Corona-Impfung
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Virologe Keppler: "Kontakte reduzieren, Maske tragen, impfen"

Bringt es etwas, auf Proteinimpfstoffe wie Novavax zu warten? Ist es sinnvoll, Kinder gegen Corona zu impfen? Oliver Keppler, Leiter der Virologie der LMU München, beantwortete im BR24live User-Fragen und verwies auf die dringliche Corona-Lage.

Der Leiter der Virologie der LMU München, Oliver Keppler, hat im BR24live "ganz einschneidende Maßnahmen, die unser Leben etwas herunterfahren" gefordert, um die vierte Welle zu brechen. Die neue Variante, die in Südafrika aufgetreten sei, sei alarmierend. Die Variante scheine hochansteckend zu sein und habe in Südafrika die Delta-Variante verdrängt. Ersten Daten zufolge sei zudem gegen die Impfstoffe bis zum gewissen Grad resistent. "Diese Kombination macht uns Sorge", so Keppler. Wenngleich Impfstoffhersteller daran arbeiten, ihre Vakzine anzupassen.

Seiner Ansicht nach müsse nun jeder Einzelne dazu beitragen, die Zahlen nach unten zu bringen. "Also Sozialkontakte reduzieren, Maske tragen und bitte, bitte impfen lassen." Es sei jetzt extrem wichtig, dass die ganze Gesellschaft an einem Strang ziehe.

Bringt es etwas, auf Tot- oder Proteinimpfstoffe zu warten?

"Fragen und Antworten zur Corona-Impfung" war das Thema des BR24live (oben in voller Länge zu sehen). Etliche Userinnen und User hatten geschrieben, dass sie lieber auf den Proteinimpfstoff von Novavax warten wollen. "Wenn wir Zeit hätten, kann ich diese Wahl vielleicht nachvollziehen", sagte Keppler auf die Frage, ob es sich lohne, auf den Impfstoff von Novavax zu warten, der sich derzeit im EU-Zulassungsverfahren befinde. Denn das Prinzip der Protein-Impfstoffe sei ein etabliertes Prinzip.

Aber mittlerweile habe man mit den verfügbaren mRNA- und Vektor-Impfstoffen gegen Corona schon eineinhalb Jahre Erfahrung, beginne mit den klinischen Studien und es seien mehrere Milliarden dieser Impfstoffe weltweit schon verimpft worden. "Das heißt, wir wissen sehr gut, was sie können", so der Virologe. Das Nutzen-Risiko-Profil, Nebenwirkungen und Effektivität seien mittlerweile gut bekannt.

Novavax: Wirkprinzip bekannt, aber neuer Impfstoff

Bei Novavax sei zwar das Wirkprinzip bekannt, aber es handle doch um einen neuen Impfstoff. "Das heißt diese Abwägung zeigt für mich ganz klar in die Richtung, dass die Menschen, die bisher gedacht haben, sie warten jetzt auf dieses klassischere Wirkprinzip, das noch einmal überdenken sollten", so der Virologe. Denn die im Augenblick ansteigende vierte Welle sei massiv. "Und wir müssen wirklich aufpassen, jeder Einzelne, dass man sich jetzt nicht exponiert, infiziert und dann eben auch schwer erkrankt."

Keppler rät jedem, noch einmal zu überdenken, ob er oder sie nicht jetzt lieber zugreife mit den zur Verfügung stehenden und mittlerweile mit viel Erfahrung ausgestatteten Impfstoffen.

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Prof. Oliver Keppler von der LMU München

Sorge wegen eventueller Nebenwirkungen

Mittlerweile habe man einen "extrem guten Überblick über mögliche und auch sehr seltene Impfnebenwirkungen", sagte Keppler und sprach Herzmuskelentzündungen von insbesondere jüngeren Männern bei mRNA-Impfstoffen an. "Dazu muss man sagen, selbst diese seltene Nebenwirkung ist immer noch viermal seltener als die genau gleiche Erkrankung - die Herzmuskelentzündung - wenn ein junger Mensch, ein junger Mann an Covid-19 erkrankt". In der Literatur gebe es bisher weltweit nur zwei Fälle bei denen ein junger Mann im Zusammenhang mit der Covid-Impfung verstorben sei. "Aber das muss man ins Verhältnis setzen, zu den Milliarden von Impfdosen, die verimpft wurden."

