Kinderbetreuung
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Hohe Gebühren - Wenn die Kinderbetreuung zum Luxus wird

Für viele Eltern in Stetten im Unterallgäu war die Nachricht eine Erleichterung: endlich eine Krippe im Ort. Bislang mussten Kinder unter drei Jahren in Nachbargemeinden betreut werden. Allerdings ist die neue Krippe für viele zu teuer.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Der Fachkräftemangel in Kindergärten und Krippen ist so dramatisch, dass im Frühsommer im niederbayerischen Weng bei Landshut sogar ein Job-Speed-Dating angeboten wurde. Aber auch die Kosten für einen Betreuungsplatz sorgen für Probleme, wie das Beispiel Stetten im Unterallgäu zeigt. Eltern müssen hier tief in die Tasche greifen, wenn sie ihre Kinder in der neuen und lang ersehnten Kindertagesstätte unterbringen wollen.

Kindertagesstätte in Stetten - neu und teuer

Schaukeln und ein Kletterturm mit rotem Dach und Rutsche stehen schon im Garten. Und auch sonst sind die Bauarbeiten an der neuen Kindertagesstätte in Stetten fast abgeschlossen. Bis jetzt gab es nur einen Kindergarten und keine Krippe in dem rund 1.400-Einwohner-Ort. Viele Eltern haben sich deshalb auf die Krippe gefreut - bis klar war, was sie kosten wird.

"Mir ist alles aus dem Gesicht gefallen, ehrlich gesagt. Wir wussten - das war angekündigt - dass es teurer wird, aber, dass wir doppelt so teuer wie der Durchschnitt im ganzen Landkreis sind – ich war wirklich fassungslos", sagt Svenja Handfest. Ihr Sohn sollte die neue Krippe eigentlich besuchen. "Wegen der immens hohen Gebühren wird der Kleine nicht hier in die Krippe gehen", sagt sie.

Teuerste Krippe im Landkreis

330 Euro pro Monat sollen drei bis vier Stunden Betreuung in der neuen Krippe in Stetten kosten. Die Gemeinde ist Träger der Einrichtung. Nach Zahlen vom Februar 2023 kostet ein Krippenplatz mit Betreuung von drei bis vier Stunden im Durchschnitt im Unterallgäu rund 140 Euro.

Die aktuellen Durchschnittswerte werden im Moment erneut erhoben und laut einer Sprecherin etwas höher ausfallen. Doch auch dann sind viele Einrichtungen weiter nur halb so teuer. An die Preise von Stetten wird wohl keine Einrichtung herankommen. Diese ist Stand jetzt die teuerste im Landkreis.

Stetten kann sich niedrigere Gebühren nicht leisten

Darauf ist der Stettener Bürgermeister, Uwe Gelhardt, nicht stolz. Er sagt, die Gemeinde habe alles versucht, um die Plätze billiger anzubieten. "Aber wir können es uns aufgrund der momentanen finanziellen Lage und den anstehenden Aufgaben der Gemeinde Stetten nicht leisten, niedrigere Gebühren für die Kita Regenbogen anzubieten und die Plätze den Eltern billiger zur Verfügung zu stellen", sagt er.

20 Prozent höhere Gebühren für Krippen in Mindelheim

Auch andere Gemeinden kämpfen mit den Kosten, zum Beispiel die Kreisstadt Mindelheim. Dort wurden die Krippengebühren dieses Jahr um 20 Prozent erhöht. Eine Betreuungszeit von vier Stunden pro Tag kostet jetzt statt 180 Euro pro Monat 216 Euro.

Bürgermeister Dr. Stephan Winter sagt: "Grund für die Erhöhung im gesamten Kindertagesstättenbereich waren die deutlich gestiegenen Personalkosten durch die entsprechenden Tarifabschlüsse und zusätzliche Personaleinstellungen." Dabei habe die Stadt nicht einmal die volle Personalkostensteigerung weitergegeben.

Deutlich teurer als der Durchschnitt

Julia Sassen wohnt mit ihrer Familie in Stetten und hat drei Kinder. Sie hätte sich mehr Verständnis für die Situation der Eltern gewünscht. Sie sagt: "Ich habe einfach nicht verstanden, warum die Gebühren so viel höher als der Durchschnitt sind. Die anderen Gemeinden hier im Umkreis kriegen es ja auch hin." Zum Beispiel die acht Kilometer entferne Nachbargemeinde Dirlewang. Dort kostet der Krippenplatz für vier Stunden 190 Euro. In Sontheim sind es 129 Euro.

