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Katholische Kirche kritisiert Seehofer

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Wie sich CSU und die Kirche zunehmend entfremden

Sie schien geradezu in Stein gemeißelt: die Beziehung zwischen CSU und katholischer Kirche. Doch in den letzten Jahren lief es nicht mehr so wie einst. Manche sehen die Verbindung gar auf dem Tiefpunkt. Von Veronika Wawatschek

Von Entfremdung ist die Rede, die Positionen entwickeln sich in unterschiedliche Richtungen - ob es nun ums Kreuz oder ums Asyl geht. Wechselseitig spricht man sich das "C" im Namen ab: Die CSU der Kirche, weil sich Kirchenobere kritisch zum bayerischen Kreuzerlass geäußert hatten. Die Kirche der CSU, weil die Parteispitzen in der Asyldebatte die Menschlichkeit missen lassen.

So hat der Nürnberger Jesuit Jörg Alt einen Offenen Brief an die CSU verfasst, weil durch den Kreuzerlass die Diskrepanz zwischen Rhetorik und praktischer Politik unerträglich deutlich geworden sei. Wer das Kreuz aufhänge, müsse sich auch am Kreuz und seinen Werten messen lassen, so Alt. Wie ist es wirklich um das Verhältnis zwischen Kirchen und CSU bestellt?

Goppel: "Kreuz-Diskussion ist unnötig"

Ortstermin im Kloster Sankt Ottilien - in der Erzabtei der Missionsbenediktiner fühlt sich der CSU-Politiker Thomas Goppel daheim. In seiner Kirche, der katholischen, fühlt sich der ehemalige CSU-Generalsekretär derzeit allerdings wenig zu Hause.

"Ich finde, dass die Diskussion um das Kreuz eine unnötige ist, denn es ist wirklich das Signet für all unsere Aktivitäten in der Welt. Dieses Signet gibt’s sonst nirgends auf der Welt." Thomas Goppel, CSU

Den Kirchenoberen wirft er im Asylstreit vor, keine Ahnung von der Welt zu haben und keine eigene Position zu haben, sondern ein Multi-Kulti-Schiff zu besteigen, auf dem nichts mehr gelte.

"Besorgniserregende Vereinfachung"

Solche Äußerungen ärgern Prälat Bernhard Piendl. Als Direktor der bayerischen Landes-Caritas ist er sozusagen der oberste kirchliche Interessensvertreter beim Thema Flucht und Migration. Er fordert mehr Menschlichkeit und nennt es besorgniserregend, dass eine komplizierte Debatte auf Schlagworte vereinfacht werde.

"Da geht es nur noch um die Zurückweisung an der Grenze, es geht um den schnellen Prozess - das ist ja gemeint, wenn man sagt 'Beschleunigung des Verfahrens' - und um Abschiebung. Aber das ist ja nur ein Teil der Wirklichkeit. Es gibt Menschen, die wirklich berechtigt und begründet zu uns kommen, weil sie Schutz brauchen, weil sie in einer Fluchtsituation sind. Aber davon ist überhaupt nicht mehr die Rede." Prälat Bernhard Piendl, Landes-Caritasdirektor

Wer das Kreuz aufhänge, müsse sich auch an den damit verbundenen Werten messen lassen, spielt Bernhard Piendl auf den bayerischen Kreuzerlass an. Während CSU und Kirchen in den 90er Jahren beim Kruzifix-Urteil noch gemeinsam marschierten, entfernt man sich in den letzten Jahren zunehmend voneinander.

Münch: "Beide kämpfen mit Verlusten an der Basis"

Ursula Münch, die Leiterin der politischen Akademie in Tutzing, sieht das Verhältnis zwischen Kirchen und CSU nicht auf dem Tiefpunkt, es gehe eher um einen schwelenden Konflikt. Beide hätten mit Verlusten an der Basis zu kämpfen. Die CSU wolle gezielt AfD-Wähler zurückgewinnen, laufe dabei aber Gefahr, andere zu verprellen, sagt Münch.

Ähnliche Gefahren sieht die Politikwissenschaftlerin auch bei den Kirchen - nur in die andere Richtung: Mit ihrem Engagement für Flüchtlinge und Asylbewerber laufe sie Gefahr, konservativere Gruppen zu verlieren.

"Das Gefährliche ist für die Kirchen und die Kirchenführung, dass man die Stimmung in der eigenen Basis unter Umständen gar nicht richtig einschätzt. Wir haben das ja beispielsweise bei den Umfragen zum Kreuzerlass gesehen. Da haben wir festgestellt, dass doch mehr als die Hälfte der bayerischen Bevölkerung offenbar eher der Linie der CSU gefolgt hat und nicht unbedingt der Linie von Kardinal Marx." Ursula Münch, Leiterin der politischen Akademie in Tutzing

Sie empfiehlt den Kirchen deshalb verbal abzurüsten, politisch Brücken zu bauen und eher seelsorgerisch tätig zu werden.

Piendl: "In der politischen Debatte verbal abrüsten"

Bayerns Landes-Caritasdirektor Bernhard Piendl kontert mit einem Vergleich: In den 90er Jahren hätte man regelmäßig in den Medien gelesen und gehört, Claudia Schiffer sei die schönste Deutsche. Danach hätte man in Umfragen genau das festgestellt: Die Mehrheit der Deutschen hielt das Model für die schönste Frau. So verhalte es sich auch in der Asyldebatte und beim Kreuzerlass.

Solange einzelne Schlagworte die Debatte dominierten, würden diese auch die Meinungsumfragen bestimmen.

"Wir haben gerade jetzt als Kirche und auch als Caritas die Aufgabe, unsererseits zu fordern, dass in der gesellschaftlichen und politischen Debatte abgerüstet wird. Wir führen eine sehr vernünftige, besonnene Sprache. Wir mahnen Menschenrechte an, wir mahnen würdiges Umgehen mit den Flüchtlingen an. Das vermisse ich oft in der politischen Debatte. Dort ist aufgerüstet worden und dort muss abgerüstet werden. Und ein Rückzug in die Sakristei - der ist mit mir nicht zu machen." Prälat Bernhard Piendl, Landes-Caritasdirektor