Geldnot im Schutzraum: Wenn Frauen für Sicherheit zahlen müssen
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Geldnot im Schutzraum: Wenn Frauen für Sicherheit zahlen müssen

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Geldnot im Schutzraum: Wenn Frauen für Sicherheit zahlen müssen

Frauenhäuser in Bayern sind finanziell abhängig. Zum Beispiel davon, wie viel Geld die Kommune hat. Hat sie keines, müssen die Frauen selbst Tagessätze zahlen. Die Bundesregierung hatte vor drei Jahren eigentlich versprochen, das zu ändern.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Zwölf Betten. So viel kann Inge Heindl in ihrem Frauenhaus in Regensburg anbieten. Für Frauen und Kinder, die misshandelt werden und Gewalt erfahren haben. Insgesamt zwölf Betten und an fast allen Tagen im Jahr sind diese Betten belegt. "Das heißt, es kann auch passieren, dass sich Frauen an uns wenden, die akut von Gewalt betroffen sind und wir leider keinen Platz freihaben - und das ist natürlich kein guter Zustand." Heindl versuche dann immer eine Notlösung zu finden - in einem anderen Frauenhaus. Oder sie versuche, über das Gewaltschutzgesetz eine Wohnungszuweisung zu erwirken.

Wenn Frauen den Frauenhaus-Aufenthalt selber zahlen müssen

Eigentlich ist das Regensburger Frauenhaus von Inge Heindl sogar noch in einer finanziell privilegierten Lage: Abgesehen von Spenden bekommt sie, wie alle Frauenhäuser in Bayern, einen Zuschuss vom Sozialministerium. Darüber hinaus – und das ist ihr Vorteil – bekommt sie Geld von Landkreis und Kommune. So eine zusätzliche Pauschalfinanzierung ist aber nicht allen Frauenhäusern in Bayern sicher.

Viele Frauenhäuser in Bayern müssten ihre Kosten mit einer sogenannten Tagessatz-Finanzierung stemmen. Das geben Landkreise und Kommunen so vor. "Das heißt, dass die Frauen den Frauenhaus-Aufenthalt im Grunde zahlen müssen", erklärt Heindl. Dies zeige, dass in Bayern die Finanzierung der Frauenhäuser "sehr stark" auf dem Rücken der Frauen ausgetragen würden.

"Gewaltschutz ist eine staatliche Aufgabe"

Zwischen 50 und 100 Euro müssten die Frauen dann pro Tag bezahlen, damit sie sicher sind. Ein ungerechter Finanzierungs-Flickenteppich, den Sylvia Haller abschaffen will. Sie ist Vorstand in der zentralen Informationsstelle für autonome Frauenhäuser (ZIF) und im Frauenrat. Haller möchte, dass jedes Frauenhaus so einen Pauschalbetrag wie Heindl bekommt – finanziert aus einem deutschlandweiten Topf, in den Bund, Länder und Kommunen einzahlen.

"Ganz abgesehen von der individuellen Situation der Frau sagen wir auch: Gewaltschutz ist eine staatliche Aufgabe und kann nicht der Frau überlassen werden." Deshalb, so Haller, müssten sich alle drei Ebenen, Bund, Land und Kommune, an der Finanzierung beteiligen, damit Frauenhäuser aus einer Hand Geld bekämen.

Ministerium verweist auf "kommunalen Daseinsvorsorge"

Dass rund 50.000 Frauen jährlich in Bayern Opfer von häuslicher Gewalt sind, sei nicht hinnehmbar. Das findet auch Simone Strohmayr, die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag. Sie fordert den Freistaat auf, mehr zu bezahlen. "Die Förderung des Freistaats muss sich unbedingt mindestens verdoppeln."

Mit rund 6,65 Millionen Euro bezuschusse der Freistaat jedes Jahr die bayerischen Frauenhäuser. Abgesehen davon sei der Schutz von Frauen aber "in erster Linie Aufgabe der Landkreise und kreisfreien Städte im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge", teilt das bayerische Sozialministerium mit.

SPD: "Wir sind auf Bundesebene dran"

Viele Kommunen könnten die finanzielle Last einer Pauschalfinanzierung nicht tragen, sagt dagegen der Bayerische Städtetag. Und Schuld an dem finanziellen Flickenteppich sei das komplizierte Sozialgesetz – da müsse die Bundesregierung ran.

Eben jene hatte im Koalitionsvertrag eine "verlässliche und bundeseinheitliche Finanzierung" versprochen. "Ja, da sind wir auf Bundesebene dran", sagt Simone Strohmayr von der SPD. "Das wird gerade zwischen den verschiedenen Gremien ausklamüsert." Sie hoffe, dass die Ampel die Verhandlungen noch in dieser Legislatur "durchbekommt".

Frauenhäuser: Keine Frau wird abgewiesen

Das Bundesfrauenministerium sei derzeit im Austausch mit den Ländern und Kommunen sowie mit der Zivilgesellschaft, um einen "bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung zu schaffen", heißt es. Ziel sei es, noch in diesem Jahr "einen Referentenentwurf vorzulegen", teilte das Ministerium dem BR mit.

Bis es so weit ist, lautet die Botschaft von Sylvia Haller und Inge Heindl: Unabhängig davon, dass aktuell in ganz Deutschland laut Haller 14.000 Betten fehlen, und unabhängig davon, ob sich eine Frau Tagessätze leisten kann oder nicht: Keine Frau muss sich Gewalt aussetzen - die Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser versuchen immer, eine Lösung zu finden.

Video: Interview mit Sylvia Haller zum Finanzdefizit der Frauenhäuser

Interview: Sylvia Haller zum Finanzdefizit der Frauenhäuser
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Interview: Sylvia Haller zum Finanzdefizit der Frauenhäuser

Falls Sie von Gewalt betroffen sind oder Betroffene kennen, können Sie auf der Internetseite der bundesweiten Frauenhaus-Suche nachschauen, wo das nächste freie Bett in Ihrer Nähe ist.

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