Künstler und Wundersammler Marc Haselbach in Ochsenfurt
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Künstler und Wundersammler Marc Haselbach mit Heinz Schüttmann, der die Gaubahn auf dem Tisch nachgebaut hat.

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"Wundersammler" auf der Suche nach Exponaten in Ochsenfurt

Als erste von rund einem Dutzend fränkischen Städten hatte Ochsenfurt den sogenannten "Wundersammler" zu Gast. Dabei handelt es sich um ein langfristiges Kunstprojekt im Auftrag des Museums für Franken.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Im Zentrum von Ochsenfurt hat Marc Haselbach seine "Wunderkammer" eingerichtet. Der Bildhauer und Wahlberliner sammelt in dem historischen Fachwerkstädtchen am Main fünf Wochen lang besondere Exponate – im Auftrag des Museums für Franken. Haselbach ist auch bekannt als Wundersammler.

"Wunderkammer" im Ochsenfurter Rathaus

Seine "Wunderkammer" ist ein kleiner Raum im alten Rathaus. Direkt an der Straße, die zur alten Mainbrücke führt, sitzt der Künstler täglich draußen auf einer Bank. Inmitten von allerlei Trödel, um die Menschen neugierig und auf sich aufmerksam zu machen. So kam Haselbach mit zahlreichen Passanten ins Gespräch und entlockte ihnen ihre persönlichen Wundergeschichten.

Bildhauer sammelt mitten in der Stadt

Wenn er da so sitzt vor seinem Laden, dann kann er förmlich sehen, wie es in den Köpfen der Passanten arbeitet. "Was um alles in der Welt tut der da?", fragen sich die Leute. "Er verkauft nichts, kauft auch nichts an. Das ist dann schon selbst irgendwie verwunderlich", erklärt Haselbach. Aber aus seinem gemütlich, kruscheligen Ambiente heraus knüpft der redselige Künstler fast nebenbei seine Gesprächsfäden zu den vorbeigehenden Menschen.

Manche kommen täglich hier vorbei, trauen sich aber nicht, sich zu setzen. Irgendwann tun es die meisten dann aber doch, sagt Haselbach, der eigens für diesen Zweck zwei Gästestühle bereitgestellt hat. Zwischen ihnen und seiner Sitzbank steht ein Biertisch, der vollständig unter einer Mischung von Kunst und Krempel verschwindet: die Kulisse, in der täglich neue Wunder zutage treten.

Wundersammler will verborgene Schätze bergen

Hat die Neugier erst einmal gesiegt, erfährt der Wundersammler oft sehr persönliche Dinge. Ein Mann habe ihm einmal ein Gemälde anvertraut. Das habe ein russischer Zwangsarbeiter seiner Oma während des Zweiten Weltkrieges gemalt. Zum Dank dafür, dass sie ihm verbotenerweise Essen zugesteckt habe. Zunächst wollte er als Leihgeber anonym bleiben. Schließlich sei seine Oma deshalb später als "Russen-Hure" beschimpft worden. Einige Tage später sei er dann noch einmal gekommen und habe gesagt: "Meine Oma war damals mutig, und ich will jetzt auch nicht feige sein. Schreiben Sie meinen Namen drunter."

Geschichten verleihen Exponaten Bedeutung

Dutzende Gegenstände, welche die Ochsenfurter Wunder begreiflich werden lassen, bewahrt Marc Haselbach inzwischen in seiner Wunderkammer auf. Ein aus hölzernen Weinkisten improvisiertes Regal wurde zu einer Art Setzkasten, der viele Facetten von Wundern birgt. Die tiefere Bedeutung der Ausstellungsstücke erschließt sich in den meisten Fällen aber erst durch die Geschichten, die ihre Leihgeber damit verbinden. Die dokumentiert der Wundersammler natürlich ebenfalls, damit sie eines Tages denen den Blick weiten, die all diese Fundstücke im Museum für Franken anschauen werden.

Darunter ein angeblich schon um 1700 in Ochsenfurt erfundener Regenmesser von der Größe einer Armbanduhr. Die Funktionsweise gibt Rätsel auf: Also wird der technikaffine Betrachter mehr wissen wollen. Über den maßstabgerechten Nachbau der Ochsenfurter Gaubahn wird man erfahren, dass ihr Schöpfer eigentlich gelernter Binnenschiffer ist, später zur See fuhr und schließlich Berufsschullehrer wurde. Mit seinen Schülern verwirklichte er diesen Zug aus verschweißten Blechteilen. Im Gegensatz zum Original, existiert das Modell noch immer.

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Künstler Marc Haselbach mit dem Ochsenfurter Bürgermeister Peter Juks (links) und Jörg Meißner, dem Direktor des Museums für Franken (Mitte).

"Genau das hatten wir uns vorgestellt"

Der neue Direktor des Museums für Franken, Jörg Meißner, ist begeistert: "Genau das hatten wir uns vorgestellt!" Mit dem Auftakt in Ochsenfurt zeigte sich Meißner äußerst zufrieden. "Unser Anliegen war Teilhabe", sagt Meißner. Es gehe darum, abzubilden, was Menschen in Franken bewegt. Ihre Erfahrungen und Geschichten öffentlich zu machen. Das sei Kunst und habe einen ästhetischen Wert, so der Museumsdirektor.

Meißner hat die Leitung des Museums für Franken erst im Frühjahr dieses Jahres übernommen. Seine Aufgabe wird es sein, das Haus völlig neu aufzustellen. Das einstige Mainfränkische Museum bleibt zwar auf der Würzburger Festung Marienberg beheimatet. Zieht aber in andere Gebäudeteile, die bis 2032 komplett saniert und umgebaut werden. Zur Wiedereröffnung plant Meißner dann eine Sonderausstellung mit den Ergebnissen der Wundersammlung.

Sammlungen in mehreren fränkischen Städten

Man werde diese Aktion bis zum Ende der Generalsanierung des Museums fortsetzen. Jeden Sommer in einer anderen Stadt in Ober,- Mittel- oder Unterfranken soll die Wunderkammer rund fünf Wochen lang weiterwachsen. Ziel ist es, die Menschen in der Region dafür zu gewinnen. Denn ihr Wissen und ihre Erlebnisse sind Teil der fränkischen Geschichte und können so das neue Museum bereichern.

Wertvolles und Kurioses konnte Marc Haselbach bereits am ersten Ort seiner Sammelaktion, die am 24. Juli endet, in die Wunderkammer aufnehmen. Natürlich bekommen alle ihr Eigentum nach der Ausstellung wieder zurück, sagt Haselbach. Er habe alles ordentlich quittiert. Manch einer wollte seinen Schatz jedoch nicht einmal für eine Nacht aus der Hand geben. Zeigte ihn lediglich vor und nahm ihn sofort wieder mit nach Hause. So manches Wunder wird also für die Blicke der Öffentlichkeit weiter im Verborgenen bleiben.

Anderes entpuppte sich dafür erst bei näherem Besehen. Als ihm eine Frau einen Kinoflyer überreichte, habe er kurz gestutzt und gedacht, das sei jetzt schon etwas weit hergeholt. Doch die Leihgeberin habe darauf bestanden und erklärt, wie besonders es doch sei, dass es in einer Kleinstadt wie Ochsenfurt mit dem "Casablanca" ein kleines, aber feines Programmkino gebe, das sogar Corona und die Multiplex-Konkurrenz bislang überlebt habe. Das sei doch nun wirklich ein Wunder.

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