Ein Krankenhauszimmer mit sogenannten Toxbetten: Hier werden Patienten mit Drogenvergiftungen angebunden um Verletzungen vorzubeugen.
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Krankenhauszimmer

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Neues Forschungsprojekt: Können Drogen-Checks Leben retten?

Die Zahl der Vergiftungen und Todesfälle durch Drogenkonsum steigen deutschlandweit. Um dem entgegenzuwirken, startet nun ein Forschungsprojekt in Nürnberg. Es soll der Frage nachgehen, ob Drogen-Checks in der örtlichen Szene Leben retten könnten.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

"Einer der größten Risikofaktoren für einen Drogentod ist der unbekannte Reinheitsgrad des Stoffs", sagt der Nürnberger Oberarzt Jan Welker. Er ist Internist, Intensiv- und Notfallmediziner. Außerdem ist er seit Jahren in der Prävention von Drogentoten tätig.

Gemischtes Heroin ist noch gefährlicher

Am Beispiel Heroin schildert er ein aktuelles Problem: Wegen der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan wird die Droge knapp – deswegen wird es immer öfter mit anderen Mitteln gemischt. Die Drogen würden so noch unberechenbarer. "Bei uns in Nürnberg ist es (Heroin, Anm. d. Red.) der Hauptkiller. Jetzt wird es vermischt mit synthetischen Opioiden, wie Fentanyl, das etwa 50 Mal so stark ist wie Heroin. Der Worst Case ist Carfentanyl, das ist 5.000 Mal stärker", erzählt er. Die Zahl der Vergiftungen und Todesfälle könnte steigen, befürchtet der Oberarzt. Und das wäre gerade in Nürnberg tragisch, da die Stadt ohnehin die meisten Drogentoten in Bayern zu beklagen hat.

Drogen vor dem Konsum prüfen lassen

Eine Möglichkeit sieht er nun im sogenannten Drug-Checking. Es handelt sich um eine Präventionsmaßnahme von Suchtberatungen, bei der vor dem Konsum der Stoff auf Reinheitsgrad und Zusammensetzung untersucht wird. "Die Daten aus anderen Ländern und Städten zeigen, dass es viele Vorteile bringt. Zum einen wissen die Leute, was sie da konsumieren. Zum anderen bekommen wir einen Überblick über die kursierenden Substanzen in der Stadt. Man weiß, dass dadurch Überdosierungen und Drogennotfälle verhindert werden. Das lokale Gesundheitssystem kann entlastet werden", erklärt Welker.

Forschungsprojekt zum Drug-Checking

Die Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU) am Klinikum Nürnberg will die Chancen solcher Angebote für Nürnberg zusammen mit der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm (Ohm) untersuchen. Die Hochschule Ansbach ist als Partner beteiligt. Das Projekt läuft über anderthalb Jahre und wird finanziell vom Bundesforschungsministerium gefördert. Die Studie "Gesundheitsförderung durch Evidenzbasiertes Drug-Checking in Nürnberg – EviDriN" wird der Frage nachgehen, ob und in welcher Form Drogen-Checks in der örtlichen Szene Leben retten könnten.

Zusammenarbeit mit Drogenberatungen

Während der Forschungsarbeit soll es aber zunächst kein Drug-Checking in Nürnberg geben. Es gehe zunächst darum, eine wissenschaftliche Grundlage zu schaffen, ob der Einsatz sinnvoll ist. Die Wissenschaftler arbeiten zusammen mit den beiden Drogenberatungen Mudra und Lilith. Sie werden zunächst Umfragen in der Szene zum Konsumverhalten durchführen. Außerdem sollen Proben von Patienten im Klinikum Nürnberg analysiert werden, um herauszufinden, welche Substanzen sie eingenommen haben und welchen Reinheitsgrad diese hatten.

Bessere Behandlung von Patienten, Entlastung der Kliniken

Der Notfallmediziner Jan Welker hat 2021 das "Nürnberger Modell" mitbegründet, ein Forschungsnetzwerk für eine verbesserte Versorgung Suchtkranker. "Allein auf unserer Intensivstation im Norden der Stadt sehen wir übers Jahr gerechnet fast 1.400 Patienten. Es sind schwere Alkoholintoxikationen dabei, aber eben auch Monointoxikationen mit Heroin, Crystal und Speed", berichtet Welker.

Die extrem aufwändige Versorgung von Menschen mit lebensbedrohlichen Drogenvergiftungen würde in Notaufnahmen und Intensivstationen viele Ressourcen beanspruchen, die dann für andere Patienten fehlen. Ein Ziel des "Nürnberger Modells" ist daher auch die Entlastung von Rettungsdiensten und Kliniken in der Region.

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