"Auszogne" - Hefeteiggebäck, das im heißen Butterfett frittiert wird.
Bildrechte: BR/Judith Zacher

"Auszogne" - Hefeteiggebäck, das im heißen Butterfett frittiert wird.

Per Mail sharen
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Vorziehen, ausziehen, Auszogne: Schwäbische Faschingsspezialität

In der Faschingszeit gehören sie in Schwaben dazu: Auszogne oder Kiachla. Hefeteig, rausgebacken in heißem Fett. Das Gebäck kann man auch ganz einfach selbst zuhause backen. Noch besser werden sie, wenn man ein paar Kniffe kennt.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Hefeteig – und dann noch frittieren statt nur in den Backofen schieben: Das schreckt viele erst mal ab. Dabei eigne sich dieses Gebäck hervorragend, um es auch zuhause selbst zuzubereiten, sagt Johannes Wunderle. In seiner Backstube in Wittislingen ist er gerade dabei, die Eier aufzuschlagen. Vier ganze Eier und zwei Eigelb braucht man für etwa 25 Auszogne.

Echte Vanille für den extra guten Geschmack

Zu den Eiern kommen 625 Milliliter Milch und, für den extra guten Geschmack, die abgeriebene Schale von einer halben Zitrone und das Innere einer halben Vanilleschote. Ja, echte Vanille koste Geld, sagt Johannes Wunderle, aber, sie sei einfach viel besser als etwa künstliche Aromen. Dazu kommen noch 125 Gramm Zucker, 10 Gramm Salz, 50 Gramm Hefe, 1.250 Gramm Mehl und 125 Gramm Butter. Die Zutaten werden gründlich verrührt, bis der Teig sich langsam vom Rand der Schüssel löst. Das, sagt Wunderle, sei ein Zeichen dafür, dass sich die Zutaten gut verbunden hätten.

Zeit und Liebe wichtig für einen guten Teig

Wichtig für einen guten Teig seien auch viel Zeit und ein bisschen Liebe, aber die bringe sicher jeder, der gerne backe, mit, sagt Johannes Wunderle, der selber für sein Leben gerne backt und die Backstube in Wittislingen kennt wie kein anderer. Schon sein Opa hat hier Semmeln und Brot gebacken, dann sein Vater.

"Ich habe hier Laufen gelernt, bin mit dem Bobby Car rumgefahren. Und ab und zu durfte ich als kleiner Bub auch nachts um drei mal hier runterschauen, was unten in der Backstube so los war. Das hier ist für mich Heimat – mehr Heimat, das geht eigentlich gar nicht." Und heute steht er wieder in eben dieser Backstube: "Ich darf das tun, was ich gerne will", sagt er und strahlt.

Jurist zieht Backstube der Anwaltskanzlei vor

Dabei, schmunzelt er, habe er bisher noch gar keine entsprechende Lehre absolviert. Nach dem Abitur hat der heute 32 Jahre alte Familienvater Jura studiert, das auch abgeschlossen. Er wollte Anwalt werden. Dann aber kam vor vier Jahren eins zum anderen: Die Backstube in Wittislingen stand leer, außerdem hat ein Café in Dillingen einen neuen Pächter gesucht. "Dann habe ich zugegriffen. Ich wollte einfach nicht, dass ich mir irgendwann mal denke, hättest Du es nur probiert".

Und bisher hat er seine Entscheidung keinen Tag bereut. Er habe eine Leidenschaft für Lebensmittel, ihm mache es Spaß, schöne Dinge zu tun. Und wenn ihm dann auch noch Gäste in seinem Gartencafé sagten, es schmecke gut, dann mache ihn das einfach stolz.

Der Chef ist der Lehrling – ein Angestellter sein Meister

Deshalb steht der studierte Jurist jetzt als Lehrling in seiner Backstube. Einen besseren Lehrmeister als Walter von der Weth könnte er sich nicht wünschen. Der hat gemeinsam mit Johannes Wunderles Vater seine Lehre gemacht. Und jetzt hat er dessen Sohn Johannes in der Lehre – und der Lehrling ist gleichzeitig der Chef. Keine ganz alltägliche Beziehung, funktioniert in diesem Fall aber prima, bestätigen beide. Konditormeister von der Weth freut sich, dass er sich jetzt, kurz vor der Rente, in Wunderles Backstube noch einmal austoben darf: Bunte Clownköpfe aus Marzipan, selbstgefertigte Nikoläuse, Schokoladentafeln. Ostereier und Osterhasen stellt er ebenso her wie Torten oder eben traditionelles Gebäck wie Auszogne.

Vorziehen und Ausziehen – hauchdünn

Der Teig ist inzwischen gegangen, wird jetzt in 100 Gramm schwere Portionen geteilt. Mit bemehlten Händen formt der Konditormeister Kugeln, drückt die etwas flach und zieht sie ein bisschen auseinander – vorziehen nennt man das. Dann geht's ans Ausziehen, blitzschnell dreht er den Teig in der Hand, die Mitte wird immer dünner, außen bleibt ein dickerer Rand. Der Teig in der Mitte soll so dünn sein, dass man fast hindurchsehen kann. Diese Teiglinge lässt man dann noch mal gehen, auf einem Blech.

Bildrechte: BR/Judith Zacher
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Johannes Wunderle beim Auszogne backen.

Rausbacken in heißem Butterfett

Johannes Wunderle nutzt die Zeit, um alles ins Café im wenige Kilometer entfernten Dillingen zu transportieren. Dort wartet schon die Friteuse mit 170 Grad heißem Butterfett auf ihn und die Teiglinge. Zuhause kann man die in einem möglichst breiten Topf frittieren. Das Fett nicht zu hoch einfüllen, empfiehlt Wunderle, wegen der Spritz- und damit Verbrennungsgefahr. Ob das Fett heiß genug ist, kann man mit dem Stiel eines Kochlöffels aus Holz testen: Hält man den ins flüssige Fett und steigen kleine Bläschen auf, ist es heiß genug.

Genuss pur und das Faschingsgefühl gibts dazu

Die runden Teiglinge gibt man dann vorsichtig ins heiße Fett, lässt sie dort ruhig schwimmen und schaut nach einigen Seiten vorsichtig, ob sie unten schon braun sind. Dann dreht man sie um, lässt sie nach dem Backen abtropfen. Am Schluss wendet man sie einzeln in Zimtzucker und dann heißt es: Genießen. Wunderbar, sagt ein Gast im Dillinger Gartencafé: Süß, knusprig – und einfach, ein bisschen Faschingsgefühl, das sei das, was ihm bei diesem Geschmack in den Sinn komme.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!