Demo von Kita-Beschäftigten im November 2022 in Hamburg
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Archivbild: Demo von Kita-Beschäftigten im November 2022

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Wie Kitas in München um Erzieherinnen werben

Der Fachkräftemangel macht auch vor den Kindertagesstätten in Bayern nicht halt. Der Perspektivtag in der Städtischen Berufsfachschule München zeigt: Es ist schwer, junge Menschen für den Beruf des Erziehers oder der Erzieherin zu begeistern.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Der Fachkräftemangel ist in aller Munde. Und er macht auch vor den Kindertagesstätten in Bayern nicht halt. Das Fachkräfte-Radar 2022 der Bertelsmann Stiftung geht etwa davon aus, dass bis zum Jahr 2030 in Bayern rund 67.000 Fachkräfte für Kitas und Ganzschulkinderbetreuung fehlen könnten. Auch der bayerische Träger für Kindertageseinrichtungen schlägt schon seit längerem Alarm.

Nachwuchswerbung direkt an der Quelle

Wie also an neues Personal rankommen? Das fragen sich viele Kitas in Bayern. In München sind sie deshalb jetzt dorthin gegangen, wo die zukünftigen Fachkräfte sind: An die städtische Berufsfachschule für Kinderpflege. Zum sogenannten Perspektiventag.

Info-Broschüren, Kuchen, Gummibärchen. In der Münchner Berufsfachschule für Kinderpflege in der Nähe des Kreisverwaltungsreferats, also ziemlich zentrumsnah, haben 22 Aussteller ihre Stände aufgebaut: vor allem Träger von Kindertagesstätten – wie die Stadt München, die Diakonie oder der paritätische Wohlfahrtsverband. Sie alle buhlen um den Nachwuchs in der Kinderpflege.

Perspektiventag mit Popcorn und Prospekten

"Vollgas! Jeden, der reinkommt, versuchen, zu überzeugen!" Das ist das Ziel der bunten Broschüren und der Popcorn-Maschine. "Also wir versuchen wirklich, alle Register zu ziehen," lacht die Bedienerin im Eingangsbereich.

Dass ihre Absolventinnen gefragt sind, in Zeiten des Fachkräftemangels, das bestätigt auch Irmgard Koch, die Leiterin der Berufsfachschule.

Stadt München sucht besonders viel Personal

"Sie werden heftig umworben, unsere Schülerinnen und Schüler. Gerade die Stadt München hat sehr viele Einrichtungen, aber nicht das Personal dafür", also suchen auch die Träger der Schule händeringend Personal, qualifiziertes Personal, sagt die Schulleiterin und mahnt, man müsse unterscheiden, was man wirklich will, wenn man Personal sucht für die Kinderbetreuung: "Hol ich mir einen Quereinsteiger, der das nicht gelernt hat. Oder hol ich mir jemanden rein, der wirklich eine qualifizierte Ausbildung gemacht hat, wie es an unserer Schule passiert."

Ausbildung in Stufen an Bayerns größter Kinderpflegeschule

Die städtische Berufsfachschule für Kinderpflege in München ist die größte ihrer Art in Bayern. Rund 700 Schülerinnen und Schüler machen hier gerade ihre Ausbildung zur Kinderpflegerin oder zum Kinderpfleger. Pädagogische Ergänzungskraft dürfen sich die Absolventinnen dann nennen, auf Behördendeutsch. Das ist eine Vorstufe zur pädagogischen Fachkraft, also der Erzieherin oder dem Erzieher.

Nachwuchsprobleme schon an der Fachschule

Doch es kommen immer weniger qualifizierte Schülerinnen und Schüler, beklagt Irmgard Koch. Viele verlassen die Schule schon in der Probezeit. Die zweijährige Ausbildung ist anspruchsvoll. Wer’s aber durchzieht, hat sehr gute Chancen, irgendwo unterzukommen. Rund zweihundert Schülerinnen und Schüler schreiben hier im kommenden Sommer ihre Abschlussprüfung. Und dann? Als Kinderpflegerin arbeiten – oder noch die Ausbildung zum Erzieher dranhängen. Das ist die nächste Frage.

