Die Gebühren für Kindertagesstätten abzuschaffen - das ist eine der prominentesten Forderungen der Freien Wähler in den Koalitionsverhandlungen mit der CSU. Den Freistaat würde das laut Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger 500 Millionen Euro im Jahr kosten. "Es heißt immer: Bayern, das reichste Bundesland! Und ich wünsche mir, dass dieser Reichtum endlich auch bei den Familien ankommt", hatte Aiwanger im Wahlkampf gesagt.
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Kostenlose Kernbetreuungszeit von fünf Stunden pro Tag
Konkret streben die Freien Wähler an, dass die Kernbetreuungszeit von fünf Stunden in Kitas umsonst sein soll. Für Ein- bis Dreijährige (Krippenkinder) würde das nach Schätzungen der FW-Landtagsfraktion 130 Millionen Euro pro Jahr kosten, für Drei- bis Sechsjährige (Kindergartenkinder) wären es 320 Millionen Euro. Zusammen also 450 Millionen Euro. Die Freien Wähler haben dabei den durchschnittlichen Elternbeitrag für einen Kita-Platz in Bayern zugrunde gelegt. Wer seine Kinder länger als fünf Stunden betreuen lassen will, soll dafür weiter einen Beitrag zahlen.
Bayerischer Gemeindetag geht von wesentlich höheren Kosten aus
Der Bayerische Gemeindetag geht von einer fast 50 Prozent höheren Summe aus. "Wenn man für die 549.000 zu betreuenden Kinder 1.200 Euro Kita-Gebühr ansetzt, kommt man auf knapp 659 Millionen Euro. Und das ist noch vorsichtig geschätzt, weil wir für jedes Kind nur mit 100 Euro Gebühr pro Monat rechnen", sagt Gerhard Dix, Sozialreferent der Bayerischen Gemeindetages.
Das CSU-geführte bayerische Familienministerium will sich mit Blick auf die laufenden Koalitionsverhandlungen noch nicht zur Frage äußern, wie viel eine Beitragsfreiheit für Kitas kosten würde.
Gemeindetag: Staat muss für Gebührenausfälle aufkommen
Momentan finanzieren sich öffentliche Kindertagesstätten zum einen durch staatliche Zuschüsse, zum anderen durch die Besuchsgebühren. Sollte sich der Freistaat tatsächlich dafür entscheiden, die Besuchsgebühren abzuschaffen, müsste er nach Ansicht des Gemeindetages auch finanziell dafür gerade stehen. Der Gemeindetag beruft sich auf das Konnexitätsprinzip, das in Artikel 83 der Bayerischen Verfassung festgehalten ist. In Absatz 3 heißt es: "Überträgt der Staat den Gemeinden Aufgaben,[...], hat er gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen. Führt die Wahrnehmung dieser Aufgaben zu einer Mehrbelastung der Gemeinden, ist ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen." Auf gut Deutsch: Wer anschafft, zahlt auch. "Das Geld für die Kinderbetreuung würde dann nicht mehr von den Eltern kommen, sondern von allen Steuerzahlern", so Dix weiter.
Wie hoch die Gebühren für Kindertagesstätten sind, ist von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- Alter des Kindes: Generell gilt: Krippenplätze für Kinder unter drei Jahren sind teurer als Kindergartenplätze für Drei- bis Sechsjährige. Das liegt daran, dass die Kindertagesstätten für Krippenkinder mit doppelt so viel Personal planen müssen.
- Dauer der täglichen Buchungszeit
- Einkommen der Eltern: Manche Städte erheben für einkommensschwache Familien gar keine Gebühr. In München zum Beispiel liegt diese Grenze bei 15.000 Euro Jahreseinkommen: Wer weniger verdient, muss für den Kita-Platz gar nichts zahlen. Aber selbst wenn es eine solche Regelung in einer kommunalen Kita nicht gibt: Wenn der Beitrag den Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigten aus finanziellen Gründen nicht zuzumuten ist, kann er auf Antrag ganz oder teilweise vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe übernommen werden, wie es in §90(2) des Achten Sozialgesetzbuches geregelt ist.
