Zwei Saatkrähen auf der Suche nach Materialien für ihre Nester.
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Der Krähen-Hotspot Würzburg

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Warum Saatkrähen Wohngebiete bevölkern und für Ärger sorgen

Die Saatkrähe polarisiert wie kaum ein anderer heimischer Wildvogel. Etwa 170 Brutpaare nisten gerade in Würzburg. Stadt und Naturschützer bitten um Toleranz. Anwohner sind genervt. Ihnen ist jede neue Saatkrähe eine zu viel.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Im Würzburger Wohngebiet Frauenland sorgen die Saatkrähen für dicke Luft. Anwohner schauen wütend gen Himmel. 40 Nester zählen sie auf vier Bäumen. "Es ist grauenvoll", klagt eine Frau auf der Straße. Die Saatkrähen brüten in Kolonien. Im Frauenland lebt eine der größten. Die Vögel bauen ihre Nester gern in die hohen Bäume entlang der Erthalstraße.

Saatkrähen verärgern und erfreuen

Das laute Krächzen und der Dreck, den die Rabenvögel verursachen, empfinden viele hier als störend. Von März bis Mai brüten und ziehen die Vögel hier ihren Nachwuchs groß. Dabei kommunizieren sie lauthals miteinander. Ein Verhalten, das für Valeria Gerstner nur schwer zu tolerieren ist. "Die Leute hier können ihre Fenster gar nicht mehr aufmachen." Der Lärmpegel sei einfach zu hoch.

Während ein Grüppchen von Anwohnern am Gehsteig sein Leid teilt, pirscht Ornithologe Stephan Kneitz von Baum zu Baum. Er zückt sein Handy, knipst und dokumentiert seine Beobachtungen in einer App. Er zählt rund 50 Brutpaare in einem Straßenabschnitt und freut sich über jedes davon. Wer möchte, kann bei der Erfassung von Saatkrähen-Kolonien auf einer Webseite (externer Link) selbst aktiv werden, sagt Kneitz. Die Ergebnisse werden von Vogelkundlern wissenschaftlich ausgewertet.

Von Land- zu Stadtvögeln

Saatkrähen waren in den 50er Jahren fast ausgerottet. Nur 1.000 Tiere gab es bayernweit. Mittlerweile hat sich die Population erholt: 17.000 Saatkrähen leben laut dem Bayerischen Landesamt für Umwelt im Freistaat. Vom Land vertrieben, sind sie zu Stadtvögeln mutiert. Und dort sorgen sie für Ärger.

Freie Wähler und CSU wollen ein Pilotprojekt starten, um Saatkrähen abzuschießen. Ein Einsatzort für das Pilotprojekt könnte Erding sein – die Saatkrähen-Kolonie dort im Stadtpark ist auf mittlerweile rund 800 Brutpaare angewachsen und damit eine der größten in Bayern. In einer Kleingartenanlage in Eichenau östlich von München wird derzeit versucht, die Krähen mithilfe von Greifvögeln zu vergrämen. In anderen Gemeinden hat das schon funktioniert.

In Franken haben sich die Saatkrähen hauptsächlich in Würzburg und Schweinfurt angesiedelt. Hier finden sie genug Nahrung. Sie ernähren sich unter anderem von Regenwürmern, Sämereien, Insekten, aber auch Mäuse und sogar Aas gehören auf den Speiseplan. Damit fungieren sie als eine Art Gesundheitspolizei in der Stadt, sagt Steffen Jodl vom Bund Naturschutz Unterfranken.

Krähen stehen unter Artenschutz

Auch wenn mancher Anwohner ihnen am liebsten an den Kragen gehen würde, warnt Steffen Jodl vor Übergriffen. Wie alle Wildvögel in Europa stehen auch die Saatkrähen unter Artenschutz. Damit ist es verboten, die Rabenvögel bei der Brut zu stören, einzufangen oder gar ihre Nester zu vernichten. Es drohen satte Geldstrafen von bis zu 50.000 Euro. Außerdem sei der Versuch, die Rabenvögel umzusiedeln, schwierig. Wenn Kolonien gestört werden, spalten sie sich häufig auf und bilden an mehreren Standorten neue Kolonien.

Die Aufregung der Würzburger um die Krähen kann Anne Salwiczek nicht verstehen. Die junge Frau führt eine Schneiderei in der Erthalstraße und liebt das Krächzen der Tiere. Saatkrähen erinnern sie an dicke schwarze Hühner in der Luft. Dass sie Kot auf den Gehwegen und ihrem Auto hinterlassen, stört sie gar nicht. "Das kann man doch einfach mit Wasser wegwaschen", sagt sie.

Stadt Würzburg appelliert an Bevölkerung

Stadt und Naturschützer appellieren an die Bevölkerung, nachsichtig mit den Vögeln zu sein, bringen sie doch auch Natur zurück in die Stadt. Ornithologe Stephan Kneitz sagt, selbst wenn die Anzahl an Brutpaaren in den kommenden Jahren weiter ansteigt, bleibt die Vermehrung moderat. Die Brutplätze und auch die Nahrung seien begrenzt. Die Natur sorge für ein Gleichgewicht.

Die Brutzeit und Aufzucht dauere ohnehin nur etwa zwei Monate. Sobald die Jungtiere flügge werden, löse sich auch die Kolonie auf und es kehre wieder Ruhe ein. Stephan Kneitz rät deshalb, einfach auszuharren oder selbst zum Hobby-Vogelkundler zu werden. Saatkrähen seien hochintelligente Tiere und spannend zu beobachten. Sie seien sehr sozial, leben monogam und haben einen ausgeprägten Spieltrieb. So lassen sie zum Beispiel in der Luft Zweige fallen und fangen diese wieder auf.

Im Audio: Saatkrähen in Würzburg - Stadt bittet um Toleranz, Anwohner genervt

Ornithologe Dr. Stephan Kneitz beobachtet die Saatkrähen in der Würzburger Erthalstraße.
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Ornithologe Dr. Stephan Kneitz beobachtet die Saatkrähen in der Würzburger Erthalstraße.

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