Fanni und Herbert Janke stehen vor der leeren Theke in ihrer Metzgerei
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Fanny und Herbert Janke in ihrer Metzgerei

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"Es ging nicht mehr": Personalnot zwingt Handwerker zum Aufhören

Wegen Personalmangel vorübergehend geschlossen – das liest man zurzeit immer öfter. In Seeg im Ostallgäu sind bei der Traditionsmetzgerei Janke die Lichter für immer ausgegangen. Die Personalnot trifft besonders das Handwerk - in allen Bereichen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Herbert Janke öffnet die Edelstahltür der Rauchkochanlage in seiner Wurstküche und zieht den Wagen heraus, in dem bisher immer die Würste zum Räuchern hingen. Alle Maschinen in seinem Betrieb hat Janke in den letzten Tagen gereinigt und fertig gemacht für den Abtransport. Alles wird verkauft. "Irgendwie blutet einem das Herz", sagt der 61-Jährige. "Wenn du alles, was du über Jahre aufgebaut hast, innerhalb kürzester Zeit veräußern und ausräumen musst – das ist ein sehr trauriger Moment."

Nach fast 70 Jahren ist Schluss mit der Metzgerei

Die Metzgerei hat Jankes Vater 1953 in Seeg im Ostallgäu aufgebaut. 1986 hat Herbert Janke sie übernommen. Nächstes Jahr hätte der Betrieb sein 70-jähriges Bestehen gefeiert. Doch dazu kommt es nicht: Herbert Janke und seine Frau Fanny müssen ihren Laden schließen. Der Grund für die Geschäftsaufgabe: Personalnot.

Eine Verkäuferin fiel kurzfristig aus, weil sie schwanger wurde. Eine weitere hat eine andere Stelle gefunden und gekündigt. Der Geselle war lange krank. Am Ende haben Herbert und Fanny Janke den Laden allein geschmissen. Von morgens um vier bis nachts um elf waren sie auf den Beinen. Und nebenher haben sie Anzeigen geschaltet, herumtelefoniert und alles versucht, um neue Mitarbeiter zu finden.

Nicht eine Bewerbung

"Wir haben uns dann bis Mitte Juni die Deadline gesetzt: Wenn wir bis dahin niemanden kriegen, dann geht es ans Aufhören", erzählt Metzgermeister Janke. "Und so war es dann auch. Wir haben bis Mitte Juni nicht eine einzige Bewerbung gehabt." Eine 90-Stunden-Woche war für die Jankes in den vergangenen Wochen ganz normal.

Auch Samstag und Sonntag haben die beiden durchgearbeitet. "Und so konnte es eben nicht mehr weitergehen", sagt Fanny Janke. "Darum haben wir uns entschieden, das Geschäft zu schließen." Und das, obwohl das Geschäft immer gut lief. "Es ging nicht mehr", sagt Herbert Janke.

Personalmangel trifft alle Bereiche im Handwerk

Der Personalmangel im Handwerk ist ein riesiges Problem, sagt der schwäbische Handwerkskammerpräsident Hans-Peter Rauch. "Wir finden niemanden im Verkauf und niemanden in der Produktion", so der HWK-Präsident. Und das betreffe alle Bereiche im Handwerk: "Wir merken jetzt – speziell nach Corona – dass es quer durch alle Gewerke geht."

Einige Betriebe könnten noch aus ihrer großen Ausbildungsleistung zehren. Doch das Problem des Fachkräftemangels werde sich mit dem ebenfalls vorhandenen Mangel an Azubis noch verschärfen: "Wenn wir jetzt keine Lehrlinge mehr haben, dann verlagert sich das in die Zukunft: Wir haben keine Betriebsübernehmer, wir haben keine Meister, und wir haben keine Neugründer, die vielleicht einmal einen Handwerksbetrieb gründen."

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An der Tür der Metzgerei Janke verkündet ein Schild: "Ab 1.08.22 wegen Geschäftsaufgabe geschlossen".
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Die geschlossene Metzgerei der Jankes in Seeg

Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, muss es nach Überzeugung des schwäbischen Handwerkskammerpräsidenten zu einem Umdenken bei Entscheidungsträgern, Eltern, Lehrern und Schulen kommen. "Wir müssen da einfach die Erkenntnis haben, dass eine Ausbildung im Handwerk ein solider Grundstock ist und dass hier kein Karriereende besteht", sagt Rauch. "Die können auch mal besser dastehen als mancher Bachelor oder Master."

Pflichtpraktikum im Gymnasium

Die Handwerkskammer Schwaben habe schon lange ein Pflichtpraktikum in den Gymnasien gefordert, damit auch Gymnasiasten mit dem Handwerk in Berührung kommen. "Jetzt haben wir bei der Politik endlich Gehör gefunden", sagt Rauch. "Der Ministerpräsident will ein verpflichtendes Praktikum, einen Handwerkstag oder Handwerkswoche in den Gymnasien einführen. Und das können wir natürlich nur begrüßen."

Werbung für das Handwerk

Die Handwerkskammer Schwaben selbst versucht laut ihrem Präsidenten, in sozialen Medien, bei Berufsbildungsmessen und an Schulen für das Handwerk zu werben. "Wir haben eine große Imagekampagne des Handwerks gesteuert aus Berlin, bei der wir versuchen, an die Jugendlichen heranzukommen", sagt Rauch. "Wenn wir den Kontakt zu den Jugendlichen haben und sie vielleicht für ein Praktikum in einem Handwerksbetrieb begeistern können, dann haben wir ganz große Erfolgsaussichten."

Tränen bei den Stammkunden in Seeg

Für die Metzgerei der Jankes in Seeg kommen all diese Bestrebungen natürlich zu spät. Seit dem 1. August ist das Geschäft geschlossen. Fanny Janke erzählt von Stammkunden, die 69 Jahre lang in ihren Laden gekommen sind, und am letzten Tag die Metzgerei mit Tränen in den Augen verließen. "Du musst die Kunden im Stich lassen", sagt die 58-Jährige. "Das tut wirklich weh. Das tut in der Seele weh."

Lichtblick: 40- statt 90-Stunden-Woche für die Jankes

Eigentlich wollten die Jankes Ihren Betrieb noch bis zur Rente weiterführen - jetzt gehen sie eben woanders arbeiten. Metzgermeister Herbert hat zwei Stellen zur Auswahl, seine Frau Fanny fängt in einer Käserei in der Nähe als Verkäuferin an. Angestellt sein – daran müssen sich die beiden nach einem Leben in der Selbstständigkeit erst noch gewöhnen. Aber sie können dem Ganzen trotz allem auch eine gute Sache abgewinnen. "Ich habe mein Leben lang seit dem 15. Lebensjahr immer samstags gearbeitet", sagt Herbert Janke. "Jetzt muss ich nicht mehr 90 Stunden arbeiten, sondern nur noch 40 - das ist das Plus daran." Und Fanny Janke hofft, dass sie jetzt nach der Arbeit mal abschalten kann. "Bei der Selbstständigkeit hast du immer gedacht: Ah, ja, das muss ich noch vorbereiten, den Kollegen muss ich noch anrufen, den Zulieferer…", sagt sie. "Und jetzt schaltest du dann halt einfach ab. Das ist neu für uns. Aber ich freue mich drauf."

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