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Kommentar von BR-Chefredakteur Christian Nitsche zum Asylstreit

Eine gesamteuropäische Flüchtlingspolitik in Angela Merkels Sinn wird es nicht geben, sagt BR-Chefredakteur Christian Nitsche. Merkels Starrsinn beschädige das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit von Politik.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Neun von zehn Deutschen wollen, dass abgelehnte Asylbewerber konsequenter abgeschoben werden. Das ist das Ergebnis der jüngsten ARD-DeutschlandTREND-Umfrage, in der Tendenz aber überhaupt nicht neu. So klar war das Meinungsbild in etwa auch schon vor der Bundestagwahl. Aber politisch wurde darauf aus Sicht vieler Wähler nicht ausreichend reagiert.

Fundamentale Kräfteverschiebung

Die AfD konnte bekanntlich als stärkste Oppositionskraft in den Bundestag einziehen. Sie liegt stabil bei 15 Prozent, nur drei Prozentpunkte hinter der SPD. Was wir erleben, ist eine fundamentale Kräfteverschiebung in der Parteienlandschaft. Und diese geht vor allem auf die Flüchtlingspolitik zurück, die viele Wähler weiterhin kritisieren.

Klammern an eine vage Hoffnung

Fast zwei Drittel wünschen sich, dass Flüchtlinge ohne Papiere nicht nach Deutschland einreisen dürfen. Bundesinnenminister Horst Seehofer will per Erlass dies nun festschreiben, die Kanzlerin möchte ihn aber nicht gewähren lassen und zunächst mit anderen Ländern in Europa verhandeln. Angela Merkel klammert sich an eine vage Hoffnung. Eine gesamteuropäische Flüchtlingspolitik in ihrem Sinne wird es aber nicht geben. Selbst das wirtschaftlich starke Deutschland kann dies nicht erzwingen. Merkel ist in diesem Politikfeld gescheitert, in Europa und in Deutschland.

Merkel verspielt ihr Lebenswerk

Sie müsste längst beidrehen und erkennen, dass ihre Politik Wähler in die Reihen von Populisten treibt. Merkel schwächt damit angestammte demokratische Parteien. Die CSU will sich dies nicht mehr bieten lassen und auf das mittlerweile gefestigte Meinungsbild in der Bevölkerung noch deutlicher reagieren. Merkel dagegen verliert immer mehr den Kontakt zum Wähler. Sie verspielt ihr Lebenswerk, weil sie Demokratiefeinden Spielräume verschafft.

Starrsinn statt Handlungsfähigkeit

Natürlich hat die CSU die Landtagswahl im Blick. Sie eskaliert aus Angst, nochmals abzuschmieren. Aber sie schiebt die Themen nicht auf die lange Bank. Bleibt Merkel stur, wäre ein Koalitionsbruch auch ihr anzulasten. Natürlich können Neuwahlen nicht in ihrem Interesse liegen. Das wäre ihr Ende. Und helfen würde dies vor allem einer Partei: der AfD. Merkels Starrsinn beschädigt das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit von Politik.

Sie erweckt bei vielen Menschen den Eindruck, dass sie die Sorgen nicht ernst nimmt. Das ist fatal. Will sie politisch überleben, muss sie jetzt Flexibilität zeigen. Für sie vielleicht ein Gesichtsverlust, aber besser als der Verlust der politischen Stabilität in Deutschland.