Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, gibt eine Pressekonferenz.
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Mit dem Verbot von Paragraf 219a kündigte Paus den nächsten Schritt an: Man müsse auch über den Paragrafen 218 reden

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Schwangerschaftsabbruch: Der §218 soll weg. Aber wohin?

Bundesfamilienministerin Lisa Paus will den Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch streichen. Wie das rechtlich und möglichst ohne ethische Verwerfungen gehen soll, klärt nun eine Kommission. Politisch sind die Fronten klar.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Lisa Paus stand an diesem heißen Juni-Tag 2022 am Rednerpult des Deutschen Bundestags und freute sich. Endlich werde die Ampelkoalition den Paragrafen 219a abschaffen, der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche verbot. Frauenärzte durften nicht dafür werben, dass sie Abtreibungen vornehmen, ohne Strafen fürchten zu müssen. Die Ampel hatte diesen Plan bereits im Koalitionsvertrag festschrieben, und auch der Paragraf 218 sollte nach dem Willen von SPD, Grünen und FDP auf den Prüfstand.

Der Weg von §219a zu §218 war kurz

Mit dem Beschluss des Bundestags kündigte Paus den nächsten Schritt an: Man müsse auch über den Paragrafen 218 reden. Deswegen werde die Bundesregierung nun eine Kommission für diese Frage einrichten, weil klar sei, dass das für "die Gesellschaft ein nach wie vor umstrittenes Thema" sei.

Die Ministerin bekam dafür viel Applaus von den Linken, der SPD und den Grünen, beim Koalitionspartner FDP aber klatschte niemand. Die Liberalen können mit dem Twitter-Hashtag von Lisa Paus #wegmit218 nicht viel anfangen.

FDP will keine Streichung des §218

Die rechtspolitische Sprecherin der FDP, Katrin Helling-Plahr, weiß nicht, was besser werden soll, wenn der Paragraf 218 gestrichen wird. Denn unterm Strich hält der Großteil der FDP den vor fast 30 Jahren geschlossenen Kompromiss nach wie vor für richtig. Nach langem Ringen wurde nach der Deutschen Einheit die sogenannte Fristenregelung eingeführt.

Die FDP sorgt sich vielmehr um die Versorgung von ungewollt Schwangeren, die zum Teil katastrophal sei. Außerdem müssten Mediziner in ihrer Ausbildung endlich mehr über Abbrüche lernen. Bislang gehöre die Durchführung einer Abtreibung nicht zum Standard.

§218: Verpflichtende Beratung und Fristenregelung

"Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." So lautet der Gesetzestext. Abtreibung ist also eine Straftat. Die Ausnahmen, sprich die Straffreiheit, stehen im Paragrafen 218a. Es ist die Fristen- und Beratungsregelung, die nach der Deutschen Einheit und einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts mühsam gefunden wurde. Der Abbruch muss bis zur 12. Schwangerschaftswoche erfolgen, von einem Arzt vorgenommen werden, und die Schwangere muss sich vorher beraten lassen.

Versorgung von ungewollt Schwangeren in Bayern unzureichend

Bayern steht deutschlandweit bei der Versorgung von Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden haben, am schlechtesten da. Vor allem in ländlichen Regionen finden betroffene Frauen keinen Arzt, der eine Abtreibung durchführt. Nach einer Recherche des Bayerischen Rundfunks aus dem Jahr 2022 kümmern sich im Freistaat 48 Ärzte und Kliniken um 11.500 Abbrüche pro Jahr.

  • Zum Artikel: Schwangerschaftsabbrüche in Bayern immer noch schwierig

Union: Es geht nicht nur um Selbstbestimmung der Frau

Wie die Liberalen findet auch die Union, dass der nach der Deutschen Einheit nach langem Ringen gefundene Kompromiss ein guter war. Der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Union, Dorothee Bär, kommt bei den Plänen der grünen Familienministerin außerdem das Recht des ungeborenen Kindes zu kurz.

Familienministerin Paus gehe es nur einseitig um die reproduktive Selbstbestimmung und das Recht der Frau auf Abtreibung, kritisiert Bär. Die bayerische Staatsregierung hat bereits mit einer Klage in Karlsruhe gedroht, sollte der Paragraf 218 tatsächlich abgeschafft werden.

Was empfiehlt die Kommission?

Familienministerin Lisa Paus möchte im Moment zu diesem Thema keine Interviews geben. Nun solle erst einmal die Kommission arbeiten. Ihr gehören Medizinethiker, Juristinnen und Ärzte an. Wie lange sie zusammensitzen, ist nicht bekannt. Nur was dabei nicht rauskommt, steht für die FDP-Politikerin und Juristin Katrin Helling-Plahr so gut wie fest. Für eine ersatzlose Streichung des Paragrafen 218 sei "überhaupt kein Raum", sagt sie.

Daher habe sie auch keine Angst vor Diskussionen innerhalb der Ampelkoalition. Die Familienministerin der Grünen bräuchte also nicht nur ein eindeutiges Votum der Kommission, sondern auch den Koalitionspartner FDP an ihrer Seite. Daher sieht es im Moment nicht danach aus, dass #wegmit218 Realität werden könnte.

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