Apotheker Jürgen Baumgärtel in Kirchahorn bedient eine Kundin.
Bildrechte: BR/Markus Feulner

Ein Nachfolger für Apotheker Jürgen Baumgärtel in Kirchahorn ist bislang noch nicht gefunden.

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Mehr als nur Medizin auf Rezept: Apotheker auf dem Land gesucht

Seit Jahren sucht ein Apotheker aus dem Kreis Bayreuth einen Nachfolger für seine Apotheke. Bislang vergeblich. Eine Schließung der Apotheke würde einen bayernweiten Trend bestätigen. Doch so weit wollen es die Mitarbeitenden gar nicht kommen lassen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Franken am .

In Bayern gab es im vergangenen Jahr etwa 2.900 Apotheken, so wenig wie seit 40 Jahren nicht mehr, meldet der Bayerische Apothekerverband. Damit die Zahl an Apotheken im Freistaat nicht noch weiter sinkt, müssen aber auch Apotheker gefunden werden – zumindest in Kirchahorn im Landkreis Bayreuth scheint das schwierig zu sein.

Apotheke zählt auf dem Land oft zur Seele des Ortes

Seit zehn Jahren keine Erhöhung der Honorare, die überbordende Bürokratie, jeden sechsten Tag 24-Stunden Dienst: Jürgen Baumgärtel zählt die Nachteile seines Berufes auf, während er die Kunden bedient. Und das sind nicht wenige an diesem Montagvormittag in der Sophienapotheke in Kirchahorn. Tür auf, Tür zu: "Dreimal täglich", "Fünf Tropfen", "Hallo Schorsch, auf Wiedersehen, bis nächste Woche". Die Landapotheke bildet mit der Sparkasse und dem Dorfladen das Zentrum des Ortes. Hier wird eingekauft, geplaudert, sich getroffen. Mit vielen Kundinnen und Kunden ist Apotheker Baumgärtel per Du. Über 90 Prozent von ihnen seien Stammkunden. Dazu die niedrigen Lebenshaltungskosten im Gegensatz zur Stadt. Jürgen Baumgärtel hat seine Entscheidung, aufs Land zu gehen, nie bereut.

Kunden klingeln auch mal nach Geschäftsschluss

Vor 30 Jahren machte sich der bald 66 Jahre alte Apotheker in Kirchahorn selbstständig. Zum Jahresende möchte er aufhören. Er will mehr Zeit für die Familie und die Enkelkinder haben. Es fällt ihm ein wenig schwer, er fühlt sich wohl hier. Arzt, Lehrer, Pfarrer, Apotheker – "auf dem Dorf würden die noch was zählen", lacht er. Dabei sei Landapotheker eine Lebensentscheidung, das könne man nicht mal eben zwei Jahre machen. Die Nähe zu den Menschen gehe weit über das eher professionelle Kundenverhältnis in der Stadt hinaus. Es komme immer wieder vor, dass die Leute bei ihm auch nach Geschäftsschluss klingeln, weil ja jeder wisse, dass er über seiner Apotheke wohne. Aber in seinem Alter würden ihm die 50-Stunden-und-mehr-Wochen langsam zu viel.

Für Kirchahorn wäre die Schließung der Apotheke ein Verlust

Seit zwei Jahren sucht Jürgen Baumgärtel eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger. Vier oder fünf hätten sich vorgestellt. Sie seien ganz angetan gewesen – und dann habe Baumgärtel nie wieder etwas von ihnen gehört. "Das macht mich schon traurig", meint er. Auch ein Kooperationsmodell mit einer Apotheke in einem Nachbarort habe sich zerschlagen. Die drohende Schließung zu Silvester würde auch die Gemeinde Kirchahorn treffen, vor allem im Hinblick auf die Daseinsvorsorge.

Kirchahorn will junge Familien anziehen, es gibt Baugrund, Kindergarten, Schule. Bürgermeister Florian Questel (Die Grünen) hatte sich auch schon auf die Suche nach einem Apotheker gemacht, doch ohne Erfolg. "Wir haben hier wohl das klassische Landproblem: Alle denken, hier sei nichts los, aber das stimmt nicht." Kirchahorn liegt im Landkreis Bayreuth, am Eingang zur Fränkischen Schweiz. Der Freizeitwert ist eigentlich hoch.

Auch die Belegschaft sucht einen Nachfolger

"Apotheker/in dringend gesucht!", steht auf einem Flyer, den die Belegschaft der Sophienapotheke verteilt. Die sieben Angestellten arbeiten zum Teil seit 30 Jahren hier, wollen zusammen in Kirchahorn bleiben und arbeiten. Sie würden sich eine neue Chefin oder einen neuen Chef wünschen und rühren die Werbetrommel. "Ich habe hier die Apotheke mit eingeräumt, ich will sie nicht ausräumen", erklärt Tanja Linhardt, pharmazeutisch-technische Assistentin. Außerdem seien sie ein tolles Team, würden sich gegenseitig helfen, bei Krankheit einspringen und sie würden die Kundschaft aus dem Effeff kennen. Eine wertvolle Unterstützung für den oder die Neue, meint Linhardt.

Mit der Apotheke ginge ein Treffpunkt verloren

Und die Kundschaft? Es gebe keine große Versorgungslücke, erklärt Jürgen Baumgärtel. In Glashütten, Pottenstein und Waischenfeld seien die nächsten Kollegen. Nicht zu weit weg. Aber man müsse halt über die Berge in ein anderes Tal. Das würde sie auch nicht stören, meint Kundin Claudia Leibinger. Sie fahre dann eben fünf oder sechs Kilometer zur Apotheke anstatt einem. Jedoch fehle ihr dann der gewohnte Treffpunkt, das persönliche Gespräch. Hier in Kirchahorn kenne sie jeden, in Waischenfeld sei das schon nicht mehr so.

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