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Horst Seehofer

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Seehofer unter Druck

Seehofer unter Druck

Der Unmut in der CSU über Parteichef Seehofer wächst. Viele sind verärgert, dass er seinen Rivalen Söder nicht mit in das Team für die Jamaika-Sondierungen geholt hat. Viele zweifeln, ob er die CSU noch erfolgreich führen kann. Von Sebastian Kraft

Nach dem historisch schlechten Wahlergebnis der CSU bei der Bundestagswahl wächst in großen Teilen der Basis der Unmut über Horst Seehofer. Für die Zeit der Koalitionsverhandlungen in Berlin sollen Personaldebatten unterdrückt werden, doch ob Seehofer die CSU wirklich in die bayrische Landtagswahl 2018 führen wird, ist unsicherer denn je.

Die Woche hatte für Horst Seehofer eigentlich verheißungsvoll begonnen. Die Einigung mit Kanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingsfrage trägt CSU-Handschrift. Doch diesen Schwung konnte Seehofer nicht mit nach München nehmen. Im Bayerischen Landtag wird er erneut mit Rückzugsforderungen konfrontiert und macht zwei entscheidende Fehler, die in der Landtagsfraktion für Unmut sorgen.

Nicht offen für Kritik?

Dabei verlief die Aussprache mit den 100 Abgeordneten am Mittwochnachmittag für Seehofer eigentlich gut, nur einzelne grummelten. Doch bevor Seehofer den Sitzungssaal betrat, sagte er vor der Tür zu Journalisten einen Satz, der in Windeseile den Weg nach drinnen fand: "Ich lese zwar jeden Tag, dass ich unter Druck bin, empfinde es aber nicht so." Den Eindruck, dass Seehofer für Kritik nicht offen ist, wird er seitdem nicht mehr los. Die ersten Vergleiche mit den Endphasen der Ära Kohl oder Stoiber, die sich nur noch mit engen Vertrauten umgaben, lassen nicht lange auf sich warten.

Böses Foul für Söder-Lager

Für noch größeren Unmut sorgte aber der zweite Fehler: Seehofer beruft seinen innerparteilichen Rivalen Markus Söder nicht ins CSU-Kernteam für die Jamaika-Sondierungen in Berlin, obwohl Finanzthemen wie Steuerentlastungen mitverhandelt werden müssen. Die Personalie versucht Seehofer dann auch noch umständlich zu erklären: Er müsse ja alle seine fünf Stellvertreter berücksichtigen, Söder könne ja später bei Koalitionsverhandlungen noch dazu kommen. Einer dieser Stellvertreter ist der Augsburger Oberbürgermeister Kurt Gribl. Er soll jetzt auch für Finanzen zuständig sein. Für das Söder-Lager ein böses Foul.

Parteiinterne Rufe nach Rückzug

Parallel kommen fast täglich neue Meldungen von der Basis, die Seehofer entweder zum Rückzug oder zu einem geordneten Übergang auffordern. Nach den Bezirken Oberpfalz und Oberfranken sorgten am Donnerstag Teile der CSU München für Aufruhr. Es geht um ein Treffen von Kreisvorsitzenden und einem Papier über die Personalie Seehofer, das angeblich geschrieben werden soll. Der stellvertretende Generalsekretär Markus Blume, selbst aus München und zu dem Treffen nicht eingeladen, spricht sogar von einem "Hinterhalt" - eine Wortwahl, die zeigt, wie blank die Nerven mittlerweile liegen.

Zweifel an Glaubwürdigkeit

Dazu kommt der unausgesprochene Protest, von dem viele Abgeordnete aus allen Landesteilen erzählen, die öffentlich kein Öl ins Feuer gießen wollen. Der Tenor ist derselbe: die Verdienste und Leistungen von Seehofer werden gewürdigt, sein Triumph 2013 mit der Rückeroberung der absoluten Mehrheit ist unbestritten. Aber jetzt treibt viele die Sorge um, dass Seehofer nicht mehr die Kraft und - nach all den Wendungen und Auseinandersetzungen mit Merkel in der Flüchtlingspolitik - nicht mehr die Glaubwürdigkeit hat, dieses Ergebnis 2018 zu verteidigen. Der ehemalige Parteivize, Peter Gauweiler, gab dieser Einschätzung mit einem Interview unter dem Titel "Horst, es ist Zeit" quasi die Überschrift.

Einzige Alternative hat viele Gegner

Die beiden Stärksten in der Partei, Seehofer und Söder, sollen an einem Strang ziehen und einen geordneten Übergang vereinbaren - so der Wunsch von vielen aus der CSU. Das Problem: Diese beiden Stärksten hegen eine tiefe Abneigung gegeneinander und wirkliche Alternativen drängen sich gerade nicht auf: Innenminister Joachim Herrmann hat als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl nicht mal ein Mandat bekommen. Ilse Aigner, Alexander Dobrindt und der Europapolitiker Manfred Weber gelten als nicht stark genug, auch wenn sie eines eint: der Wille Söder zu verhindern.

So bleibt der Kern des Problems, das Söder zwar derzeit die einzige Alternative zu Seehofer ist, aber trotz Unterstützung von großen Teilen der Basis (auch in Oberbayern) in der Führungsriege viele Gegner hat. Einige haben die Hoffnung, dass der Ernst der Lage und die wieder einmal existentiellen Landtagswahlen 2018 die beiden zwingen muss, sich auf einen geordneten und für beide gesichtswahrenden Übergang zu einigen. Andere bezweifeln das, zu tief sei das Zerwürfnis.

Viel Zeit bleibt nicht mehr. Denn wenn einer der beiden sich gegen den Willen des anderen durchsetzt, wird er eine zerrissene Partei hinterlassen - und ein Wahldebakel ähnlich wie 2008 mit dem Verlust der absoluten Mehrheit wäre für die CSU die wahrscheinliche Folge.