- Geschwisterkinder: Manche Gemeinden gewähren für jüngere Geschwister einen reduzierten Beitrag, für dritte Kinder fällt zum Beispiel in München gar keine Gebühr mehr an.
- Bekommt der Träger staatliche Zuschüsse nach dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBig) oder nicht? Kitas, die von Kommunen beziehungsweise von Wohlfahrtsverbänden wie Kirchen oder dem Roten Kreuz betrieben werden, bekommen diese Zuschüsse und sind in der Regel deutlich günstiger als privat betriebene Krippen.
Mit den Einnahmen durch die Gebühren bestreiten die Kita-Träger vor allem die laufenden Betriebskosten. Nach Einschätzung des Bayerischen Gemeindetages macht das Personal etwa 80 Prozent der Betriebskosten aus.
Eigene Fördertöpfe für Investitionen in Kita-Einrichtungen
Für Investitionskosten wie Neu-, Aus-, Umbau, Sanierung und Renovierung von Kindertageseinrichtungen können Gemeinden beim zuständigen Regierungsbezirk Zuschüsse beantragen. Die Mittel dafür stammen aus dem bayerischen Haushalt. Die Höhe des Zuschusses ist abhängig von der Finanzkraft der Gemeinde. Finanzschwache Gemeinden bekommen einen höheren Fördersatz als finanzstarke Gemeinden. "Für Kommunen, deren finanzielle Lage dem Landesdurchschnitt vergleichbarer Kommunen entspricht, kann von einem Orientierungswert von 50 Prozent ausgegangen werden. Finanzschwache Kommunen, die von der demografischen Entwicklung besonders negativ belastet sind, können in begründeten Einzelfällen eine Förderquote von bis zu 90 Prozent erhalten", teilt die Regierung von Oberfranken mit.
Auch der Bund stellt in seinem "Investitionsprogramm Kinderbetreuungsfinanzierung" ebenfalls Geld für den Bau- und Sanierungsmaßnahmen von Kitas zur Verfügung. Für die Jahre 2017 bis 2020 sind es 1,126 Milliarden Euro, wovon 178 Millionen an Bayern gehen. Auch dieses Geld wird über die Bezirksregierungen an die Gemeinden weitergeleitet, die Kitas bauen.
Komplette Beitragsfreiheit für Kitas gibt es nur in Berlin
Die Freien Wähler begründen ihren Vorstoß zur Beitragsfreiheit in Kitas damit, dass "immer mehr Bundesländer die Eltern von diesen Gebühren befreien", wie es im Landtagswahlprogramm heißt. Tatsächlich gibt es erst ein Bundesland, das gar keine Kinderbetreuungsgebühren mehr erhebt: Berlin. In Rheinland-Pfalz fallen für Kinder ab zwei Jahren keine Gebühren mehr an. In den anderen Ländern greift die Gebührenfreiheit erst ab drei, vier oder fünf Jahren.
Fast jedes Bundesland hat seine eigene Gebührenregelung. Parameter sind dabei das Alter der Kinder, die Betreuungszeit, das Einkommen der Eltern und die Anzahl der Geschwister. Die Betreuung von Krippenkindern ist in fast jedem Bundesland nach wie vor gebührenpflichtig. Bremen und Nordrhein-Westfalen planen die komplette Beitragsfreiheit, haben sie aber noch nicht umgesetzt.
Fazit: Die Freien Wähler wollen - anders als es oft klingt - keine komplette Beitragsfreiheit für alle Kinder. Ihnen geht es vor allem um eine kostenlose Kernbetreuungszeit. Das würde trotzdem mehrere hundert Millionen Euro kosten, die die Gemeinden vom Freistaat erstattet haben wollen. Andere Bundesländer haben Kita-Gebühren teilweise abgeschafft oder planen das zu tun.