Auf einer Wiese liegen farbige Ostereier, auf jedem befindet sich eine Cent-Münze. Dahinter sind zwei Holzstiele gegen eine Stuhl gelehnt, das ist die Rennbahn
Bildrechte: BR/Ursula Klement

Spielaufbau fürs Oarscheibn - im Hintergrund die Rennbahn

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Oarscheibn: Oberbayerisches Kultspiel gegen Feiertagslangeweile

Ostersport mit Tradition: Oarscheibn ist ein Spiel für die ganze Familie. Man braucht dazu nur eine Grünfläche, zwei Holzstiele, einen Stuhl, Ostereier und ein bisschen Geld. Ursprünglich kommt das Spiel aus Oberbayern. Und so funktioniert es.

Über dieses Thema berichtet: BR-Heimatspiegel am .

Beim Familienspiel "Oarscheibn" werden Eier ins Rollen gebracht, damit es zu möglichst vielen Kollisionen kommt. Die oberbayerische Bezeichnung setzt sich zusammen aus "Oar", also Eier, und "scheibn". "Scheiben" oder "Scheibeln" bedeutet, etwas ins Rollen bringen, heute noch gebräuchlich beim Ausdruck "Kegel scheiben".

Das Ziel

Bei dem Spiel geht es darum, mit seinem Rennei die Münzen, die auf anderen Renneiern platziert sind, herunter zu schubsen. Je mehr Münzen nach einem Lauf auf dem Gras liegen, umso besser für den Spieler, der gerade am Zug war.

Der Einsatz

Bei der Basis-Variante liegen 1-Cent-Münzen auf jedem Ei. Je nachdem, wie viel Nervenkitzel die Festgemeinschaft braucht, kann man sich absprechen und den Einsatz erhöhen. Größere Münzen sind doppelt riskant, denn sie haben eine wackligere Position auf dem Ei. Runden, die nicht um Geld spielen wollen, führen eine Punkteliste.

Die Besetzung

Es sollten mindestens drei Spieler sein. Bei mehr als zehn Teilnehmern wird es unübersichtlich und es dauert zu lang, bis man wieder an der Reihe ist. Eine Altersbegrenzung gibt es nicht. Alle, die ein Ei in eine Rinne legen können, können mitmachen.

Der Spielaufbau

Jeder Spieler, jede Spielerin braucht ein Rennei. Also ein gekochtes Osterei, das man von den anderen unterscheiden kann - durch seine Farbe, notfalls auch durch aufgemalte Nummern. Das Spielfeld ist eine beliebige Grünfläche. Wenn es an Ostern noch Schnee hat oder arg regnet, geht es auch drinnen im Haus auf einem Teppich.

Früher hat man die Rollbahn mit zwei Heurechen gemacht. Doch man kann sich auch mit zwei Besen- oder Schrubberstielen und einem Stuhl behelfen. Die Stiele bindet man weit oben zusammen und lehnt sie an einen Stuhl, sodass zwischen den Stielen eine schräge Rinne entsteht, in der man das Ei herunterrollen lassen kann. Der Übergang von der Bahn ins Gras sollte weich und nicht steil sein. Weil sonst: "Das ist natürlich ein Problem beim Oarscheibn, oft schon nach dem zweiten, dritten Schub kann das Ei ein bisschen splittern und einen Dätscherer kriegen", warnt Silvester Lechner aus Neu-Ulm. Er stammt aus Bad Aibling bei Rosenheim und hat das Oarscheibn von Oberbayern nach Schwaben gebracht.

Der Spielstart

Los geht's mit einer Trockenübung. Jeder lässt erstmal sein Rennei ins Gras rollen und dann legen alle eine Münze auf ihr Ei. Jetzt fängt der Jüngste an, nimmt sein Ei aus dem Gras und lässt es wieder die Bahn herunterrollen. Wenn es die im Feld liegenden Renneier so touchiert, dass die darauf abgelegten Münzen herunterfallen, ist es ein Erfolg. Dann bekommt der Besitzer des Angreifer-Renneis alle Münzen, die am Boden liegen. Alle legen dann wieder Münzen auf ihre Eier und es geht mit dem nächsten Spieler weiter.

Die Strategien

Ist Oarscheibn ein reines Glücksspiel? Nein. Man kann den Lauf des Renneis streckenweise beeinflussen. Laura Riffeser aus Neu-Ulm spielt seit einigen Jahren an Ostern Oarscheibn. Mit beachtlichem Erfolg. Ihr Tipp: Das Rennei eher nicht anschieben und dafür gut aussteuern. "Ich leg halt das Ei schon so hin, dass es wirklich auch da ankommt, wo ich es auch haben will."

Wenn man das Ei mit der Spitze nach rechts auf die Bahn legt, rollt es im Gras nach rechts. Die Beschaffenheit des Spielfelds spielt allerdings auch eine Rolle. Auf einer naturnahen Wiese ist der Untergrund holpriger, da ist der Lauf des Eies weniger berechenbar als auf einer gleichmäßigen Rasenfläche. Wie viel Schwung das Ei beim Start mitbekommt, kann auch entscheidend sein. Doch da ist weniger oft mehr. Mit zu viel Schmackes hüpfen die Eier manchmal aus der Rinne und machen dann eine Bruchlandung abseits der Bahn.

Mögliche Varianten

Ob derjenige, der gerade dran ist, die Bahn verschieben darf, ob man auf ein Ersatz-Rennei umsteigen darf, wenn das erste keine Schale mehr hat und ob jemand nochmal anfangen darf, wenn das Rennei aus der Bahn gefallen ist – das sind alles Aspekte, die man am besten vor Spielbeginn klärt.

Das Spielende

Das Spielende ist verhandelbar und steht am besten schon bei Spielbeginn fest. Man hört auf, wenn der erste Spieler oder die erste Spielerin zehn Punkte hat, wenn jemand sein ganzes Geld verloren hat oder einfach nach fünf Runden.

Die Verbreitung

Das Spiel stammt aus dem südlichen Oberbayern. Weil es nie ein öffentliches Spektakel, sondern immer ein Familienspiel war, ist die Datenlage dünn, so Michael Ritter, der Brauchtumsexperte des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege. "Inwieweit das heute noch ausgeübt wird, lässt sich schwer sagen." Wer Oarscheibn bei Brauchwiki eingibt, landet direkt bei "Ostereiertrudeln im Havelland" – bei der Variante braucht man einen Hügel und kein Geld. Und bei Wikipedia findet man ein paar Informationen zum Oarscheibn unter dem Begriff "Eierschibbeln".

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