Die Bayerische Familien- und Sozialministerin Ulrike Scharf, CSU
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Bei Verdacht auf Gewalt gegen Kinder in Kitas gibt es in Bayern ein Kontrolldefizit. Ulrike Scharf sieht nun Aufsichtsbehörden und Eltern am Zug.

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Scharf: "Schutzkonzept in der Schublade nützt nichts"

Bei Verdacht auf Gewalt gegen Kinder in Kindertagesstätten gibt es in Bayerns Kitas ein Kontrolldefizit. Das belegen BR-Recherchen. Im Kontrovers-Interview sieht Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) jetzt Aufsichtsbehörden sowie Eltern am Zug.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Gewalt gegen Kinder in Kitas – das ist laut Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) keinesfalls akzeptabel. Jeglichen Verdachtsfällen müsse sofort nachgegangen werden – und zwar von den kommunalen Jugendämtern. Die Bezirksregierungen hätten dies zu kontrollieren. Diese bündeln und koordinieren die fachlichen Interessen der bayerischen Staatsministerien auf der Ebene des Regierungsbezirks.

"Kitas sind Orte des Vertrauens," sagt Scharf im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers und stellt sich hinter die Mehrheit der Erzieherinnen und Erzieher in Bayern, die Kindern beste Betreuung und einen Schutzraum bieten würden.

Dass das in Bayern allerdings nicht überall der Fall ist, zeigen aktuelle BR-Recherchen. In 70 qualitativen Interviews mit Erzieherinnen, die BR Recherche geführt hat, geben lediglich zwei Erzieherinnen an, keine seelische oder körperliche Gewalt mitbekommen zu haben.

Kein einheitliches Konzept bei Kita-Aufsichtsbehörden

In einer Kinderkrippe im oberbayerischen Grafrath soll es 2019 zu körperlicher und seelischer Gewalt gegen Ein- bis Dreijährige gekommen sein – bei zwölf Kindern gibt es einen entsprechenden Verdacht.

Die zuständige Kita-Aufsichtsbehörde ist jedoch erst nach drei Monaten und mehreren Beschwerden aktiv geworden. Das belegen Recherchen von BR-Investigativreporterinnen. Neue, bayernweite Umfragen von BR Recherche und dem BR-Politikmagazin Kontrovers belegen: Die Kita-Kontrollen unterscheiden sich im Freistaat teils sehr stark von Ort zu Ort. Scharf: "Ich bin damit nicht zufrieden. Es darf keinen Unterschied geben, wenn es um den Schutz unserer Kinder geht."

"Schutz der Kinder hat oberste Priorität"

Zu Beginn ihrer Amtszeit als Sozialministerin im Februar 2022 habe sie gefordert, dass Schutzkonzepte umgesetzt werden, sagte Scharf. Individuelle Schutzkonzepte seien Teil der Betriebserlaubnis für Kitas. "Ein Schutzkonzept in der Schublade nützt uns nichts," sagt Scharf allerdings und appelliert auch an die Eltern, eine Kultur der Achtsamkeit und des Hinschauens zu pflegen.

Für die Kontrollen der Schutzkonzepte sieht Scharf jedoch die Verantwortung bei den Aufsichtsbehörden und verweist einerseits auf die kommunale Selbstverwaltung, sieht aber auch die Bezirksregierungen in der Pflicht.

Die Arbeit der Aufsichtsbehörden: Ein "Flickenteppich"?

Die Sozialministerin fordert im Kontrovers-Interview eine gemeinsame Grundlage für Kontrollen durch die Kita-Aufsichtsbehörden: "Wenn es um den Schutz der Kinder geht, dann darf es keine unterschiedliche Vorgehensweise geben, auch nicht, wenn es um die Feststellung des Sachverhaltes geht."

Wie eine Umfrage von BR Recherche unter den 103 Kita-Aufsichtsbehörden in Bayern jedoch zeigt, verstehen sich einige der 77 Kita-Aufsichten Bayerns, die an der Umfrage teilgenommen haben, nicht als "Ermittlungsbehörde". Und auch das Beispiel der Grafrather Kinderkrippe zeigt, dass das vom Sozialministerium geforderte Handeln eben nicht funktioniert: Erst drei Monate nach den Verdachtsäußerungen von Eltern und einer Erzieherin ist das Jugendamt 2019 hier tätig geworden. Scharf: "Wenn es um den Schutz der Kinder geht, ist das für mich nicht akzeptabel."

Video: Kontrolldefizit - Gewalt gegen Kita-Kinder

Symbolbild: Gewalt gegen Kinder
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Neue, bayernweite Umfragen von BR Recherche und Kontrovers belegen: Die Kita-Kontrollen unterscheiden sich im Freistaat teils sehr stark.

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