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Strafrechtsprofessor: Lockerungen für Gefangene "enorm wichtig"

Wie riskant sind Lockerungsmaßnahmen im Strafvollzug, also außerhalb der Gefängnismauern? Nach der Flucht eines Sexualstraftäters im Landkreis Kelheim fragen sich das viele Menschen. Ein Regensburger Professor für Strafvollzugsrecht gibt Antworten.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Niederbayern am .

Die Flucht eines verurteilten Sexualstraftäters bei einem begleiteten Ausgang im Kreis Kelheim hat am vergangenen Montag für Aufsehen gesorgt. Henning Ernst Müller, Professor für Strafvollzugsrecht an der Universität Regensburg, hält Lockerungsmaßnahmen für Strafgefangene dennoch grundsätzlich für bedeutsam.

"Generell sind Vollzugslockerungen für Strafgefangene enorm wichtig - erst mal für die Entlassungsvorbereitung, aber eben auch bei langfristig Eingesperrten muss man natürlich mit Lockerungen dafür sorgen, dass sie psychisch gesund bleiben." Professor Henning Ernst Müller

Hohe Hürden - gewisses Risiko bleibt immer

Vollzugslockerungen seien eine wichtige Maßnahme, die wegen Personalmangels und der Sicherheitsanforderungen viel zu selten angeordnet werden könnten. Grundsätzlich gibt es nach dem Bayerischen Strafvollzugsgesetz verschiedene Arten von Vollzugslockerungen. Dabei wird auch unterschieden, ob sie unbegleitet oder begleitet sind. Abhängig von der Lockerungsstufe werden im Fall einer Begleitung Justizvollzugsbedienstete oder Pädagogen und Psychologen eingesetzt. Anlässe seien neben der Entlassungsvorbereitung beispielsweise Beerdigungen oder schwere Erkrankungen von Angehörigen, sagte Müller im BR24-Interview.

Flucht bei Vollzugslockerungen sehr selten

Bei Sicherungsverwahrten seien die rechtlichen Hürden, eine solche Lockerung zu gewähren, noch einmal viel höher. "Eine entsprechende Prognose ist natürlich immer mit einem Risiko verbunden, man kann eine Gefährlichkeit nicht zu 100 Prozent ausschließen", so Müller.

Ausschlaggebend für die Gewährung einer Lockerung ist dem Professor zufolge auch, dass der Betroffene in der Justizvollzugsanstalt keine Verstöße begangen hat. "Wenn man die Statistiken anschaut, ist es ein sehr seltener Fall, dass ein Gefangener eine solche Vollzugslockerung zu einer Flucht missbraucht", sagt Müller.

Normalerweise seien Strafgefangene bei solchen Lockerungen nicht gefesselt, weil man sie in der Öffentlichkeit nicht stigmatisieren wolle. Generell geht Müller davon aus, dass mehr Strafgefangene "lockerungsfähig" sind, als die Anstalten es zulassen.

Auch Sicherungsverwahrte haben ein Recht auf Ausgang

Bei dem Mann, der im Kreis Kelheim geflüchtet war, handelt es sich um einen 59-Jährigen, der sich in der Justizvollzugsanstalt Straubing in Sicherungsverwahrung befand. Das bestätigte der Leiter der JVA, Hans Amannsberger. Ein externer Gutachter soll den vom Sicherungsverwahrten beantragten begleiteten Ausgang im Vorfeld geprüft und ein Gericht eine entsprechende Einschätzung abgegeben haben.

Für den 59-Jährigen war es die sechzehnte Lockerungsmaßnahme, berichtet Amannsberger. "Bei Sicherungsverwahrten sieht das Gesetz vor, dass diese mindestens viermal im Jahr eine Ausführung erhalten müssen", sagt er. Das könne nur verwehrt werden, wenn ganz konkrete Missbrauchsbefürchtungen bestünden.

Nach Fluchtversuch vorerst keine Lockerungen mehr

Der Mann war demnach zusammen mit einer Sozialpädagogin im Bereich des Klosters Weltenburg beim Wandern. Danach sollen die beiden in einer Gaststätte eingekehrt sein. Dort gab der 59-Jährige an, auf die Toilette zu müssen, von wo er nicht mehr zurückkehrte.

In der JVA Straubing werde man den Fall jetzt intern aufarbeiten, heißt es. Gegenwärtig bekomme der Mann keine Lockerungen mehr. In Zukunft müsste für etwaige Lockerungsmaßnahmen wieder ein externer Gutachter eingesetzt werden und ein Gericht die Lage einschätzen.

Entflohener ließ sich widerstandslos festnehmen

Die Polizei fahndete mit einem Hubschrauber nach dem Straftäter. Am selben Tag konnten die Beamten den Entflohenen nach eigenen Angaben widerstandslos in der Nähe des Klosters Weltenburg festnehmen. Passanten hatten ihn aufgrund von Medienberichten erkannt. Wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums Niederbayern BR24 sagte, gebe es keine Hinweise, dass es während der Flucht zu strafbaren Handlungen gekommen sein könnte.

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