Ein eingerüsteter alter Brauereigasthof in Heimenkirch
Bildrechte: BR/Markus Wessely

In einem alten Brauereigasthof in Heimenkirch entstehen Wohnungen.

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Generationen-Deal: Ein Ort schafft Wohnraum ohne Neubaugebiete

Kaum Bauland und trotzdem genug Platz für Jung und Alt? Heimenkirch im Westallgäu gelingt das mit einer Art Deal der Generationen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

"Die Gemeinde Heimenkirch hat im Jahre 2006/2007 das letzte größere Baugebiet ausgewiesen", sagt Bürgermeister Markus Reichart. Er trägt eine neongelbe Warnjacke und steht vor einem riesigen entkernten Gebäude mit offenem Dach mitten im Ort. Eine kreischende Säge auf der Baustelle unterbricht ihn immer wieder. "Alles, was danach kam", sagt Reichart, "hat sich eben auf Erweiterungsbauten im Bestand beziehungsweise auf die Füllung bestehender Baulücken konzentriert." Will heißen: Seit mehr als 15 Jahren setzt die Gemeinde auf Sanierung und Nachverdichtung statt auf Neubaugebiete auf der grünen Wiese.

Heimenkirch: Weiter keine Bauflächen am Ortsrand

Zwar soll es jetzt erstmals wieder zwei kleine Baugrundstücke geben, für Mehr- und Einfamilienhäuser. Allerdings handelt es sich dabei um vergleichsweise kleine Flächen für nur wenige Häuser. Sie helfen, die Ortschaft abzurunden, wie Markus Reichart sagt. Grundsätzlich jedoch bleibt es bei der Politik von Bürgermeister und Gemeinderat, keine Bauflächen am Ortsrand auszuweisen. Der recht langgezogene 3.600-Einwohner-Ort an der B32 soll nicht weiter zerfasern und sich nicht noch weiter nach West und Ost ausdehnen. Stattdessen wollen die Stadtverantwortlichen die Ortsmitte stärken.

Platz für alle schaffen mit einem Deal

Das Sanieren und Nachverdichten gelingt in Heimenkirch mit einer Art Generationen-Deal. So baut die Gemeinde derzeit für mehr als zehn Millionen Euro 19 barrierefreie Wohnungen in einem alten Brauereigasthof im Ort – das Gebäude mit offenem Dach, vor dem Reichart steht. Hier sollen später vor allem Ältere einziehen. Es gibt aber eine Bedingung: Nur wer im Gegenzug sein Häuschen oder seine Wohnung im Ort an Jüngere oder an Familien verkauft oder vermietet, bekommt den Zuschlag. "Wir sprechen private Baulandbesitzerinnen und –besitzer in Heimenkirch offensiv an. Ich war bei fast allen zuhause im Wohnzimmer gesessen", sagt Reichart. Anfangs gab es Vorbehalte. Inzwischen werde das von vielen Menschen im Ort akzeptiert und mitgetragen, erklärt Reichart: "Es herrscht doch ein großes Verständnis."

Bayern baut 15 Fußballfelder am Tag zu

Andernorts breiten sich Gemeinden und Städte dagegen immer weiter aus. Bayernweit werden täglich mehr als zehn Hektar Fläche zugebaut. Laut Landesamt für Statistik waren es im Jahr 2021 mit 10,3 Hektar pro Tag etwas weniger als im Vorjahr (2020: 11,6). Das sind in etwa 15 Fußballfelder, die täglich neu genutzt werden für den Bau von Wohnungen, Garagen, Industrie- und Gewerbeflächen. Ober- und Niederbayern (2,5 und 2,4 Hektar/Tag) verbrauchen den aktuellsten Zahlen zufolge am meisten Fläche. Am wenigsten wird in Unter- und Oberfranken (0,6 und 0,8 Hektar/Tag) verbaut. Schwaben liegt dazwischen (1,4 Hektar/Tag). Hier entstehen zurzeit überall Neubaugebiete.

Hunderte neue Wohnungen werden gebaut

In Kempten beispielsweise sind aktuell rund 420 neue Wohneinheiten geplant. 300 Wohnungen für rund 900 Menschen werden etwa auch in Günzburg nördlich des Bahnhofs entstehen, auf einer Fläche von vier Hektar.

In der Nähe von Heimenkirch im Landkreis Lindau wiederum plant derzeit auch Scheidegg eine neue Wohnanlage mit Kindertagesstätte, Wohnhäusern und Apartments. Insgesamt sollen rund 60 Wohneinheiten überwiegend für ältere Menschen gebaut werden. Eben erst hat auch der Gemeinderat von Opfenbach das bislang größte Wohnbauprojekt in der Geschichte des Ortes auf den Weg gebracht: Dort soll ein österreichisches Unternehmen in den kommenden Jahren 36 Wohneinheiten errichten.

Auch der Landkreis Donau-Ries will nachverdichten

Ähnlich wie die Gemeinde Heimenkirch versucht sich hingegen auch der Landkreis Donau-Ries an mehr Nachverdichtung. Als einer der ersten Kreise in Schwaben hat er vor acht Jahren damit begonnen, systematisch nach Leerständen zu suchen und Grundstücksbesitzer anzusprechen. Die Hoffnung: das Potenzial Hunderter Hektar Fläche nutzen zu können und dabei weniger zu versiegeln. Allerdings stimmten dort nur wenige Bürger einem Verkauf ihrer Grundstücke zu.

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