Symbolbild: Ein Kind versteckt sein Gesicht unter seinen Armen und liegt mit dem Kopf auf einem Tisch. (gestellte Szene)
Bildrechte: picture alliance/dpa | Annette Riedl

Symbolbild: Ein Kind versteckt sein Gesicht unter seinen Armen und liegt mit dem Kopf auf einem Tisch. (gestellte Szene)

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Schwere Straftaten: Wenn die Täter noch minderjährig sind

Straftaten von Kindern und Jugendlichen schockieren die Öffentlichkeit: Im März wurde ein Mädchen in NRW von Gleichaltrigen erstochen, in Wunsiedel strangulierte im April ein Elfjähriger eine Zehnjährige. Welche Strafen drohen minderjährigen Tätern?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Im Fall der getöteten Zehnjährigen in einem Kinderheim in Wunsiedel haben die Ermittler Details zur Todesursache bekannt gegeben. Demnach soll ein elfjähriger Junge, der ebenfalls in dem Heim wohnte, das Mädchen im April stranguliert haben. Wegen seines Alters könne er aber nicht dafür bestraft werden.

Wir klären im Folgenden, ab wann Minderjährige für Straftaten belangt werden können, welche Regeln in Deutschland gelten – und wie sie sich von anderen Ländern unterscheiden.

Der rechtliche Umgang mit Tatverdächtigen, die noch nicht erwachsen sind, bemisst sich daran, wie alt sie zur Tatzeit waren. Konkret: Waren sie zum Zeitpunkt der Tat schon 14 Jahre alt oder noch 13?

14. Geburtstag entscheidend

"Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist." So lautet der Paragraf 19 des Strafgesetzbuchs. Das bedeutet: Kinder können nach dem Gesetz strafrechtlich nicht belangt werden, gegen sie können also keine Geld- oder Freiheitsstrafen verhängt werden. Hintergrund: Nach dem wissenschaftlichen Stand über das Aufwachsen und den Entwicklungsstand von Kindern gelten sie bis zu diesem Alter in der Regel als nicht einsichts- und steuerungsfähig – und somit nicht schuldfähig. Die Wissenschaft ist sich hierzulande weitgehend einig, dass 14 deshalb eine angemessene Altersgrenze ist.

Wenn also – wie Mitte März in München geschehen – zwei Unter-14-Jährige von der Polizei dabei erwischt werden, wie sie in ein Taxi einbrechen, dann hat das für die Tatverdächtigen keine strafrechtlichen Folgen. Die Betonung liegt auf "strafrechtlich". Denn andere Konsequenzen sind sehr wohl möglich.

Zuständig für das weitere Vorgehen in Straffällen mit Kindern unter 14 Jahren sind die Jugendämter. Sie können – in Absprache mit anderen Institutionen wie Schule, Polizei und Justiz – verschiedene Maßnahmen ergreifen, die am Kindeswohl ausgerichtet sind. Im Vordergrund steht hier die Hilfe, die Resozialisierung, nicht eine Strafe.

Das fängt beim Angebot einer Erziehungsberatung oder ambulanter Hilfe an, kann aber in schwerwiegenden Fällen auch bedeuten, dass das Kind dauerhaft in einem Heim oder einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht wird.

Diskussion um Strafmündigkeitsalter

Spätestens seit dem gewaltsamen Tod einer Zwölfjährigen aus Freudenberg (Nordrhein-Westfalen) Mitte März wird über eine Absenkung des Strafmündigkeitsalters debattiert. Zwei 12- und 13-jährige Mädchen hatten gestanden, das Mädchen erstochen zu haben.

In der Tat gibt es Länder, in denen die Strafmündigkeit schon früher beginnt: In Frankreich im Alter von 13 Jahren, in den Niederlanden, Irland und Ungarn liegt die Grenze bei 12, in der Schweiz sogar nur bei 10. In mehr als der Hälfte der EU-Staaten sind Minderjährige aber erst ab 14 oder 15 Jahren schuldfähig, am oberen Ende stehen Portugal (16) und Polen (17). Teilweise gibt es allerdings Ausnahmeregelungen für schwere Straftaten wie Mord oder Entführung.

Freiheitsstrafen für Jugendliche sind möglich …

Jugendliche – also zur Tatzeit über 14-, aber unter 18-Jährige – können sich im Gegensatz zu Kindern strafbar machen. Für sie gilt das Jugendgerichtsgesetz (JGG). Das sieht eine ganze Bandbreite erzieherischer Maßnahmen als Sanktionierungsmöglichkeiten vor. Sie reichen von der gemeinnützigen Arbeit, der Teilnahme an sozialen Trainingskursen, Täter-Opfer-Ausgleichen, Verwarnungen bis zum Jugendarrest. Sollten all diese Maßnahmen zur Erziehung, und um die geht es, nicht ausreichen, kann das Jugendgericht auch eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren verhängen.

… aber selten

Zu langjährigen Gefängnisstrafen gegen Jugendliche kommt es aber selten. Für Schlagzeilen sorgte jüngst ein Urteil des Landgerichts Braunschweig. Es verhängte Ende Februar gegen einen zur Tatzeit 14-Jährigen eine Freiheitsstrafe von acht Jahren wegen Mordes.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Schüler im Juni 2022 in Salzgitter zusammen mit einem damals 13-Jährigen eine 15-jährige Bekannte getötet hat. Der 13-Jährige konnte für seine mutmaßliche Mittäterschaft strafrechtlich nicht belangt werden, weil er zur Tatzeit aufgrund seines Alters schuldunfähig war.

Im Audio: Neue Erkenntnisse im Fall des getöteten Mädchens in Wunsiedel (05.09.23)

Trauerkerzen, Blumen und ein Kuscheltier stehen auf dem Boden.
Bildrechte: BR
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Die Staatsanwaltschaft Hof hat Anklage gegen einen Mann erhoben, der eine Zehnjährige in einer Jugendhilfeeinrichtung vergewaltigt haben soll.

Hinweis: Dieser Artikel ist erstmals am 07.04.2023 auf BR24 erschienen. Wir haben den Artikel am 05.09.2023 aufgrund der aktuellen Ereignisse im Fall des getöteten Mädchens in Wunsiedel aktualisiert.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!