Ein Traktor mit einer Walze bei der Arbeit auf einem grünen Feld (Archivbild)
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Ein Traktor mit einer Walze bei der Arbeit auf einem grünen Feld (Archivbild)

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Verzicht auf Chemie: Getreide walzen statt spritzen

Möglichst wenig chemische Pflanzenschutzmittel auf dem Feld ausbringen – dieses Ziel verfolgen auch viele konventionelle Landwirte. Über zwei Landwirte, Vater und Sohn, die auf Wachstumsregler verzichten und ihr Getreide stattdessen niederwalzen.

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Was vermutlich nur Landwirte wissen: Getreide wird in der Regel mit chemischen Wachstumsreglern behandelt, um zu verhindern, dass die Halme zu hoch wachsen. Bei Sturm oder Starkregen knicken sie sonst leicht um. Dann liegen die Ähren am Boden und können nicht ausreifen.

Pflanzen richten sich von selbst wieder auf

Die Weizenpflanzen auf dem Acker sind bereits 20 Zentimeter hoch, wenn Landwirt Martin Bauer mit einer zwölf Meter breiten Walze über das Feld fährt und sie "niederbügelt". Eine ungewöhnliche Methode, die die Getreidehalme aber stärker und witterungsbeständiger machen soll.

"Ja, man darf sich nicht zu viel umschauen, wenn man das macht", sagt Bauer, "aber die Pflanzen stehen ja wieder auf, und die Erfahrung zeigt, dass es funktioniert." Tatsächlich liegen die Pflanzen nach dem Walzen nicht platt am Boden, sondern richten sich gleich wieder auf. Sie haben nur einen leichten Knick im unteren Halm-Bereich.

Ersatz für chemische Wachstumsregler – "Learning by doing"

Im konventionellen Landbau werden normalerweise chemische Wachstumsregler eingesetzt, doch die Bauers versuchen, das zu vermeiden. Vor drei Jahren begann Bauer in Buchbach im Landkreis Mühldorf am Inn zusammen mit seinem Vater Adi mit ersten Feldversuchen. "Da haben wir Hälfte-Hälfte gemacht, einen Teil gespritzt, einen Teil gewalzt - und haben dann gesehen, dass das Walzen den gleichen Effekt hat, wie mit der Spritze durchzufahren."

Geklappt habe die Walztechnik allerdings nicht gleich von Anfang an, erklärt Bauer. "Wie oft und wann man drüberfahren kann, war 'Learning by Doing'. Vielleicht bist du einmal zu viel drübergefahren, oder du bist nicht zum richtigen Zeitpunkt durchgefahren. Aber das lernt man mit der Zeit."

Konventionell und trotzdem möglichst wenig Chemie

Die Bauers haben zwar keinen Biobetrieb, trotzdem wollen sie so wenig Chemie wie möglich auf den Feldern ausbringen. Durch das Walzen bekommen die Pflanzen einen kleinen Knick im Halm. An dieser Stelle bildet sie einen Knoten aus, die Stängel verfestigen sich und wachsen stabiler weiter.

Allerdings werden die Halme nicht mehr so hoch, und sie knicken – wie beim Einsatz von chemischen Wachstumsreglern – später nicht mehr so leicht um. Das funktioniert jedoch nur, wenn die Pflanzen nicht zu stark gedüngt werden. "Wenn du ganz fette Pflanzen walzt, zerdrückst du sie", erklärt Vater Adi Bauer.

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Durch das Walzen bekommen die Pflanzen einen kleinen Knick im Halm

Unbehandeltes Stroh für die Schweine

Mit ein Grund, weshalb die Bauers auf chemische Wachstumsregler verzichten, sind ihre 1.200 Strohschweine. Eine Metzgerei in der Region nimmt sie ab und vermarktet sie exklusiv. Hin und wieder kommen Kunden auf den Hof und schauen sich die Tiere an, die auf dem Stroh gehalten werden und das Getreide als Futter bekommen. Für die Bauers ist es ein Qualitätskriterium, wenn im Betrieb so wenig Pflanzenschutzmittel wie möglich eingesetzt wird.

Walzen zahlt sich aus

Das Getreidewalzen hat für die Bauers aber auch noch einen anderen Vorteil: Einen Teil des Strohs verkaufen sie, meist an Kuhbetriebe als Einstreu für Kälber. Immer wieder gibt es Abnehmer, die gezielt fragen, ob das Getreide mit einem hormonellen Wachstumsregler behandelt wurde. Die Nachfrage nach ihrem Stroh sei größer geworden, seit sie walzen, sagen sie.

Und dann ist da noch die Kostenreduktion. Durchs Walzen sparen sich die Bauers zwischen 80 und 100 Euro für Pflanzenschutzmittel pro Hektar. Allerdings nicht allein durch den Verzicht auf Wachstumsregler. Die Bauers haben festgestellt, dass sie auch Fungizide weglassen können, weil sich im gewalzten Getreide Pilze nicht mehr so leicht ausbreiten, das sei ihre persönliche Erfahrung. Andere sehen genau das als mögliches Problem der Methode.

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Stroh des gewalzten Getreides für die Schweine von Familie Bauer

Methode noch nicht wissenschaftlich erprobt

Bisher gibt es keine wissenschaftlichen Untersuchungen zur Walztechnik im stehenden Getreide. An der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft überlegt man jetzt, erste Versuche zu machen. Für die Bauers hat sich gezeigt, dass die Methode funktioniert. "Manchmal war's besser, und manchmal mussten wir noch dran feilen. Aber im Großen und Ganzen sind wir jetzt so weit, dass wir das flächendeckend machen können", sagen die Bauers.

Sie sind nicht die Einzigen, die auf chemische Wachstumsregler verzichten. Im Landkreis Tirschenreuth in der Oberpfalz praktizieren einige konventionelle Landwirte schon seit vielen Jahren diese Methode: Walzen statt spritzen.

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