Was man über die Nebenwirkungen von Novavax wisse, ergebe sich nur aus Studien mit 15.000 Menschen. Man solle sich immer auch die Frage nach der Datenbasis stellen. "Also ich glaube schon, dass diese Protein-Impfstoffe wie Novavax sehr gut sind", so Keppler. "Aber darauf zu warten, halte ich angesichts der jetzt doch schwierigen Infektionssituation der Dynamik und dem Risiko, wie man ja auch immer wieder bei Prominenten in der Presse derzeit zieht, für doch ein vielleicht gefährliches Spiel."

Ist es sinnvoll, Kinder ab fünf Jahren zu impfen?

Am Donnerstag hatte die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) den Impfstoff von Biontech/Pfizer für Kinder ab fünf Jahren zugelassen. Die Entscheidung der Ständigen Impfkommission (Stiko) steht noch aus. Auf die Frage, ob es sinnvoll sei, Kinder ab fünf Jahren zu impfen, sagte Keppler, dass es zunächst eine gute Nachricht, dass die Möglichkeit dazu besteht. Denn Eltern bekämen die Option, ihre Kinder in Abstimmung mit dem Kinderarzt impfen zu lassen.

Die Stiko werde sicherlich eine detaillierte Prüfung vornehmen. Einige Länder wie Großbritannien und die USA seien schon vorangegangen und hätten festgestellt, "dass der individuelle Nutzen, auch bei fünf bis elf jährigen Kindern eine Impfung durchzuführen, höher ist als das Risiko einer Erkrankung".

In dieser sehr jungen Altersgruppe sei natürlich eine schwere Covid-19-Erkrankung extrem selten und auch das Thema Long Covid sei wahrscheinlich kein großes Thema. Aber es gehe hier auch ums Sozialverhalten. "Viele der Kinder, das erzählen uns Kinderärzte, haben durchaus auch Sorge, dass sie Eltern, Großeltern oder Menschen mit Vorerkrankungen anstecken können", sagte Keppler. Zudem komme vielleicht einmal der Zeitpunkt, dass primär geimpfte Kinder in Kindergarten und Schule gehen könnten, was wichtig für ihr Sozialverhalten sei. Er persönlich sei froh, dass es die Option gebe, insbesondere auch für Kinder mit Vorerkrankungen. Er sei gespannt auf die Aussage der Stiko. Keppler betonte auch, dass mRNA-Impfstoffe "keinerlei genetische Veränderungen" bei Geimpften hervorrufe.

Sprechen Impfdurchbrüche für mangelnde Qualität?

Ab dem vierten bis sechsten Monat nach der zweiten Impfung lässt der Schutz gegen Covid langsam nach. Das heiße aber nicht, "dass die Impfstoffe schlecht sind", so Keppler. "Sondern wir haben einfach über die Zeit gelernt, dass es wichtig ist, dass wir eine dritte Impfung brauchen." Der Leiter der Virologie der LMU München empfahl jedem, sich boostern zu lassen, um den Impfschutz wieder zu erhöhen. Den Impfschutz würden alle brauchen, um weniger infizierbar zu sein und vor allem auch weniger schwer zu erkranken.

Impfdurchbrüche dürfe man nicht etwa mit einem Rohrbruch oder Ähnlichem vergleichen. "Das ist erwartet gewesen, dass Menschen, die geimpft sind, sich auch infizieren können." Aber sie würden in der Regel nicht schwer erkranken.

  • Zum "Possoch klärt! Bedeuten Impfdurchbrüche ein Impfversagen?"

Boostern für Genesene und nach Impfdurchbrüchen?

"Bisher ist es so vorgesehen, dass ein Genesener nach sechs Monaten spätestens eine erste Impfung haben sollte", erläuterte Keppler. Es gebe erste Daten, die dafür sprächen, dass auch diese Menschen von einer weiteren Impfung, also einem Booster, profitieren. Aber das hänge davon ab, wie lange die Erkrankung zurückliege. Wer sich zum Beispiel vor drei, vier Monaten infiziert habe, wäre jetzt erst mal mit der ersten Impfung dran. Zur Frage, wann sich für Genesene eine Auffrischungsimpfung empfiehlt, würden noch die großen Studien fehlen. "Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass es auch eine zweite Impfung als Empfehlungen geben wird für die Genesene", so Keppler.

Zum Boostern nach einem Impfdurchbruch gibt es noch keine goldene Regel. "Wir gehen davon aus, dass diese Infektion nach der zweiten Impfung eine weitere Stimulation fürs Immunsystem war", erklärte Keppler. "So ein bisschen analog zu einer dritten Impfung." Auch wenn eine Antikörper-Bestimmung nur eine eingeschränkte Aussagekraft besitze, würde er in diesem Fall dazu raten. Wenn die Zahl der Antikörper sehr hoch sei, "dann glaube ich, kann man erst mal von der weiteren Impfung absehen".

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