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Rotmilan

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Von den Windrädern vertrieben: Der Rotmilan siedelt um

Offensichtlich ist der Rotmilan von den Windkraftanlagen im Norden Deutschlands vertrieben worden. Bewohner rund um Frasdorf und im Chiemgau entdeckten den vom Aussterben bedrohten Greifvogel neuerdings am weiß-blauen Himmel. Von Regina Fanderl

Da ist er wieder. Majestätisch schwingt sich der wunderbare Vogel in den blauen Himmel. Kaum dass er seine unglaublich langen Flügel mit den schwarzen Spitzen bewegen muss. Wenn er sich zur Seite legt, glänzt sein rostrotes Gefieder über dem rosarot schwarz gestrichelten Bauch in der Abendsonne. Spaziergänger bleiben stehen, Autofahrer drosseln das Tempo. Er ist auch heuer Jahr wieder da. Das dritte Jahr in Folge. Und es werden immer mehr.

"Ja, es ist ganz traumhaft bei uns, wenn die da kreisen mit ihren breiten Schwingen – es ist einfach toll, das die noch gibt. Sie sind herzlich willkommen! Schön, wenn sie da sind!" Anwohnerin

Bereits rund zwanzig Rotmilane in Oberbayern

Auch noch im dritten Jahr sind viele Leute in den Gemeinden Frasdorf und Aschau restlos begeistert von den neuen Mitbewohnern. Inzwischen gehen die Schätzungen schon auf zehn bis zwölf Paare. Es sind also rund 20 Rotmilane, die zwar anmutig schweben, genussvoll, wie’s scheint, aber doch immer auf der Suche sind nach Fressbarem: Mäuse, Vögel, Regenwürmer, Aas, Fische. Ein Schicksal, das dem Rotmilanweibchen in der Falknerei auf der Burg Hohenaschau erspart bleibt.

Lilli in ihrer Voliere begrüßt den Falkner Johannes Lenhart, der ganz begeistert ist von seinem Neuzugang in der Schar von Falken, Adlern und Geiern. Lilli wird gefüttert, muss also nicht in anstrengenden Touren nach Beute suchen. Ganz im Gegensatz zu ihren wilden Artgenossen, die sich, so vermutet Falkner Denhart, nicht ohne Grund plötzlich am Rand der Chiemgauer Alpen niedergelassen haben:

"Durch den extremen Maisanbau wird natürlich so viel Fläche verbaut, die ist zu, da kann kein einziger Greifvogel mehr Futter finden. Da können Tausende, Hunderttausende Mäuse drin sein, das spielt keine Rolle, der Greifvogel kann keine einzige fangen. Wir haben sie bei uns natürlich nicht. Gleichzeitig gibt’s natürlich sehr viele Gefahren wie die Windkraftanlagen, die jedes Jahr Hunderte von Milanen erschlagen durch die Windräder. Haben wir auch nicht! Also sucht er sich ein neues Gebiet." Hannes Lenhart, Falkner

Insektengifte setzten den Greifvögeln zu

Dazu kommt, dass sich allmählich die Population der Greifvögel wieder erholt, seit vor mehr als 30 Jahren das Insektengift DDT verboten wurde. Unter anderem hatte das Teufelszeug dazu geführt, dass Habicht, Bussard, Rotmilan und Co. Eier mit dünneren Schalen legten und die Brut oft nicht überlebte.

"Also wenn ich von mir herunterschaue nach Frasdorf – ich hab einen recht schönen Blick - und da schwebt dann der Rotmilan vorbei, also an Eleganz ist der kaum zu überbieten, dieser Vogel. Der hat bis zu einem Meter achtzig Spannweite, das ist wie ein ausgewachsener Mann. Der ist ein toller Segler, ein toller Flieger, das macht einfach Freude, wenn man ihn im Revier hat." Julian Richter, Freizeitjäger

Auch Julian Richter ist einer von denen, die momentan oft mit dem Blick nach oben in der Natur unterwegs sind. Der Freizeitjäger schwärmt nicht nur von dieser unverhofften Vermehrung der Artenvielfalt, sondern setzt sich mit dafür ein, dass es den Neuzuzüglern auch gefällt in der neuen Heimat:

"Da haben verschiedene Bauern und Jäger Stangen aufgestellt, wo er dann seine Beute beobachten und finden kann – so einen Ausguck quasi – das ist eine kleine Maßnahme, wo jeder Grundstückseigentümer eigentlich dazu beitragen kann, dass das für den Rotmilan eine Lebensraumverbesserung ist." Julian Richter, Freizeitjäger

Der Rotmilan mag es daheim individuell

Der auffällige Vogel mit dem gegabelten Schwanz ist überwiegend in Deutschland, Frankreich und Spanien daheim. In diesen drei Ländern lebt nahezu die gesamte Weltpopulation der Rotmilane. Manche ziehen im Winter südwärts, andere nicht. Mit einem geschätzten Bestand von rund 18.000 Paaren leben in Deutschland zwei Drittel aller Rotmilane weltweit.

"Eigentlich war der Rotmilan bei uns daheim der heimliche Wappenvogel. Nicht der Seeadler, denn den gibt es überall. Der Rotmilan ist halt ein Indikator, dass alles in Ordnung ist – wo der lebt, da muss alles zusammenpassen." Hannes Lenhart, Falkner

Deutschlands heimlicher Wappenvogel hat übrigens neben seiner Schönheit und Eleganz noch profane Charaktereigenschaften: So stattet er sein Nest etwa mit eigenartigen Fundstücken wie Tennisbällen oder Plüschtieren aus. Warum, ist unerforscht.