Leichenkutsche aus dem 19. Jahrhundert im Freilichtmuseum Glentleiten - nach der Kältebehandlung jetzt ohne Schädlinge.
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Leichenkutsche aus dem 19. Jahrhundert im Freilichtmuseum Glentleiten - nach der Kältebehandlung jetzt ohne Schädlinge.

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Glentleiten: Kutschen holzwurmfrei dank Fraunhofer-Technik

Wer den Holzwurm in Möbeln hat oder die Motten im Schrank, der wäre froh über diese Technik: Im Freilichtmuseum Glentleiten bei Murnau war jetzt der Freezer-Container im Einsatz. Mit ihm geht es Schädlingen an den Kragen - pestizidfrei.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Im Freilichtmuseum Glentleiten in Großweil bei Murnau gibt es 80.000 Ausstellungsstücke aus vielen Jahrhunderten. Damit sich da nicht die Motten oder anderes Ungeziefer ausbreiten, hat das Museum jetzt vier Wochen lang eine überdimensionale Gefriertruhe eingesetzt - den sogenannten "IPM Freezer", eine Entwicklung des Fraunhofer-Instituts in München zum Schutz von Kulturgütern.

Kein Kondenswasser dank Fraunhofer-Technik

Die riesige Blechkiste ist rein äußerlich ein Übersee-Container, knapp 2,60 Meter hoch und über zwölf Meter lang. Mit der Tiefkühlfunktion werden normalerweise verderbliche Lebensmittel aus Südafrika, Neuseeland oder Südamerika zu uns transportiert. Allerdings wurde dieser Container vom Fraunhofer-Institut so umgebaut, dass sich kein Kondenswasser beim Einfrieren bildet - zur Schonung der Möbel und anderen Objekte. Bei Minus 30 Grad wird darin den Motten oder Holzwürmern in alten Ausstellungsstücken der Garaus gemacht.

Gerade rollt die Restauratorin Maria Wimmer mit ihren Kollegen die Leichen-Kutsche aus dem 19. Jahrhundert wieder aus dem Container. "Wir hatten ein größeres Problem mit unseren Kutschen, da nagt der Holzwurm. Und bei den gepolsterten Wagen haben wir Mottenlöcher", sagt die Fachfrau. Nach drei Tagen im Froster sind alle Schädlinge mausetot. Ein paar Sägespäne vom Holzbock sind Zeugen der Vergangenheit und liegen noch verstreut auf der Deichsel. Jetzt kann das gute Stück im Depot überwintern, bevor es in der nächsten Saison wieder im Museum ausgestellt wird.

Ganz ohne Pestizide

Der Leichenwagen ist das letzte Stück, das nach vier Wochen den Freezer verlässt. Viele Kutschen, antike Schränke und Sessel vergangener Epochen wurden inzwischen schockgefrostet. Im Depot kontrollieren Maria Wimmer und ihre Kollegen das Ergebnis der Gefrieraktion. In der Polsterung alter Sessel findet man jetzt die letzten Flügel der Motten, aber aus den dort abgelegten Eiern wird im nächsten Frühling nichts mehr schlüpfen.

Das besondere an der Technik ist, dass sie auf Pestizide verzichtet. "Sie funktioniert gift- und rückstandsfrei", sagt die Restauratorin. Die spezielle Kälteprogrammierung des Containers verhindert die Bildung von Kondenswasser und damit von Kälteschäden an den Ausstellungsstücken.

Moderne Technik und "sehr hoher Aufwand"

Die neue Direktorin des Freilichtmuseums, Julia Schulte to Bühne, ist froh über diese Technik. "Wir betreiben da einen sehr hohen Aufwand", sagt sie - und der lohne sich. Die Ausstellungsstücke würden regelmäßig untersucht. Irrtum, wer da meint, das Museum befinde sich in diesen Monaten im Winterschlaf.

Mit der Gefrieraktion werden unter anderem Exponate vorbereitet für eine Ausstellung, die im kommenden Jahr in Fladungen in der Rhön (Unterfranken) gezeigt wird. Die bayerischen Freilichtmuseen arbeiten eng zusammen. Auf der Glentleiten in Großweil bei Murnau wird jetzt die kommende Saison vorbereitet. Die Türen für die Öffentlichkeit öffnen sich am Josefitag wieder, dem 19. März 2023.

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