Thusnelda Nocker ist nach einer Becken-OP in der Kurzzeitpflege im Heim.
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Die 87-jährige Thusnelda Nocker hat einen Kurzzeitpflegeplatz.

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Kurzzeitpflege: Lange Wartezeiten, wenig Personal

In Bayern werden acht von zehn Pflegebedürftigen daheim versorgt, meist von Angehörigen. Für zwei Wochen Auszeit gibt es die stationäre Kurzzeitpflege. Doch die Plätze sind knapp. Angehörige fordern einen Rechtsanspruch auf Kurzzeitpflege.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

"Meine Mutter hat sich bei einem Sturz das Becken gebrochen und musste dann operiert werden", sagt Isabel Ogberg. Schnell war klar, dass die 87-Jährige mit Pflegestufe Drei nach dem Krankenhausaufenthalt nicht mehr in ihre Wohnung zurückkehren kann. Für die demenzkranke Frau musste ein Platz mit vollstationärer Versorgung in der Kurzzeitpflege gefunden werden.

Tochter Isabel Ogberg fragt bei vier Heimen im Umkreis von ihrem Wohnort München an. Bei dem von ihr bevorzugten Caritas-Heim St- Gisela im oberbayerischen Gräfeling stehen 50 Personen auf der Warteliste. "Ich habe immer wieder angerufen und nachgefragt." Sie selbst hätte die Mutter nicht aufnehmen können, ihre Wohnung sei wegen der Treppen nicht geeignet. Ihre Hartnäckigkeit zahlt sich am Ende aus: Oma Thusnelda bekommt einen Platz.

Kurzzeitpflege: Lange Wartezeiten auf einen Heimplatz

Wer derzeit in Bayern einen Kurzzeitpflegeplatz sucht, der muss mit Wartezeiten von mehr als einem halben Jahr rechnen, laut einer vom bayerischen Gesundheits- und Pflegeministerium in Auftrag gegebenen Studie. Nur die Hälfte der Befragten gibt an, bereits nach einem Monat einen Platz bekommen zu haben.

Laut der aktuellen Pflegestatistik (Stichtag: 31.12.2021) leben in Bayern rund 580.000 Pflegebedürftige, von denen über 80 Prozent daheim versorgt werden, der Großteil von Angehörigen. Wenn diese einmal zeitlich begrenzt ausfallen, etwa wegen Urlaub oder wenn nach einem Krankenhausaufenthalt vollstationäre Pflege nötig ist, kann eigentlich bis zu zwei Wochen Kurzzeitpflege in Anspruch genommen werden. Die Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) gibt an, dass die Versorgungslage in der Kurzzeitpflege dramatisch sei. Wer als pflegender Angehöriger seinen Sommerurlaub planen will, der muss schon Anfang des Jahres die Suche nach einem Heimplatz beginnen, bestätigen BR-Recherchen.

Online-Portale: große Nachfrage, kaum Plätze

Wer in München einen Kurzzeitpflegeplatz sucht, der kann das zum Beispiel über das Onlineportal der Münchner Pflegebörse tun. Das Angebot wird von der Landeshauptstadt und dem Landkreis München finanziert. Doch laut Angaben des Vereins der Pflegenden in Bayern (VdPB) zeigt eine aktuelle Suche, dass im Umkreis von 40 Kilometern von über 80 Einrichtungen nur zwei einen Kurzzeitpflegeplatz anbieten. Es besteht also eine Mangelversorgung. Eine BR-Anfrage zum Thema Angebotssituation lehnte die Pflegebörse ab. Nach dem Plan der Staatsregierung soll ab 2024 eine Online-Pflegebörse auch bayernweit Menschen unterstützen, Pflegeplätze und andere Versorgungsangebote zu suchen.

Doch für eine erfolgreiche Online-Vermittlung braucht es vor allem eines: Personal.

Und das fehlt überall.

Doris Schneider leitet 27 Caritas-Pflegeheime in München und Oberbayern. "Wir haben freie Zimmer, die wir aber nicht belegen können, weil wir kein Personal haben." Eine absurde Situation nach Ansicht der Geschäftsführerin. Ihrer Meinung nach brauche es mehr Personal in allen Arbeitsbereichen, die stationäre Pflege überhaupt ermöglichen: eben auch in der Hauswirtschaft, in der Verwaltung, in der Haustechnik, in der sozialen Begleitung. "Auch für diese Berufsgruppen braucht es zum Teil eine bessere Bezahlung", sagt Doris Schneider. Um die Arbeit im Pflegebereich attraktiver zu machen, schlägt sie zum Beispiel auch Gesundheitsprogramme für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor.

Sollte es einen Rechtsanspruch auf einen Pflegeplatz geben?

"Wir brauchen einen Rechtsanspruch auf einen Platz in der Kurzzeitpflege", sagt Brigitte Bührlen von der "WIR! Stiftung pflegender Angehöriger". Dadurch würde die Leistung pflegender Angehöriger endlich mehr Aufmerksamkeit in der Politik und in der Gesellschaft bekommen, meint Bührlen.

Die Münchnerin hat selbst ihre demenzkranke Mutter erst daheim gepflegt und dann in Heimen begleitet, insgesamt 20 Jahre lang. "Wir Angehörigen müssen auch mal durchschnaufen, denn wir tragen die Hauptlast der Pflege." Damit die pflegenden Angehörigen nicht ausbrennen, bräuchte es eben vor allem mehr Kurzzeitpflegeplätze. Sie weiß, dass der Rechtsanspruch auf Kurzzeitpflege mehr Personal voraussetze." Aber irgendwo muss man ja mal anfangen, das System zu ändern." Brigitte Bührlen versteht sich als Brückenbauerin zwischen Bürgern, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Für ihren Einsatz wurde sie mit der Bayerischen Verfassungsmedaille ausgezeichnet.

Gesundheitsminister Holetschek: Pflegeberufe attraktiver machen

Einen Rechtsanspruch auf Kurzzeitpflege lehnt Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) ab. "Ich verstehe die Intention, aber wir brauchen erst mehr Menschen in der Pflege." Zunächst müssten die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessert und so mehr Personal gewonnen werden. Das würde auch die Angehörigen entlasten.

Die Bereitstellung von günstigem Wohnraum für Pflegekräfte sei zum Beispiel eine Möglichkeit, um die Arbeit in der Pflege attraktiver zu machen. Hier würden Gesundheits- und Wohnungsministerium in Bayern eng zusammenarbeiten, sagt Minister Holetschek. Wichtig seien aber auch andere Gehaltsstrukturen, etwa mehr Steuererleichterungen für Pflegekräfte. "Letztlich brauchen wir eine große Pflegereform!" Hier sei der Bund gefragt, meint Holetschek.

Im Video: Wahre Helden des Alltags: Pflegende Angehörige

Pflegende brauchen auch einmal eine Auszeit. Aber Plätze in der Kurzzeitpflege sind rar.
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Pflegende brauchen auch einmal eine Auszeit. Aber Plätze in der Kurzzeitpflege sind rar.

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