Auf die Frage, wie es die Gemeinde Sontheim schaffe, einen Krippenplatz günstiger als der Landkreisdurchschnitt anzubieten, schreibt Bürgermeister Alfred Gänsdorfer dem BR-Studio Landsberg-Mindelheim: "Wir verstehen uns als familienfreundliche Gemeinde und unterstützen junge Familien gerne darin, ihre Lebensplanung entsprechend gestalten zu können. Natürlich ist dies ein Mehraufwand für die Gemeinde, der aber, falls die Eltern dann dadurch die Möglichkeit haben, durch Ihre Tätigkeit den Fachkräftemangel zu beheben, gerechtfertigt ist."

Auch komme die Arbeit der Eltern wieder den Sozialversicherungssystemen und dem Steueraufkommen zugute. Es sei eine sinnvolle Maßnahme. Denn: "Wir unterstützen somit aus Überzeugung die Eltern in der freien Gestaltung ihrer Lebensplanung."

Kinderbetreuung oft defizitär

Dass der Landkreisdurchschnitt von rund 140 Euro für die Gemeinde ein Anhaltspunkt für die Berechnung sei, sagt Birgit Steudter-Adl Amini. Sie ist Bürgermeisterin in Kammlach. Dort kostet eine Krippenbetreuung bis vier Stunden 120 Euro, also 210 Euro weniger als in Stetten.

"Wir sind immer bemüht, dem Ausgleich zwischen Wirtschaftlichkeit der Einrichtung und Sozialverträglichkeit Rechnung zu tragen. Der soziale Aspekt der Gebührenberechnung fällt dabei höher ins Gewicht, um Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen und junge Familien zu unterstützen", sagt sie. Und weiter: "Kindertageseinrichtungen mit allen Gruppen, von Krippe, Kindergarten und Hort sind in der Gemeinde Kammlach durchgehend defizitär."

Gemeinden können Beiträge selbst bestimmen

Laut Landratsamt Unterallgäu ist es Sache der Träger oder Gemeinden, wie sie die jeweiligen Betriebskosten finanzieren, in der Gestaltung sind sie frei. Eine Sprecherin sagte dem BR: "Vonseiten des Freistaats Bayern gibt es eine kindbezogene Förderung und jede Kommune muss einen kommunalen Anteil zur Förderung leisten. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit der Erhebung von Elternbeiträgen. Die Höhe der Elternbeiträge legt der Träger fest."

Trotz der Gebühren bleibt die Kinderbetreuung für die Gemeinden im Landkreis ein Minusgeschäft. Jede Kommune muss selbst entscheiden, wie sie den Verlust kompensiert – und wie viel sie davon an die Eltern weitergibt.

Eltern müssen auch beruflich umplanen

"Wir wären bei fast 1.000 Euro Kinderbetreuungskosten im Monat und das ist nicht machbar", sagt Marvin Drechsler aus Stetten. Seine Söhne sind zwei und vier Jahre alt und die Familie ist auf die Kinderbetreuung angewiesen. Er und seine Frau arbeiten beide Vollzeit und sie müssen ein Haus abbezahlen. "So wie es momentan geplant ist, können wir uns das nicht leisten", sagt Marvin Drechsler.

Sonja Burghart wird ihren Sohn jetzt gar nicht in der Krippe anmelden. Sie sagt: "Ich muss den halben oder dreiviertel Monat arbeiten gehen, damit ich mir die Krippe leisten kann, das macht für mich keinen Sinn." Ähnlich geht es Ilona Knöpfle aus Stetten: "Der Kleinste bleibt zu Hause und dann muss ich auch zu Hause bleiben. Mein Mann arbeitet im Schichtdienst und ist mit den Arbeitszeiten nicht flexibel."

Junge Familien in der Zwickmühle

Das bringe viele Eltern in eine schwierige Situation, sagt Svenja Handfest: "Heute geht es ja fast gar nicht, dass ein Elternteil mehrere Jahre zu Hause bleibt und nichts verdient, nicht in die Rentenkasse und die Altersvorsorge einzahlt und dann hinterher beide von einer Rente leben können."

Und für Julia Sassen ist klar: "Ich will arbeiten gehen, denn umso länger ich zu Hause bleibe, umso schwieriger wird der Wiedereinstieg in meinen Job. Ich arbeite in einer IT-Firma, da bleibt die Zeit nicht stehen." Die Gebühren in Stetten wurden durch einen Gemeinderatsbeschluss festgesetzt. Zumindest in diesem Jahr wird sich daran nichts ändern.

Dieser Artikel ist erstmals am 03. Oktober auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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