"Deswegen sind wir auch heute hier. Um zu schauen, wie’s weitergeht. Wir schauen uns ein paar Stände an und gucken, was uns anspricht." Sich einfach mal umschauen, das wollen die jungen Besucherinnen und Besucher am Pesrspektiventag. Einige dieser Schülerinnen und Schüler möchte auch Minza Tapkan als Kinderpfleger gewinnen. Sie ist Fachberaterin im Dachverband der Eltern-Kind-Initiativen in München. Den Personalmangel kennt auch sie.

Betreuungszeiten werden immer länger

"Das Problem ist natürlich auch, dass die Betreuungszeiten insgesamt immer länger werden, sagt die Beraterin der Elterninitiativen. Gleichzeitig werden es mehr Kinder. Mit fatalen Folgen bei der Arbeitszeit. Wenn die Zeiten, die Kinder in Betreuung sein sollen, immer länger werden, dann führt das dazu, "dass eigentlich eine Vollzeitstelle gar nicht mehr den ganzen Tag abdecken kann." Für die Einrichtungen bedeutet das, dass sie im Schichtdienst arbeiten müssen, um überhaupt den Bedarf der Eltern abdecken zu können."

Denn um sich das Leben in einem Ballungsraum leisten zu können, müssen beide Eltern arbeiten. Für die Kinder braucht es also eine Ganztagsbetreuung.

Familienministerium verteilt Fördergeld

Das bayerische Familienministerium sagt, es trage viel zur Fachkräftegewinnung bei. Mehr als 860 Millionen Euro hat Bayern aus den Töpfen des sogenannten "Gute-Kita-Gesetzes" des Bundes von 2019 bekommen. Die Zahl der Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen sei in den letzten zehn Jahren um mehr als 70 Prozent gestiegen, heißt es vom Ministerium. Doch das reicht offenbar nicht aus. Und das hat Folgen für den Kita-Alltag, sagt Silvia Makas ein paar Stände weiter. Sie leitet den Kitabereich des Bayerischen Roten Kreuzes im Kreisverband Erding.

"Die, die da sind, sind immer da. Die sind von früh bis auf die Nacht da. Die sind auch mal krank. Die haben ein Recht auf Urlaub, auf Regeneration", sagt die Frau vom Roten Kreuz. Und das sei kaum noch möglich. "Wer sich ein bisschen schlecht fühlt, schleppt sich in die Arbeit, weil er seine Kollegen nicht im Stich lassen will. Das ist ein Teufelskreis, den wir jetzt schon seit Jahren spüren – und das nimmt zu."

Vorteil des Berufs: Der Umgang mit Kindern

Diese Schattenseiten sind natürlich nicht das, was die Aussteller als erstes betonen, wenn es darum geht, neue Mitarbeiter anzuwerben. Die Stadt München stellt die positiven Seiten des Beruf heraus. Klaus Weingärtner ist bei der Stadt für die Personalgewinnung in Kitas zuständig. "Wir tun viel – das Wichtigste ist die Bindung. Also sich wirklich um die Menschen kümmern, die da sind". Er verweist auf "gute Fortbildungen" und ist überzeugt, "dass die Menschen wirklich gerne jeden Tag dorthin gehen.“

Die Freude an der Arbeit mit Kindern, gern in die Arbeit gehen, das ist ein wichtiges Ziel. An diesem Perspektiventag an der Berufsfachschule spürt der Reporter: Die Motivation der angehenden Kinderpflegerinnen und –pfleger ist da.

"Ich find die Welt der Kinder einfach schön. Es ist motivierend und aufhellend. Davor hab ich Hotelfachfrau gemacht – und erwachsene Kinder sind schwieriger als die Kinder selbst. Deswegen bin ich ganz glücklich, mit richtigen Kindern zu arbeiten." - "Es macht einfach Spaß, mit Kindern zu spielen und immer mehr neue Erfahrungen zu sammeln. Das erfüllt einen auch, weil es toll ist zu sehen, wie sich Kinder entwickeln und wie sie groß werden." Schülerinnen und Schüler in der Berufsfachschule für Kinderpflege

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