich die Wertegemeinschaft des Flügels (…) auflösen wird." Auf den ersten Blick war der inzwischen gelöschte Facebook-Post des Flügels eindeutig. Aber schon der Satz "Wir sind und bleiben alle Teil dieses großartigen Parteiprojekts" setzte einen Kontrapunkt. Wie sollte man den Widerspruch verstehen? Strukturelle Auflösung des ohnehin nur lose organisierten Flügels ja? Ende der ideologischen Offensive gegen die Gemäßigten in der AfD nein?

Der Facebook-Post war gestern Abend wieder verschwunden. An seiner Stelle nun ein Selbstdementi des Flügels. Es gebe gar keinen Flügel-Beschluss zur Auflösung. "Wir mahnen alle Mitstreiter zur Gelassenheit", heißt es in dem neuen Post – mit Link auf das Höcke-Interview mit Kubitschek. Die in allen Medien verbreitete Auflösungsmeldung hatte offenbar große Beunruhigung bei den Flügel-Anhängern ausgelöst.

Flügel will AfD als "Widerstandsbewegung"

Der Flügel wurde im März 2015 als rechtsextremes Netzwerk in der AfD etabliert. Damals veröffentlichten Björn Höcke und der inzwischen geschasste André Poggenburg eine "Erfurter Resolution" – quasi als Gründungsdokument. Das Manifest warnte eindringlich vor einem parlamentarischen Kurs der AfD, die man zur "Widerstandsbewegung" umformen wollte. Der Einfluss des Flügels wuchs im Laufe der Jahre stetig. Wer sich mit dem Flügel solidarisierte, ging als Sieger aus den innerparteilichen Machtkämpfen hervor.

Eine Schlüsselrolle spielte stets Fraktionschef Alexander Gauland. Er ließ die Radikalen gewähren. Seine vielzitierte Aussage, der Flügel sei fester Bestandteil der AfD, entspricht der Realität. Wer sich zuletzt offen gegen den Flügel positionierte, geriet zunehmend in die Defensive. Die Auflösungsforderung des AfD-Vorstands ist deshalb zweischneidig. Einerseits muss die Parteiführung dem Druck der Beobachtung des Flügels durch den Verfassungsschutz begegnen. Andererseits kann sie - egal ob sie das will oder nicht - eine derart einflussreiche Gruppierung nicht einfach ins Abseits drängen.

In Bayern schon länger "Beobachtungsobjekt"

In Bayern ist der Flügel bereits seit einem Jahr "Beobachtungsobjekt". Das Landesamt für Verfassungsschutz darf deshalb auch nachrichtendienstliche Mittel anwenden, beispielsweise V-Leute einsetzen. Landtagsabgeordnete, die dem Flügel zugerechnet werden, würden allerdings nicht beobachtet, teilte der bayerische Verfassungsschutz mit. Die Mitgliederzahl des Flügels in Bayern liege im unteren dreistelligen Bereich.

Höcke droht und formuliert Machtanspruch

In dem Auflösungs-Wirrwarr tritt Höcke mit breiter Brust auf. Sein gestriges Interview mit dem Publizisten Götz Kubitschek in dessen Rechtsaußen-Zeitschrift Sezession ist voll von Andeutungen. Eine davon: "Ohne den Flügel wäre die AfD (…) ein Mehrheitsbeschaffer von Merkels Gnaden. Das hat der Flügel verhindert. Seither hat sich die AfD sehr gut entwickelt (…)." Botschaft Nummer eins: Zwischenziel erreicht, als Struktur braucht es den Flügel nicht unbedingt mehr.

Botschaft Nummer zwei kann man als Drohung in Richtung Parteichef Jörg Meuthen verstehen: "Andreas Kalbitz, ich selbst und alle anderen politikfähigen Flügler werden ihren politischen Kurs im Sinne der AfD weiterführen. Diejenigen aber, die den Flügel missverstanden haben und ihn verfilzen wollten, werden nicht mithalten können – genauso wenig wie diejenigen in der Partei und im Bundesvorstand, die auf Kosten ihrer Parteifreunde allzu gute Kontakte zum Establishment suchen", so Höcke.

Er formuliert an dieser Stelle einen Machtanspruch gegenüber den Gemäßigten in der Partei. Wahrscheinliches Szenario: Der Flügel tritt nicht mehr als Flügel in Erscheinung, bleibt aber ideologisch in der Offensive.

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