Fred Eickmeyer in seinem Gewächshaus
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Fred Eickmeyer ist studierter Gartenbauer und hat Eskusa 2010 gegründet

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Löwenzahn für Autoreifen: Firma züchtet Nutzpflanzen

Die Firma Eskusa in Parkstetten hat sich in der Pflanzenzucht einen Namen gemacht. Gemeinsam mit Landwirten produziert sie die heißbegehrte Heilpflanze Arnika. Und sie forscht daran, wie man aus Löwenzahn Autoreifen herstellen kann.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Der gepachtete Hof in Parkstetten wirkt unscheinbar. Nur ein kleines Schild am Zaun deutet hier auf die Firma Eskusa hin. Mehr oder weniger alte Gebäude rahmen die Freifläche ein. Im hinteren Teil sind Folienkonstruktionen zu erkennen. Es sind die Gewächshäuser. Hier treffen wir Fred Eickmeyer. Eickmeyer ist studierter Gartenbauer und hat Eskusa 2010 gegründet.

"Jede Pflanze braucht Liebe, Arnika braucht besonders viel"

Eickmeyer betritt eines der kuppelartigen Gewächshäuser. Auf Leisten auf dem Boden liegen Dutzende flache Anzuchtkisten. In vielen kleinen Fächern wachsen hier grüne Pflänzchen. "Das ist Arnika", sagt der Unternehmer, während er über die kleinen Blätter streicht. "Jede Pflanze braucht Liebe, um vernünftig zu wachsen, aber Arnika braucht besonders viel. Ich gieße sie meistens auch selbst."

Großer Run auf die Heilpflanze Arnika

Arnika – die uralte Heilpflanze. Sie ist empfindlich, braucht in der Zucht Fingerspitzengefühl und Handarbeit. Seit Jahrtausenden schwören Menschen auf ihre entzündungshemmende und schmerzlindernde Wirkung. In der Pharmaindustrie ist Arnika daher heißbegehrt. Zwar kann diese auch wildwachsende Arnikablüten zum Beispiel in Rumänien erwerben. Doch hat ein zu langer Winter vor zwei Jahren dazu geführt, dass die Preise explodiert sind. Kostete ein Kilo zuvor noch circa 30 Euro, müssen dafür mittlerweile über 300 Euro bezahlt werden. Und hier kommt Eskusa ins Spiel.

150 Euro für Zuchtarnika statt 300 Euro für Wildsammlungen

Eickmeyers Firma hat zwölf Mitarbeiter und zieht selbst pro Jahr rund zwei bis drei Millionen Arnikapflanzen an. Sie hat mit Landwirten Verträge geschlossen, die die Jungpflanzen dann auf ihre Felder bringen und schließlich ernten. Bei Eskusa kostet ein Kilo getrockneter Zuchtarnikablüten 150 Euro. "Von diesen 150 Euro bekommt der Landwirt 100 Euro und 50 bekommen wir", beschreibt Eickmeyer, "wir versuchen nicht, das Maximum abzuschöpfen an Gewinn, sondern wir versuchen einen moderaten Preis zu bieten, der uns langfristig ein Standbein verschafft."

Die Kunden stehen Schlange

Seitdem die Preise für wildwachsende Arnika in die Höhe schnellten, stehen die Kunden bei Eskusa Schlange. Aber erst, nachdem diese auch bereit waren, Verträge über sechs bis acht Jahre zu unterschreiben, kam man ins Geschäft. "Wir brauchen natürlich auch eine Garantie, dass wir die Ware, die wir bei den Landwirten einkaufen, auch abgenommen bekommen." Zumal die Qualität auch eine bessere sei als bei den Wildsammlungen, sagt Eickmeyer.

Arnika-Produktion reicht nicht zum Überleben

Ziel sei es, in Zukunft zehn Tonnen trockene Blüten jährlich herzustellen. Damit würden Eickmeyer und Co. ungefähr ein Sechstel des aktuellen Verbrauchs in Europa abdecken. Doch die Arnikaproduktion genüge nicht, um mit Eskusa wirtschaftlich arbeiten zu können.

Eickmeyer verlässt das Arnikagewächshaus. Ein paar Schritte über eine matschige Wiese und schon steht er unter der nächsten Folienkuppel. Hier ist das zweite Standbein seiner Firma zu betrachten – der russische Löwenzahn.

Löwenzahnkautschuk für Autoreifen

"Der hat in seiner Wurzel Naturkautschuk mit Qualitäten, Kettenlängen, die auch für die Reifenhersteller sehr interessant sind", beschreibt der gebürtige Cuxhavener. "Der Bedarf an Reifen weltweit nimmt zu. Man braucht Alternativen, weil diese Kautschukplantagen in tropischen Regenwaldgebieten sind und sich die Reifenhersteller nicht sagen lassen wollen, dass sie schuld daran sind, dass noch mehr Regenwald abgeholzt wird."

Kautschukbaumplantagen: Umweltschädlich und anfällig

Kautschuk findet sich in allen Fahrzeugreifen. Je höher die Belastbarkeit des Reifens sein muss, umso höher ist der Kautschukanteil. Doch nicht nur der Raubbau an der Natur ist ein Problem. Die Kautschukplantagen selbst sind anfällig für Pilze. Daher hat sich der Kautschukanbau mittlerweile von Südamerika nach Südostasien verlagert. Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, dass auch hier der Pilzbefall eintritt. Und dann hätte die Industrie ein Problem.

Löwenzahnkautschuk noch im Forschungsbereich

"Ich sehe uns nicht als Retter. Ich sehe uns eher als Ergänzung", sagt Eickmeyer mit Blick auf seine Löwenzahnkreuzungen. Dass der Wunsch nach Alternativen da ist, spürt der Unternehmer. "Es gibt sehr viele Anfragen. Es ist momentan allerdings so, dass das Ganze noch im Forschungsbereich ist. Wir haben noch nicht die Kautschukerträge, die wir brauchen, um das Ganze wirtschaftlich rundlaufen zu lassen."

Erste Fahrradreifen aus Löwenzahnkautschuk

Momentan fahre noch niemand in einem Pkw mit Löwenzahnkautschuk durch die Gegend. "Sie können inzwischen aber Fahrradreifen kaufen. Kleinserien werden hergestellt." Gemeinsam mit einem Konsortium um den Reifenhersteller Continental treibt Eickmeyer die Forschung voran. Es gebe internationale Konkurrenz, aber "wir haben die Nase vorn, was den Kautschukgehalt angeht. Da haben wir gute Arbeit gemacht die letzten Jahre." Zwischen zehn und 20 Prozent liege der Anteil an den Löwenzahnwurzeln mittlerweile. Jetzt gehe es darum, größere, dickere Wurzeln zu generieren.

40.000 Alltagsgegenstände enthalten Naturkautschuk

Und der Markt ist nicht nur auf Fahrzeugreifen beschränkt. Schätzungen zufolge findet sich Naturkautschuk in etwa 40.000 Gegenständen des alltäglichen Lebens – von der Matratze bis zum Kondom. Synthetische Alternativen weisen aber gerade in der Reifenherstellung nicht genügend Qualität auf. Das spiele übrigens auch in der Kriegsführung eine Rolle. So sei ein Löwenzahn-Konsortium um den Continental-Konkurrenten Goodyear in den USA mit 90 Millionen Dollar vom Verteidigungsministerium gefördert worden, sagt Eickmeyer.

Pflanzenzucht braucht Zeit

Letztlich brauche es in der Pflanzenzucht immer Zeit, um Perfektion zu erreichen. "Die Zuckerrübenentwicklung hat ungefähr 80 Jahre gedauert. Beim Löwenzahn, würde ich sagen, haben wir vielleicht zehn bis 20 Prozent des Weges geschafft. Das wird also wird noch einige Jahre, vielleicht auch Jahrzehnte brauchen, bis das Ganze wirklich perfektioniert ist", sagt Gartenbauer Eickmeyer.

Er selbst hält es mit einem Motto des französischen Wissenschaftlers Louis Pasteur. "'Der Zufall trifft nur auf den vorbereiteten Geist.' Und wir haben so viele Fragestellungen, bei denen wir sagen, okay, da haben wir jetzt keine Antwort darauf, aber irgendwann kommt jemand oder ein Zufall und liefert uns eine Antwort oder einen Lösungsansatz."

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